Laufen, lachen, Faxen machen

Einstiger Olympiasieger versteht es, sein Publikum mit Anekdoten und Geschichten zu unterhalten
Einen Olympiasieger im Schaufenster schwitzen zu sehen, ist ein seltenes Vergnügen. Vor dem Frankfurter Laufshop blieben denn auch am Samstagabend immer wieder Leute stehen, um zu beobachten, wie Dieter Baumann drinnen im hellen Licht auf dem Laufband joggte. Der 58-Jährige, bei den Spielen 1992 in Barcelona von der Konkurrenz über 5000 Meter nicht zu schlagen, winkte den Neugierigen vergnügt zu und machte Faxen.
Tägliches Training
Oft jedoch war die Aufmerksamkeit des prominenten Gastes auch von der anderen Seite gefordert, bei einem Talk über die bequemsten Schuhe fürs tägliche Training oder die optimale Vorbereitung auf einen Marathon, dem 40 Besucher vor Ort und Hunderte im Internet beiwohnten. Ohne ins Keuchen zu geraten und trotzdem flüssig einen Fuß vor den anderen setzend, stand Baumann Rede und Antwort und nahm sich und die anderen dabei auf die Schippe.
Noch immer wirkt der Europameister von 1994 fit und drahtig, trabt sechsmal pro Woche eine halbe bis eine Stunde; der siebte Tag nähre den Schweinehund. Nichts zu denken, einfach nur bei sich und unerreichbar zu sein, das beschreibt Baumann als den bestmöglichen Zustand. Sportlichen Zielen läuft er längst nicht mehr hinterher. „Es geht mir vor allem darum, in der Natur zu sein“. Seine zweitgrößte Leidenschaft sei die Gartenarbeit, und wenn er mal nicht mehr so zügig laufen könne, werde er durch den Wald walken oder spazieren.
„Lebensläufer“ nennt der Schwabe sich selbst. Dass er sich dank seines Sports mal vom Topathleten zum Künstler entwickeln würde, damit hat Baumann während seiner Karriere auf der Tartanbahn nicht gerechnet. Heute steht er in Dorfkneipen und kleinen Bürgerhäusern auf der Bühne und unterhält mit amüsanten Geschichten sein Publikum. In Frankfurt zählt die „Käs“ zu seinen Auftrittsorten.
Die Corona-Pandemie versetzte jedoch ihm und den anderen Kleinstkünstlern einen Schlag. Es mangele an Zuschauern. Die Performance im Laufshop von Jost Wiebelhaus in der Innenstadt war ein Versuch, mal was Neues zu wagen, eine Mischung aus Entertainment und Information in einer hybriden Form. Eintracht-Marathonspezialistin Katharina Steinruck leistete Unterstützung, hielt Tipps für Laufanfänger bereit, die sich bei den ersten Einheiten zurückhalten und vorher einen Gesundheitscheck machen sollten, und teilte ihre Erfahrungen mit den neuen Carbonschuhen, die der Elite heutzutage zu Bestzeiten verhelfen.
„Für mich sind die nichts“, stellte Baumann nach einem Härte-Test fest. Zuvor hatte er sich nur ungern des einst weißen und mittlerweile eher grau-braunen Schuhwerks berauben lassen, das er angeblich seit fünf Jahren durchweg nutzt und das, wie bei Mittelstrecklern üblich, zu klein für seine Füße ist.
Lustige Schilderungen seines einzigen Profi-Marathons 2002 in Hamburg, bei dem er sich nach der Hälfte noch locker fühlte, aber vorzeitig aufgab, zählten ebenso zu dem knapp zweistündigen Plausch wie die Vorführung ulkigster Techniken, mit denen nicht nur Anfänger sich auf die Strecke wagen. Die Puste ging Baumann nicht aus, obwohl er nur zweimal eine Pause einlegte und andere als Ersatz aufs Laufband schickte. Einmal im Monat überrascht er das Feld bei lokalen Volksläufen. Was er dort erlebt, schreibt er in Kolumnen für ein Laufmagazin auf. Der Stoff gehe ihm nie aus, auch wenn sich am Ende immer alles um die Bewegung dreht.
Heute An diesem Montag ist Baumann erneut im Laufshop zu erleben, um 18.30 Uhr; eine Stunde später begleitet er den Lauftreff. Die selbsternannte „Rampensau“ wird ihre Begleiter dabei sicher so gut unterhalten, dass sie die Anstrengung gar nicht merken. Katja Sturm