17 Metzgereien, 26 Gasthöfe und Kneipen

Erinnerungsseminar des Geschichtevereins stellt Karte des Einzelhandels im Stadtteil zusammen
Die Rekonstruktion der Rödelheimer Geschäftswelt von damals und heute ist Millimeterarbeit: Hausnummer für Hausnummer tastet sich Horst-Günter Kroneisen voran: „Ganz am Anfang der Assenheimer Straße, Hausnummer 2, gab’s die bekannte Traditionsmetzgerei Schickedanz.“ Allgemeines Kopfnicken. „Und rechts, Hausnummer 4, eine Gaststätte, deren Inschrift nicht genau zu erkennen ist. Soll wohl ,Zur Traube‘ heißen.“ Erneutes Nicken, Achselzucken: Klingt zumindest ganz plausibel.
Zwischen 1945 und heute
Rund 30 Teilnehmer haben sich im Pavillon des Rödelheimer Heimat- und Geschichtsvereins im Brentanopark versammelt: In einer Art Erinnerungsseminar versuchen sie anhand von Plänen, Verzeichnissen, Listen und natürlich aus ihren eigenen Erinnerungen den Bestand an Läden, Cafés, Gaststätten, Brauereien und sonstigen Geschäften in ihrem Stadtteil zu ermitteln. „Rödelheimer Geschäfte zwischen 1945 und heute“ lautet das Thema für eine Dokumentation über die Bau- und Nutzungsgeschichte im sich stetig wandelnden Stadtteil.
Institutionen wie das allseits bekannte und bis 1989 bestehende Modehaus Hinner in der Kalkentalstraße 2 dürfen hier ebensowenig fehlen wie das Filmtheater Tivoli und später das Kaufhaus Zinner in der Lorscher Straße 8 oder der Nassauer Hof auf der Insel 14 anstelle des heutigen Jugendhauses. Aber auch die heutigen Lebensmittelmärkte, Filialgeschäfte, Eisdielen und Pizzerien sollen bis in die jüngste Gegenwart festgehalten werden.
„Welche Form der Dokumentation wir hierbei wählen werden, wird sich noch zeigen“, sagt der Vorsitzende Armin Kroneisen. Eine Broschüre oder ein Buch wäre ebenso denkbar wie eine Ausstellung. „Schön wäre natürlich, wenn wir zu unserer Auflistung für möglichst viele Geschäfte auch Fotos und Informationen zur Geschichte und Geschichten hätten“, ergänzt der Stellvertreter und Projektleiter Horst-Günter Kroneisen.
In seiner historischen Einführung erläutert er die wenigen Straßen und Gassen, die es in der selbstständigen Gemeinde Rödelheim am Ende des 19. Jahrhunderts gab. „Zum Zeitpunkt der Eingemeindung 1910 hat sich das Straßenbild dann schon wesentlich verändert.“ Aus seinen Recherchen hat er ausgerechnet, dass es alleine in Alt-Rödelheim etwa 17 Metzgereien, 21 Kolonialwarengeschäfte, 5 Viehhandlungen und 26 Gasthöfe gab. Neben alten Adressverzeichnissen der Stadt und Plänen nutzt Horst-Günter Kroneisen vor allem die Anzeigen von Zeitungen und Zeitschriften.
Enteignung der Juden
„In den folgenden Jahrzehnten haben sich die Geschäfte mit ihrem Angebot weiter verändert und an die Bedürfnisse der Kundschaft angepasst“, stellt er fest. „Auch die Enteignung der Juden, die viele Geschäfte betrieben hatten, veränderte das Rödelheimer Stadtbild und hinterließ große Lücken“, stellt Gesa Hang fest und erinnert daran, wie ihre Familie in das Haus Stern/Strauß in der Assenheimer Straße einzog. Das Haus wurde zwangsweise an das Bankhaus Muth verkauft. Später ging es in das Eigentum der Metzgerei Reuss über. Ihre Familie richtete das Modehaus Hinner nach dem Krieg in der Ecke Radilo-/Kalkentalstraße 2 ein. Ein eigenes Kapitel, das in einem Vortrag weiter vertieft werden könnte.
Doch zunächst soll die aktuelle Bestandsaufnahme vorangehen: Auf dem großen Tisch ist der Stadtplan ausgebreitet, gerade und ungerade Hausnummern werden nach und nach aufgerufen und mit den vorab erstellten Listen von Kroneisens Recherchen abgeglichen. Die Lorscher Straße, Alt-Rödelheim und die Radilostraße wurden bereits auf diese Weise bearbeitet. Nun sind die Assenheimer-, die Thudichumstraße/Hausener Weg, die Alexander- und Niddagaustraße an der Reihe.
Nach und nach werden die Brauerei Stern und die Wagnerei Krupp in der Assenheimer Straße 20 und 32 genannt. Im Umfeld der Thudichumstraße können sich viele noch gut an den Friseur Lamp in der Trümpertstraße 12, das Lebensmittelgeschäft Teske an der Ecke Winter-/Thudichumstraße und das Café Cziska in der Thudichumstraße 3 erinnern, dort, wo heute die Pizzeria Rusticale zu Hause ist. Doch beim genauen Standort muss manchmal schon etwas überlegt werden. Und in welcher Reihenfolge sich mehrere Geschäfte in einer Hausnummer abwechselten, ist häufig noch schwieriger zu ermitteln.
Immer mehr Supermärkte
Kroneisen stellt fest, dass es früher viele kleine Geschäfte gab, doch dann die Zentralisierung vieler Branchen und Dienstleistungen zunahm, vor allem durch die Supermärkte.
Doch mit dem Latscha gab es schon 1908 in Alt-Rödelheim 13 den ersten Erzeugermarkt, später auch den Kaisers Selbstbedienungsmarkt. Am Ende bleibt eine spannende Bestandsaufnahme, wie sich die Geschäftswelt in Rödelheim in den vergangenen Jahrzehnten weiter- bzw. leider auch zurückentwickelt hat.
gernot Gottwals