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Mehrere Tausend Menschen demonstrierten in der Stadt gegen Rechts

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Spruchbänder, Plakate, Sprechchöre und laut Veranstalter bis zu 10 000 Menschen demonstrierten am Samstag in Frankfurt gegen einen Rechtsruck im Land.  Silas Stein/dpa
Spruchbänder, Plakate, Sprechchöre und laut Veranstalter bis zu 10 000 Menschen demonstrierten am Samstag in Frankfurt gegen einen Rechtsruck im Land. Silas Stein/dpa © Silas Stein (dpa)

Bis zu 10 000 Menschen, unzählige Redner und 15 Künstler feierten am Samstag eine friedliche Party gegen rechte Hetze und Gewalt. Obwohl die Redner in teils drastischen Worten schildern, was im Land falsch läuft, war die Stimmung ausgelassen, auch das befürchtete Demonstrations-Chaos blieb aus.

Manchmal ist der Lärm einfach stärker als die Stimmen der Redner. Die Straßen rund um den Baseler Platz sind nicht abgesperrt, der Verkehr rauscht, Touristenbusse, Notarztwagen, Hubschrauber ziehen vorbei. Doch die Menschen, die sich auf dem Platz versammelt haben, stört das nicht. Sie warten geduldig, schwenken ihre Fahnen und lassen sich manchmal dazu animieren, „Wir sind mehr“ zu rufen.

3500 sind es nach Angaben der Polizei, im Lauf der Stunden insgesamt knapp 10 000, sagen die Veranstalter. Die Mischung ist bunt: Männer um die 50 und Jugendliche in schwarzen Anarcho-T-Shirts, solche, die einfach Flagge zeigen wollen und solche, die sehr spezielle Wünsche haben, etwa die Rückkehr der spanischen Republik vor Franco. Viele Teilnehmer haben ihre Kinder mitgebracht. Mehr als 50 Organisationen hatten dazu aufgerufen, unter dem Motto „Wir sind mehr“ ein Zeichen gegen Rechts und Fremdenfeindlichkeit zu setzen.

Rap gegen Hass

Der Rapper DeeOOh aus Hannover hat dazu extra ein gleichnamiges Lied geschrieben, das er bei der Auftaktkundgebung präsentiert. „Hinter denen die schlagen, hinter denen die marschieren, stehen jene die nichts sagen, stehen die die tolerieren“, heißt es dort. Und weiter: „Doch wir sind mehr, mehr als ein schwarz-weißes Land, mehr als dein Hass an den Rand treiben kann.“ Die Menge klatscht.

Auch viele Redner beschreiben, warum wir endlich handeln müssen – in teils drastischen Worten. Ulrike Eifler von „Keine AfD in den Landtag“ erklärt, dass rechte Parteien in Parlamenten das politische Klima verätzen und zeigt die Konsequenzen auf: Die Abschaffung der unabhängige Presse in Ungarn und der unabhängigen Justiz in Polen, die Schließung der italienischen Häfen für Rettungsboote.

Manche Redner gehen noch einen Schritt weiter. Kaputtes Land, unfähige Politiker, „staatlicher Terror als Abschreckung“, Boykott von Bildzeitung, FAZ und allen anderen Zeitungen, in denen rechte Parteien werben – kurz fragt man sich, ob man vielleicht die falsche Seite erwischt hat. „Manche von uns sind ob der vielen Ungerechtigkeiten schon sehr frustriert“, versucht Organisatorin Kerepesi eine Erklärung.

Felicitas Klings, die mit ihren Freunden aus Wiesbaden gekommen ist, findet solche Äußerungen dennoch unpassend. „Die Pressefreiheit ist ein großer Wert“, sagt sie. „Wenn wir die einschränken, bekommen wir ein großes Problem.“ Die Wiesbadenerin schwenkt eine Europa-Flagge, dass zeitgleich eine Kundgebung von Pulse of Europe mit 500 bis 600 Teilnehmern auf dem Goetheplatz stattfindet, habe sie eben erst erfahren. „Wir sind schon mit Absicht hier, man kann nicht genug aufstehen gegen Rechts und für Menschenrechte.“

Wenn Menschen ertrinken

Nach rund einer Stunde setzt sich der Zug in Bewegung, über den Platz der Einheit und den Willy-Brandt-Platz geht es zum Roßmarkt. Auch Olaf Petters aus Praunheim läuft mit. „Nach Chemnitz müssen wir zeigen, dass die bürgerliche demokratische Gesellschaft in der Mehrheit ist“, sagt er. Was ihm bei der Demo noch fehle, sei ein stärkerer Fokus auf die Seenotrettung. „Es kann doch nicht sein, dass wir im Mittelmeer Menschen ertrinken lassen.“

Doch der Marsch gegen Rechts ist ja noch lang. Und tatsächlich spricht das Bündnis Seebrücke dann auf dem Platz der Einheit. Die dortigen Beiträge sind aber noch von einem anderen Thema geprägt: dem Umgang mit Extremismus. Diese Zeitung hatte den gemäßigten Gruppierungen im Bündnis „Wir sind mehr“ vorgeworfen, sich nicht genügend von den linksradikalen Kräften zu distanzieren. „Es ist ein Unterschied, ob man dazu aufruft, dass Menschen zu Schaden kommen, oder das System angreift, das dazu führt“, sagt Matthias Maier von „Seebrücke Frankfurt“.

Auch die Punkband Pestpocken, die in einem ihrer frühen Lieder zur Gewalt gegen Polizeibeamte aufruft, und deshalb von dieser Zeitung kritisiert worden war, äußert sich. „Es geht überhaupt nicht darum, zu Gewalt aufzurufen“, sagt Sängerin Andrea. Stattdessen hätten die Bandmitglieder in ihren Liedern ihre Wut verarbeitet. „Es geht darum, sich zu wehren gegen das, was in Deutschland passiert. Nicht mit blinder Wut, sondern mit konzentrierter Wut.“

Wut finden Anna und Rüdiger nie gut. Die 18-Jährige aus Bad Soden trägt ein Schild mit der Aufschrift „Hass ist krass, Liebe ist krasser“. „Es gibt viel zu viel Hass auf der Welt, damit kommen wir doch nicht weiter“, sagt sie. „Und außerdem hätten wir ohne Polizei ein noch größeres Chaos.“ Das Paar ist gekommen, um den Menschen zu zeigen, dass sie in ihrem Kampf gegen Rechts nicht alleine sind. „Außerdem wählt mein Chef AfD“, sagt Rüdiger. „Dem muss ich doch was entgegenstellen.“

Als die Party gegen 22 Uhr endet, sind auch die Veranstalter zufrieden. Zwar habe die Polizei in ihrer vollen Kampfmontur einigen Teilnehmern unberechtigterweise das Gefühl vermittelt, etwas Verbotenes zu tun, sagt Kerepesi. „Aber die Stimmung war durchweg positiv. Das hat uns viel Kraft gegeben.“

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