An der IGS Süd läuft der Unterricht anders

Welche weiterführende Schule soll mein Kind ab Sommer besuchen? Diese Frage beschäftigt die Eltern der jetzigen Viertklässler. Bis zum 5. März müssen sie sich entschieden haben. Der letzte Teil unserer Serie – heute die integrative Gesamtschule (IGS) Süd.
Ihre Presseausweise haben sie heute zu Hause gelassen. Die hätten Luise und Annika schon gerne gezeigt. Schulleiterin Ursula Hartmann-Brichta aber versichert: Die beiden gehören zu „Wir für die Welt“, der Presseabteilung der IGS Süd. Die hat die Schulleiterin heute für die Schulführung beauftragt. Kaum haben Luisa und Annika die Besucher begrüßt, erzählen sie immer abwechselnd von den Fachbüros, dem Fach „Leben“, den Bausteinen, den Werkstätten und den Logbüchern. Und behalten dabei den Durchblick. Sie sind eben echte Profis.
In Themen vertiefen
„Wir für die Welt“ macht aber nicht nur die Schulführungen, sondern kümmert sich auch um die Homepage. Jede Woche ist Redaktionskonferenz. Dann besprechen die Schüler Themen, verteilen Aufgaben. Für Silke Henningsen, stellvertretende Schulleiterin, ist die Gruppe „ein echtes Juwel“. So können sich auch Kinder über die Schule informieren. Und die Erwachsenen merken gleich: An der IGS Süd laufen die Dinge anders. Hier dürfen die Schüler selbst entscheiden, ob sie heute Mathe, Deutsch oder Englisch lernen. Einmal die Woche Englisch ist Pflicht, drei Tage am Stück Mathe aber ist kein Problem. Schulleiterin Hartmann-Brichta findet es wichtig, dass sich die Schüler auch mal in ein Thema vertiefen dürfen. „Hauptsache, sie haben Spaß am Lernen“, sagt sie.
Heute ist Projekttag. Nur dann haben die Schüler auch gemeinsam Unterricht in einem der drei Hauptfächer. In der Europa-Klasse B sitzen die Schüler im Stuhlkreis. Vor ihnen liegen Zettel mit Eigenschaften und Namen von griechischen Göttern. Die sollen sie zuordnen.
Seit die Lehrerinnen letzte Woche als Göttinnen verkleidet in den Unterricht kamen, ist das Thema in aller Munde. Auch zu Hause. Katharina Kocks Tochter Charlotte war so begeistert, dass sie sich gleich in der Kinder- und Jugendbibliothek einen Wälzer über griechische Götter ausgeliehen hat. Den hat nicht nur sie mittlerweile gelesen, sondern auch ihr jüngerer Bruder. Und das ganz ohne Druck. Damals an der Grundschule war das noch anders. „Schon nach der ersten Klasse wollte Charlotte nicht mehr zur Schule gehen“, erzählt Katharina Kock.
Schulleiterin Ursula Hartmann-Brichta hört das gerne: „Plötzlich geht es zu Hause nicht mehr nur um Noten, sondern auch um die Inhalte.“ Was ihre Tochter in der Schule macht, kann Katharina Kock sich aber auch in ihrem Logbuch ansehen. Darin trägt Charlotte jeden Tag die Themen ein, die sie bearbeitet hat. Vom Kirschkern-weitspucken bis zur Mathearbeit.
Für die Lehrer bedeutet das Konzept: anders arbeiten. Nicht umsonst heißen sie an der IGS „Lernbegleiter“. Jede Woche beraten sie ihre Schüler, legen mit ihnen gemeinsam die Lernziele für die nächste Woche fest. Jeden Donnerstag tauschen sich die Lehrkräfte auch untereinander aus – über die nächsten Projekte in Religion, Biologie oder Geschichte und auch über die Schüler. Diese individuelle Betreuung ist nicht immer einfach: „Manchmal stoßen wir auch an unsere Grenzen“, sagt Hartmann-Brichta. Die einen haben noch mit der deutschen Sprache zu kämpfen, die anderen tragen eine Krise von zu Hause mit sich herum. Dass sich die viele Arbeit trotzdem lohnt, davon sind die Schulleiterinnen überzeugt. Die Vielfalt, für Katharina Kock war das damals ein Auswahlkriterium. „Ich wollte nicht, dass unsere Tochter im Elfenbeinturm sitzt“, sagt sie. „Sie sollte auch sehen, dass es Familien gibt, wo es anders läuft als bei uns.“ Bis zur zehnten Klasse lernen an der IGS jetzt alle gemeinsam: die jüngeren gemeinsam mit den älteren, ob mit Beeinträchtigung oder ohne.
Keine Hausaufgaben
Auch Luise und Annika von „Wir für die Welt“ gefällt es an der Schule. Das Beste: Es gibt keine Hausaufgaben. Mit dem Lernen geht es nach der Schule trotzdem weiter. Jeder Schüler hat ein eigenes Projekt. Luise hilft ehrenamtlich auf dem Reiterhof, Annika bastelt und spielt nachmittags mit Kindern aus ihrer Gemeinde. Auch so sollen die Kinder lernen, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Noch gibt es an der IGS nur zwei Jahrgänge. Auf den zwei Etagen in der Schwanthalerschule und der Außenstelle der Textorschule haben sie es sich eingerichtet. Überall, in den Fluren und Klassenräumen, hängen Plakate. Zur neuen Pädagogik passen die ganz normalen Räume aber nicht. Das soll sich ändern: Wenn die Textorschule ausgezogen ist, wird renoviert. Später soll dann auch das Gebäude der Holbeinschule gegenüber zu einem Teil der IGS werden: mit Aula, Mensa und Werkräumen. Ein Zeitplan steht dafür aber noch nicht.