Kunst hat keinen Selbstzweck
Kunst gehört in die Öffentlichkeit – das ist das Credo von Sabine Lauer, der Vorsitzenden von Polymer FM. Der Kunstverein hat sich für 2015 viel vorgenommen.
Von Wilke Bitter
Provokant darf es im Kulturverein Polymer FM durchaus auch mal werden: Als menschliche Mülleimer sprechen sieben Jugendliche im Alter von elf bis 17 Jahren parallel zum Müll-Aktionstag des Präventionsrats am 14. März Fechenheimer Passanten an und diskutieren mit ihnen über Müll – Titel der Aktion ist „EX: Exkremente extrahieren extrem schön“. Die jungen Künstler sind Stipendiaten im Eastside-Stipendienprogramm des Kulturvereins Polymer FM und widmen sich bis zum Beginn des nächsten Stipendiums im Herbst dem Thema „Kunstaktionen – Aktionskunst“.
Mit Botschaft
Im stillen Kämmerlein nutze Kunst ja niemandem etwas, erklärt die Vorsitzende des Vereins, Sabine Lauer (55). Kunst habe keinen Selbstzweck. „Für mich ist Kunst eine Art Sprache, in der man mit anderen Menschen kommunizieren muss und in der Öffentlichkeit wirksam sein kann. Deshalb ist Kunst mit Botschaft, besonders an dem Ort, an dem man wohnt, so wichtig.“
Ihr Wirken im Verein umreißt die ehemalige Chemielaborantin Lauer, die ein Fernstudium in Kulturmanagement an der Hochschule Ludwigsburg abgeschlossen hat, als Mischung aus kreativer Arbeit und Administration. „Das funktioniert so: Zuerst stecke ich den groben Rahmen, das Ziel und die verfügbaren Mittel ab. Dann verziehe ich mich in den Hintergrund und lasse die Kreativen machen. Zwischendurch suche ich immer wieder den Dialog und versuche, strukturell zu helfen.“
Im Jahr 1989 ist Lauer von Bornheim nach Fechenheim umgezogen und ist auch dort geblieben, obwohl sie einen schleichenden Verfall des Quartiers früh bemerkt habe. „Ich würde sagen, dass Fechenheim im Jahr 2009, ein Jahr, bevor wir den Verein Polymer FM gegründet haben, in einem gesellschaftlichen und kulturellen Langzeit-Tief steckte. Das ehemalige Cassella-Chemiewerk war als Arbeitgeber für viele Menschen weggefallen, und immer mehr Läden machten dicht. Heute, fünf Jahre später, sind wir schon auf einem guten Weg, und ich bin wirklich stolz darauf, wie sich das menschliche Miteinander hier entwickelt, und dass wir mit daran teilhaben“, sagt Sabine Lauer.
Tatsächlich ist das Wirken des von städtischer Projektförderung und Mitgliedsbeiträgen getragenen Kulturvereins nicht zu übersehen, etwa wenn man von der Mainkur in den Stadtteil fährt. Auf 50 Metern säumt das „Tor nach Fechenheim“ mit Bildern der Fechenheimer Rathaus, des Mainufers und des Linneplatzes am Mainbörnchen den sonst tristen Straßenverlauf. „Nach den zwei Jahren und wirklich toller Resonanz tauschen wir dieses Jahr die ,Tor‘-Bilder aus“, erklärt die Vereinsvorsitzende. „Derzeit stellen wir die Finanzierung für die Arbeiten auf und werden den Foto-Wettbewerb wohl in der zweiten Jahreshälfte starten“, kündigt Lauer an.
Wenig Bürokratie
Solche Projekte und das Vereinsleben möglichst ohne Bürokratie und langwierige Kommunikationsketten auf die Beine stellen, das ist das erklärte Ziel von Sabine Lauer und ihrer Stellvertreterin Carolin Schöppe. Verwaltung und alles Kreative des gemeinnützigen Vereins Polymer FM besprechen und erledigen die beiden direkt nebeneinander im selben Raum in Lauers Kunstagentur in der Martin-Böff-Gasse.
Die nächste Veranstaltung ist schon am morgigen Freitag. Unter Schöppes Leitung beginnt um 18.30 Uhr ein Poesie-Lesekreis im Eastside Atelier, Alt Fechenheim 132.