1. Startseite
  2. Frankfurt

Krebskranke Frau stirbt zu Hause mit "unmenschlichen Schmerzen" - trotz Hilferufen

Kommentare

Pflegenoten dÌrfen veröffentlicht werden
Eine Begleitung für Sterbende, auch zu Hause, das gibt es heutzutage. Wer nicht ins Hospiz möchte, kann sich etwa an das Palliativ-Care-Team Limburg-Weilburg wenden. Es gibt aber auch Angehörige, die diesen Weg bereuen. Foto: dpa © dpa

Ein „menschenwürdiges Leben bis zum Tode“ hatte sich die Frau gewünscht – und sich für ein Sterben zu Hause entschieden, mit Unterstützung von Experten. Aber die hätten seine Hilferufe nicht ernstgenommen, sagt ihr Mann. Seine Frau habe mit „unmenschlichen Schmerzen“ sterben müssen.

Limburg-Weilburg - Seine Frau wollte es so. Sie wollte gerne zu Hause sterben, ganz in Ruhe in ihrem Bett – so hatte sie sich das gedacht. Anfang Februar hatten die Ärzte ihr mitgeteilt, dass sie „austherapiert“ sei, dass jetzt keine Chemotherapie mehr helfe, dass sie auch keine Infusionen zum Aufpäppeln mehr brauche. Ihrem Mann wäre es lieber gewesen, wenn sie ins Hospiz gegangen wäre, statt nach Hause. Schließlich ist dies ganz in seiner Nähe, in Hadamar, und „ich hatte Angst, dass ich mit der Pflege überfordert bin“, sagt er. Inzwischen weiß er, dass er Recht hatte. Jedenfalls ist seine Frau nicht so gestorben, wie sie sich das gewünscht hatte.

Lesen Sie auch: Hilfeaufruf: Junge Mutter mit aggressivem Blutkrebs sucht Stammzellenspender

Limburg: Krebskranke Frau wurde im Sterben alleine gelassen - Witwer klagt an

Er wolle niemanden anklagen, er wolle das Sterben zu Hause auch nicht schlecht reden, sagt der Mann, nennen wir ihn Hartmut Egenolf. Aber er wolle dafür sorgen, dass andere Paare besser vorbereitet sind, wenn es mal so weit ist. Er habe sich einfach auf das Palliativ-Care-Team Limburg-Weilburg verlassen, sagt er. Darauf, dass die Experten sich um alles kümmern, so wie es der Flyer, den er und seine Frau im Krankenhaus bekommen hatten, verspricht. 

Von einem „menschenwürdigen Leben bis zum Tode in ihrer häuslichen Umgebung“ ist da die Rede. Davon, dass „quälende Symptome gelindert“ und durch die „Einbindung hospizlicher, seelsorgerischer und sozialdienstlicher Kompetenz eine umfassende Versorgung der Kranken und ihrer Familien erreicht“ werde. Und: „Das Palliativteam ist an 365 Tagen rund um die Uhr erreichbar.“

Seine Frau soll unsterbliche Schmerzen gehabt haben

Damit, dass die Ärzte und Pflegerinnen, die zu seiner Frau kamen, nicht so liebevoll und fürsorglich mit ihm und seiner Frau umgingen, wie er sich das gewünscht hätte, kann Hartmut Egenolf leben. Aber dass seine Frau leiden musste, das hat er nicht verwunden. Drei Tage lang habe seine Frau unmenschliche Schmerzen gehabt, zwei Mal habe er in seiner Not nachts um Hilfe gebeten, aber niemand sei gekommen, man habe ihn abgewimmelt, jedes Mal sei ihm gesagt worden, dass morgen früh der Pflegedienst komme, dass dann jemand nach seiner Frau sehe. „Aber immer abends wurden ihre Schmerzen unerträglich“, sagt Hartmut Egenolf. Da hätten auch die Tabletten nichts geholfen, die er von dem Palliativmediziner bekommen hatte.

Keine Hilfe für Schwerstkranke: Wurde sie nicht ausreichend versorgt?

Die Tabletten gehörten zu der Notfallbox, die jeder Patient des Palliativ-Care-Teams bekommt, erklärt Dr. Peter Schermuly, der ärztliche Leiter des Palliativ-Teams. „Das sind superstarke Morphine.“ Die eigentlich schnell helfen. Aber natürlich nicht gegen die Not der Angehörigen, die einen geliebten Menschen sterben sehen. Er verwahrt sich gegen den Vorwurf, man habe Herrn Egenolf am Telefon abgewimmelt. „Unser System basiert auf Verlässlichkeit.“ Aber es sei nun mal auch der Palliativmedizin nicht in die Hände gegeben, „wie so eine Finalphase aussieht“. Und die Begleitung von Frau Egenolf sei kurz und intensiv gewesen, mit einem dramatischen Ende.

Genau sieben Tage dauerte ihre Versorgung, das Palliativteam hat alles genau dokumentiert, jeden Anruf, jeden Hausbesuch – und kommt zu einer ganz anderen Einschätzung als Hartmut Egenolf. Die beiden Schwestern, die sich vor allem um Frau Egenolf kümmerten, sprechen von einer „sehr gelungenen Begleitung“ und einer „gut versorgten Patientin“. Aber vermutlich sei die Zeit zu kurz gewesen, um die Pein des Ehemannes erkennen zu können, sagt Peter Schermuly. Es brauche Zeit, ein stabilisierendes System aufzubauen. 

„Die Angehörigen sind in der schlimmsten Stresssituation ihres Lebens, sie müssen wir schützen.“ Und das sei in diesem Fall offenbar nicht gelungen. Schon die ersten Kontakte mit den Ärzten des Palliativ-Teams schildert Hartmut Egenolf als belastend. Ein paar Tage vor ihrem Tod sei der Arzt gekommen, habe seine Frau angeschaut, ihm mitgeteilt, dass er es akzeptieren müsse, wenn sie nichts mehr essen und trinken wolle, und dass er auch ihr entzündetes Bein nicht mehr behandeln werde. „Wir machen gar nichts mehr, sie stirbt ja sowieso“, habe der Arzt gesagt. „Dieser Besuch hat uns in die Tiefe gezogen.“

Witwer: „Ich habe versagt“

Abends seien dann die Schmerzen schlimmer geworden, seine Frau habe sich im Bett gewälzt und geschrien. Er habe ihr die Tabletten gegeben, die der Arzt dagelassen hatte und noch welche, die er aus der Apotheke geholt hatte. Aber es sei nicht besser geworden. Um halb Zwei habe seine Frau ihn angefleht, den Notarzt zu rufen, er rief das Palliativ-Care-Team an – und habe sich vertrösten lassen, sagt Hartmut Egenolf. „Ich habe versagt.“ Als es in der folgenden Nacht wieder so schlimm wurde, habe sein Sohn angerufen. „Ich war ja überfordert.“ Laut Dokumentation ging der erste Anruf in dieser Nacht um 0.17 Uhr beim Palliativ-Team ein, um 0.45 Uhr war eine Schwester bei Familie Egenolf. Um 4.52 Uhr der nächste Anruf, um 8 Uhr dann der Hausbesuch, der dritte Hausbesuch an diesem Tag ist für 11.42 Uhr verzeichnet. Als es nicht besser wurde, habe eine Schwester seiner Frau eine Infusion gegeben, sagt Hartmut Egenolf. Kurze Zeit später sei ihr Mund voll Blut gewesen, dann habe er keinen Puls mehr fühlen können; seine Frau war tot. „Es war grausam. Diese unmenschlichen Schmerzen. Diese Hilflosigkeit.“

von Sabine Rauch

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Alltags-Medikament tötet Krebszellen ab - wie neue Studie Therapie revolutionieren könnte

Mit weit mehr als 200.000 Neuerkrankungen ist Hautkrebs die häufigste Krebsart in Deutschland. Mit welcher Arznei Forscher jetzt die kranken Zellen abtöten, überrascht.

Wird Krebs in wenigen Jahren tatsächlich komplett besiegbar sein?

Krebs ist nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache. Können Prävention und Behandlungsmethoden alle Krebsarten in naher Zukunft besiegen?

Attacke auf Frankfurter Wochenmarkt: Hund beißt Mann ins Gesicht - Stück von Nase fehlt: Ein Mann wird auf dem Frankfurter Wochenmarkt von einem schwarzen Hund attackiert und schwer verletzt. Die Polizei fahndet nach Herrchen und Tier.

Auch interessant

Kommentare