Krönung von König Charles wie einst im Dom zu Frankfurt

Die Parallelen sind verblüffend: Die britischen Königs- und die römisch-deutschen Kaiserkrönung in Frankfurt ähnlich sich sehr.
Frankfurt/London -Rund 36 Prozent der Deutschen wollen die Krönung von Charles III. am Samstag, 6. Mai im Fernsehen verfolgen. Und während der designierte britische König zum Altar von Westminster Abbey schreitet und die Kronjuwelen empfängt, könnte in der Erinnerung geschichtsbewusster Frankfurter Kreise noch ein weiterer Film ablaufen: Die Krönung der Queen 1953, die 2006 ausschnittsweise in der Jubiläumsausstellung „Die Kaisermacher“ zur Ausfertigung der Goldenen Bulle 1356 im Dommuseum gezeigt wurde.
Krönungen erlebte Frankfurt von 1562 an öfter
„Denn die britischen Königs- und die römisch-deutschen Kaiserkrönungen im Kaiserdom ab 1562 weisen viele Ähnlichkeiten und Parallelen auf, die auf gemeinsame europäische und sogar biblische Ursprünge zurückgehen“, stellt der ehemalige Direktor des Dommuseums August Heuser fest. Die Liturgie der Krönungsmesse, die Salbung, feierliche Einkleidung und Krönung mit den Reichsinsignien durch einen Erzbischof - all dies folgt einem althergebrachten festen Protokoll, mit dem Ziel, den Monarchen oder die Monarchin als gesegnete und gotterwählte Herrscherkraft einzusetzen.
In London bleiben viele Krönungsdetails der Queen Consort Camilla und Charles spannend, der als britischer König zugleich nominelles Oberhaupt der Kirche von England ist. Zumal man bei einer wachsenden Zahl von Kritikern die Zeremonie zeitlich straffen und zeitgemäß anpassen will. Wichtige Bestandteile bleiben die feierliche Kommunion und die Salbung durch den Erzbischof von Canterbury - zu Zeiten von Elisabeth II. noch so sakrosankt, dass sie, ehrfürchtig versteckt unter einem Baldachin, nicht gefilmt wurde.
In Frankfurt lassen sich die Krönungen im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation anhand des erhaltenen Inventars noch immer gut nachvollziehen: So enthält der Domschatz einige Ornate sowie Kommunionsgeschirr und Aufbauten des Krönungaltars, auch der Baldachin ist teilweise noch original erhalten. „In Ermangelung eines Krönungsstuhls hat man den Herrscher direkt auf den Altar gesetzt, symbolisch in den Schoß Jesu Christi“, erklärt Heuser.
Die Insignien der Macht: Wo sie noch heute in Frankfurt zu sehen sind
Krone, Zepter und Reichsapfel sind als Repliken im Historischen Museum zu bewundern. Die Originale lagern in der Wiener Hofburg, der Residenz der Habsburger, die in der Regel die Kaiser stellten. „Vor der Krönung wurden sie in der Stauferburg des Saalhofs verwahrt, so wie die britischen Kronjuwelen im Tower of London“, sagt Heuser. Last but not least wurde die liturgische Zeremonie der vorausgehenden Kaiserwahl in der Reichsverfassung der 1356 von Karl IV. erlassenen Goldenen Bulle festgelegt: Die für Frankfurt erstellte Ausfertigung dieser zum Weltdokumentenerbe der Unesco zählenden Urkunde wird im Institut für Stadtgeschichte aufbewahrt.
Denn anders als in England und Großbritannien musste der Thronfolger durch sieben geistliche und weltliche Kurfürsten nach dem Vorbild des päpstlichen Konklaves in der Wahlkapelle des Doms bestätigt werden. Die Krönungsrituale folgten auch älteren Regularien der vorherigen Krönungsstädte Aachen und Mainz und standen in der Tradition der Kaiserkrönung Karls des Großen im Jahr 800 in Rom. Zum zentralen christlichen Akt der Salbung durch den Mainzer Erzbischof mit Öl trug der Monarch im Kaiserdom nur ein einfaches Gewand, wie es auch bei Elizabeth II. zu sehen war. Es folgte die Krönung mit der Übergabe der Reichsinsignien, das Aufsetzen der Reichskrone, gefolgt von Kommunion, Tee Deum, Vivat und allgemeinem Glockengeläut.
Die Reformation war ein enormer Einschnitt - in London und in Frankfurt
Hat die Erhebung des Herrschers auf Schild und Thron ihre Wurzeln in keltischem und germanischem Brauchtum, so geht die heilige Salbung auf die Einsetzung der alttestamentlichen Könige Saul, David und Salomon nach orientalischem Vorbild zurück: Diesen Ritus griff 672 der westgotische Herrscher Wamba auf und ließ sich vom Erzbischof von Toledo salben. Später übernahmen die Franken und Angelsachsen diesen Brauch.
Die Krönungsrituale in der Westminster Abbey gehen auf den letzten angelsächsischen König Harald II. und den ersten, 1166 gekrönten normannischen Herrscher Wilhelm den Eroberer zurück. In beiden Ländern war die Reformation ein bedeutender Einschnitt: So wohnte bei der Krönung der Queen der päpstliche Gesandte nicht der anglikanischen Messe teil, sondern wartete vor der Abtei. Immerhin: Papst Franziskus schenkt Charles III. zur Krönung eine Kreuzreliquie.
Und in Frankfurt enthielten sich später die protestantischen Kurfürsten der katholischen Messe im Dom und nahmen erst an der Prozession und dem Krönungsmahl im Römer teil.
Dass das alte Deutsche Reich 1806 erlosch, tat dem Selbstverständnis einzelner „gottberufener“ Monarchen keinen Abbruch: Auch deshalb soll der evangelische Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. 1849 die von der Paulskirchenversammlung angetragene Kaiserkrone abgelehnt haben. (Gernot Gottwals)