1. Startseite
  2. Frankfurt

Mieter in Frankfurt sauer: „Ich muss auf einer Baustelle leben“ – „stümperhaft“

Kommentare

Den Mieter in einem Mehrfamilienhaus in Frankfurt sind sauer über eine stümperhafte Sanierung. In einem offenen Brief wenden sie sich an die Vonovia.

Frankfurt – Fassungslos steht Ismail Boudrahem im Bad seiner Vier-Zimmer-Wohnung im Kirchweg 39 im Frankfurter Stadtteil Nied und zeigt auf die Wand mit den freiliegenden Wasserrohren: „Jede öffentliche Toilette sieht besser aus“, kommentiert er den Anblick. Die Handwerker haben eine Baustelle zurückgelassen, dabei die herausgebrochenen dunkleren Kacheln mit weißen Exemplaren ersetzt. Manche der neuen Kacheln liegen so weit auseinander, dass ein Zeigefinger in die Fuge passt. „Stümperhaft“, nennt das Boudrahem und fügt bitter hinzu: „Mein kleiner Neffe hätte das mit Knete besser hinbekommen.“

Boudrahem sieht sich als Leidtragender von Rohrsanierungsarbeiten, bei denen seit dem 12. Juni nach und nach allen knapp 70 Wohnungen zweier Blöcke die Jahrzehnte alten Wasser- und Abflussrohre durch neue ersetzt werden. Einige Mieter klagen seither über massive Probleme und Beeinträchtigungen.

Entsetzt über die „stümperhaften“ Sanierungsarbeiten in seinem Bad: Ismail Boudrahem.
Entsetzt über die „stümperhaften“ Sanierungsarbeiten in seinem Bad: Ismail Boudrahem. © Maik Reuß

Rohrsanierung in Frankfurt: Wochenlang kein fließend Wasser

Während die verantwortliche Wohnungsbaugesellschaft Vonovia (siehe Info) einer betroffenen Familie auf unsere erste Berichterstattung ein Ausweichquartier angeboten hatte, müssen andere Mieter seit drei Monaten mit erheblichem Lärm und Schmutz leben - das schreibt Hauke Hummel, der Nieder Vereinsringsvorsitzende, als Betroffener in einem offenen Brief, den er im Namen mehrerer betroffener Familien verfasst hat, an die Vonovia.

Er kritisiert darin zunächst die in seinen Augen mangelnde Aufklärung über die Baumaßnahme: Mieter hätten die Vonovia erst über die Einrichtung der Baustelle informieren müssen, um an nähere Informationen zu kommen. Die habe die Vonovia am 15. Juni geliefert - nur vier Tage, ehe die Arbeiten bei zwei Familien begonnen hätten. „Die Wohnungen hatten wochenlang kein fließendes Wasser - weder im Bad noch in der Küche -, mitten im Sommer“, schildert Hummel die Lage. Heute, nach mehr als elf Wochen, seien die Arbeiten immer noch nicht abgeschlossen.

Vonovia in Frankfurt: Ersatz-Toiletten „nicht gereinigt“

Auch an den beiden vor den betroffenen Wohnblöcken aufgebauten Sanitärcontainern hat er etwas auszusetzen: Sie befänden sich für die meisten Mieter über 100 Meter entfernt und würden zudem nicht gereinigt. Mehrere Bewohner - darunter Hummels eigener Vater - seien pflegebedürftig und könnten die Sanitärcontainer deshalb ohnehin nicht nutzen. Schreiben und Anfragen an den Vonovia-Kundenservice seien unbeantwortet geblieben.

Den zu unserer ersten Berichterstattung von Vonovia-Pressesprecher Olaf Frei gegenüber dieser Zeitung gemachten Aussagen, die Mieter seien am 30. Mai informiert worden und am 5. März habe es Begehungen gegeben, widerspricht Hummel. Das voraussichtliche Ende der Arbeiten hatte Frei für Ende Juli avisiert. Auch dies habe sich nicht erfüllt, bemängelt Hummel im Schreiben.

Schere geht weiter auseinander: Mieten in Frankfurt übersteigen Kaufkraft.

Bewohner stocksauer über Flickschusterei bei Schadenreparatur

Ein Dorn im Auge ist ihm auch die „Flickschusterei“, wie sie sich im Bad von Ismail Boudrahem zeige: Es sei nicht klar, wann und wie die Bäder wiederhergestellt und die Schäden repariert werden sollen. Nach Hummels Informationen sei beabsichtigt, nur die beschädigtem Fliesen zu ersetzen - egal, ob die neuen zu den alten, bis zu 50 Jahren alten Fliesen, passen oder nicht.

Ein halbes Jahrhundert leben auch einige der Betroffenen als „treue Mieter“ in den Wohnhäusern. „Es ist ein Unding, wie wir behandelt werden“, findet Hummel. Auf die Missstände weise er vor allem mit Blick auf jene Mieter hin, bei denen die Arbeiten gerade begonnen hätten oder kurz bevor stünden.

Vonovia-Pressesprecherin Panagiota-Johanna Alexiou räumt auf unsere erneute Anfrage ein, dass „die Kommunikation zwischen allen Beteiligten nicht optimal gelaufen“ sei. „Dafür entschuldigen wir uns bei unseren Mieterinnen und Mietern. Wir können nachvollziehen, dass die aktuelle Situation belastend für sie ist.“

Vonovia in Frankfurt: Jetzt auch noch „kurzfristige Zusatzarbeiten“

Momentan könne die Vonovia den Zeitpunkt der Fertigstellung aller Arbeiten noch nicht pauschal benennen, da die Maßnahmen in den Wohnungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten begonnen hätten. Wegen „kurzfristigen Zusatzarbeiten“ sei es leider zu Verzögerungen gekommen.

Konkret verspricht Alexiou nun ein Bündel von Verbesserungen: Die Wohnungsbaugesellschaft werde die Mieter mit gesundheitlichen Einschränkungen anderweitig unterbringen - wie in einem Fall bereits geschehen. Mit weiteren betroffenen Bewohnern stehe die Vonovia inzwischen in Kontakt. Gemeinsam mit dem Verwalter werde zudem geprüft, ob weitere Mieter eingeschränkt seien. Man wolle sie entsprechend unterstützen. Alexiou: Dazu schauen wir uns auch ihre Wohnungen an.“ 15 Wohnungen insgesamt seien bei der „Strangsanierung“ in Verantwortung der Vonovia. Auch die Fliesen in den betroffen Bädern und Küchen wolle sich die Vonovia nun genauer anschauen, um eine Lösung zu finden.

Vonovia in Frankfurt verspricht Verbesserungen

Auch kündigt die Sprecherin an, dass die Mieter nach Abschluss der Arbeiten „selbstverständlich eine entsprechende Mietminderung“ erhalten würden. Zudem tausche man sich nun mit den Fachbereichen und der Verwaltung aus, um den „Kommunikationsfluss zu verbessern“. (Michael Forst)

Auch interessant

Kommentare