Selbstversorgung, 1927: Erschafferin der Frankfurter Küche entwarf auch diese Gartenlaube

Die Ernst-May-Gesellschaft restauriert eine bald 100 Jahre alte Gartenhütte in der Römerstadt. Sie soll auf dem Weg zum Unesco-Weltkulturerbe helfen.
Frankfurt – Wer da wohl früher Salat gepflanzt hat, vor bald hundert Jahren? Und wer da wohl später die Blümchentapete an die Wand klebte, von der noch Reste am Fensterrahmen zu sehen sind? Die Leute von der Ernst-May-Gesellschaft wissen es nicht, darüber sind keine Daten erhalten. Aber eins weiß Schatzmeister Peter Schepp: „Zuletzt muss da ein Urwaldliebhaber am Werk gewesen sein.“
Margarete Schütte-Lihotzky entwarf die Gartenlaube – und die Frankfurter Küche
So wildwüchsig war das Gelände im Garten Nummer 16 der Kleingartenanlage Römerstadt II, als die Gesellschaft die Parzelle 2014 übernahm. Inzwischen ist der Urwald gebändigt, allenthalben wachsen Gemüse, Obstbäume und Beerensträucher nach dem Vorbild, das historische Quellen überliefern. Und mittendrin: eine Originalgartenlaube, wie sie Margarete Schütte-Lihotzky entwarf, die Architektin, die mit Stadtplaner Ernst May zusammenarbeitete und unter anderem die legendär praktische Frankfurter Küche ersann.
Um diese Gartenlaube geht es also. 1927 oder 1928 errichtet, sieht sie nicht mehr so ganz topfit aus. Die grüne Außenfarbe blättert ab, innen ist sie schon ganz entkernt, ein nachträglicher Anbau wurde abgerissen – die denkmalgerechte Sanierung steht bevor. „Wir werden einige Holzschäden beheben und dann die Farbe wieder aufbringen“, sagt der Darmstädter Architekt Stephan Kummer, der die Laube in Kooperation mit der Restaurierungswerkstatt Wibbeke aus dem Sauerland bis Herbst sanieren wird. An der Seitenwand, wo der falsche Anbau stand, sieht man noch die schöne ursprüngliche Farbe: dunkelblau-türkis mit gelblich-weißen Fensterrahmen.
Römerstadt, Höhenblick und Niddatal sollen Unesco-Weltkulturerbe werden
Es ist nicht nur ein schönes Stück Traditionspflege und Anerkennung der Helden- und Heldinnentaten von May und Schütte-Lihotzky, was die Sanierung beabsichtigt – es reiht sich auch ein in das Vorhaben, die Siedlungen Römerstadt und Höhenblick samt verbindendem Niddatalabschnitt zum Unesco-Weltkulturerbe zu machen. Die Bewerbung läuft seit 2021; eine originalgetreue Gartenlaube könne da nur hilfreich sein bei der erhofften Anerkennung durch die Unesco in den nächsten Jahren, sagt Planungsdezernent Markus Gwechenberger (SPD). „Gleichzeitig macht die Laube von Margarete Schütte-Lihotzky das alltägliche Leben zur Zeit der Weimarer Republik für Besucher:innen wieder erfahrbar.“
Damals gehörte es zum Alltäglichen, keine Toilette in der eigenen Gartenparzelle zu haben, sondern ein Gebäude mit Gemeinschaftsabort aufzusuchen. Die zweite, von ahnungslosen Reportern versehentlich als WC-Zugang eingestufte Tür der Laube führt folglich wie die erste in ein und denselben winzigen Raum. Sie ermöglicht aber, das Fahrrad bequem in die Hütte zu schieben, das dann dort neben der Sitzgelegenheit der Laubenpieper wartet, ohne nass zu werden. Eine gemütliche Vorstellung ist es trotzdem, das Gartenleben mit ordentlich Platz fürs Gemüse, denn darauf kam es ja an, und mit einer kleinen Zuflucht unterm Dach.
Kein Thymian und Basilikum im Selbstversorgergarten der 1920er
Dass die Projektpartner jetzt schon dazu einluden, einen Blick darauf zu werfen, soll einen Vorher-Nachher-Effekt ermöglichen. Und man wolle auch das Augenmerk auf Kleinigkeiten lenken, sagt Astrid Wuttke, Vorsitzende der Ernst-May-Gesellschaft und selbst Architektin. „Es ging ja darum, wie man einen Selbstversorgergarten betrieb.“ Das zeigt das gesamte, mit viel ehrenamtlicher Arbeit in Schuss gehaltene Gelände rund um die Laube. Beispielsweise betrieb man 1927 einen Selbstversorgergarten keineswegs mit dem Anbau von Thymian und Basilikum. Folglich muss das mediterrane Kraut jetzt leider auch draußen bleiben.
Die Kosten für die Sanierung der Laube, 68.000 Euro, tragen die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und die Wüstenrot-Stiftung je zur Hälfte. Es gebe nur noch wenige dieser original erhaltenen Gartenlauben, sagt Philipp Sturm, der Geschäftsführer der Ernst-May-Gesellschaft, und keine sei bislang restauriert worden, soweit bekannt. Im Prozess der Antragstellung hat sich zudem herausgestellt, dass diese Laube noch nicht einmal unter Denkmalschutz stand, abgeblättert und bedauernswert, wie sie sich da präsentierte. Inzwischen ist aber auch sie ein Denkmal. Wir kommen im Herbst wieder und bewundern sie, wenn die kleine Laube das auch mit Stolz nach außen zeigt, versprochen. (Thomas Stillbauer)