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Ausbau der E-Ladesäulen kommt nicht voran – Investoren verzweifeln

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Investor Qwello ist stocksauer auf die Stadt. Geschäftsführer Hakan Tunali steht mit Elektroauto in der Innenstadt und hält dessen Stecker in die Kamera, da er dafür keine Ladesäule findet. FOTO: enrico Sauda
Investor Qwello ist stocksauer auf die Stadt. Geschäftsführer Hakan Tunali steht mit Elektroauto in der Innenstadt und hält dessen Stecker in die Kamera, da er dafür keine Ladesäule findet. © Enrico Sauda

Die Genehmigung von E-Ladesäulen auf öffentlichen Grundstücken in Frankfurt geht einfach nicht voran. Investoren wissen nicht mehr weiter.

Frankfurt – Trotz Ankündigungen aus dem Römer ist der Ausbau der Infrastruktur für Elektroautos noch immer nicht angelaufen. Obwol schon alle Probleme gelöst sein sollten, hat die öffentliche Hand die nächste Hürde aufgestellt.

Deshalb ist Hakan Tunali, Geschäftsführer der Firma Qwello, verzweifelt. An 700 Standorten möchte das Start-Up in Frankfurt Ladesäulen aufbauen, jede mit drei bis vier Ladesteckdosen. "Es ist ein tolles Gefühl, ein Elektroauto zu fahren", sagt Tunali. Er fährt einen Stromer-SUV der unteren Mittelklasse. "Tolle Technik, recht günstig", auch wegen der derzeit exorbitanten Spritpreise.

Nur 303 öffentliche E-Ladesäulen in Frankfurt

Doch will Tunali in Frankfurt Strom tanken, schaut er weitgehend in die Röhre: Die nächste Ladesäule steht 800 Meter von seinem Arbeitsplatz im Eurotheum-Turm entfernt. Nur 303 öffentliche Ladesäulen gibt es für die aktuell 32 323 Stromer und Plug-In-Hybride in der Stadt - wobei 6574 reine E-Fahrzeuge sind. Die Zahl der E-Autos ist laut Ordnungsamt zuletzt explodiert: 2018 gab es erst 601 Stromer und 525 Hybride in der Stadt. Sie aber bietet das zweitschlechteste Elektro-Ladenetz unter den zehn größten Städten in Deutschland, fand diese Zeitung Anfang 2021 heraus.

Das Problem hat die Politik seit langem erkannt, kündigt immer wieder Verbesserung an. Nach der Grundsatzentscheidung des Stadtparlaments von 2019, den Betrieb des Ladesäulennetzes nicht selbst auszuschreiben, sondern Investoren öffentliche Flächen zu Verfügung zu stellen, sprang Anfang 2020 aber ein Investor wieder ab. Zu kompliziert und langwierig war das Genehmigungsverfahren. Mehr als ein halbes Dutzend Ämter und Eigenbetriebe wollen bei den Vorhaben mitreden.

50 Pilotstandorte in Frankfurt sind genehmigt

Unter massivem Einsatz der Wirtschaftsförderung wurde daraufhin ein internes Verfahren aufgesetzt, in dem die verschiedenen Stellen - etwa Amt für Straßenbau und Erschließung (ASE), Grünflächenamt, Denkmalschutz, Stromnetzbetreiber - die Anträge gemeinsam prüfen. Vorigen November verkündete Mobilitätsdezernent Stefan Majer (Grüne), die ersten 50 Pilotstandorte mit gut 120 Ladepunkten genehmigt zu haben. Sie sollten ab Januar gebaut werden. Aktuell erklärt das ASE: Weitere 60 Standorte mit 110 Ladeplätzen sollten bis Mitte April genehmigt werden.

29 Standorte bekam Qwello genehmigt. Doch bei Hakan Tunali währte die Freude nur kurz. Als er bei den fürs Stromnetz zuständigen Netzdiensten Rhein-Main (NRM) anklopfte, hätten die plötzlich eine weitere Forderung aufgestellt: Der von Qwello zu beauftragende Tiefbauer solle nun eine spezielle Zertifizierung für Arbeiten neben NRM-Leitungen vorlegen. "In anderen Städten wird so etwas nicht gefordert", so Tunali.

Qwello muss nun mit weiteren Tiefbauern einen neuen Rahmenvertrag aushandeln. Die Firmen verlangten bis zum Siebenfachen des Preises, sagt der Geschäftsführer. Zudem vergehen weitere Monate ohne Einnahmen für das Start-Up. "Die Zeit arbeitet gegen uns", seufzt Tunali. Und die Wirtschaftlichkeit des Projekts sinkt.

Schon wieder ist das Verfahren in Frankfurt besonders langwierig

Wiederholt sich hier die Geschichte? Schon einmal hatte ja ein Anbieter die Segel gestrichen, nachdem der unkoordinierte Genehmigungsprozess zu lange dauerte. "Ich verstehe nicht, warum die Stadt daraus nicht gelernt hat", sagt Hakan Tunali. Mit der Anforderung der NRM hat er gar kein Problem - aber damit, dass die Forderung nachgeschoben wird und die Vertragsgestaltung mehrere Monate in Anspruch genommen hat. Tunali fragt: "Warum wird das nicht im Genehmigungsverfahren berücksichtigt?"

Der Netzanschluss habe nichts mit der Genehmigung zu tun, sondern sei eine rein privatrechtliche Beziehung zwischen NRM und Betreiber, erklärt Mario Will vom ASE. "Die Stadt hat hier keinen Einfluss." Alle Anbieter seien "eindringlich darauf hingewiesen" worden, frühzeitig mit den NRM Kontakt aufzunehmen, damit es nicht zu Verzögerungen kommt. "Diesem Rat wurde offensichtlich teilweise nicht gefolgt."

Die NRM dagegen verweisen auf die Stadt: Nur die könne eine Zertifizierung vorschreiben, erklärt Sven Birgmeier, Sprecher der NRM-Mutter Mainova. Man habe die Zertifizierung nur "empfohlen", das sei "im Zuge der Abstimmungen mit allen Beteiligten offen kommuniziert" worden.

Frankfurt will bei E-Ladesäulen nachsteuern

Trotz allem gibt man sich im Römer selbstkritisch. Man arbeite "an einer Vereinfachung des Verfahrens", sagt Wulfila Walter, Büroleiter von Dezernent Majer. Die umfangreiche Prüfung sei "durchaus sinnvoll" gewesen bei den Pilotstandorten, "um möglichst alle Belange aufzunehmen". Da so viele Anträge vorliegen, räumt Walter ein, "müssen wir aber nachsteuern". Die Firmen haben 1400 Standorte beantragt.

Hakan Tunali fordert deshalb viel mehr Tempo ein. "Wenn man nur die Hälfte der Energie, die man in Fahrradlösungen einsetzt, in die E-Ladestruktur einsetzen würde, würden die E-Ladesäulen in Frankfurt bereits in Betrieb gehen." (Dennis Pfeiffer-Goldmann)

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