Mein lieber Herr Biber: Ur-Frankfurter Nagetiere wieder heimisch an Nidda und Main

Gute Nachrichten für den Artenschutz: Ur-Frankfurter Biber sind zurück. Die Nager breiten sich entlang der Nidda und des Mains aus.
Frankfurt – Die Indizien sind eindeutig, man erkennt sie auch ohne Trapper-Diplom: Wie angespitzte Bleistifte ragen die Baumstümpfe am Schwanheimer Mainufer, unweit des Höchster Wegs, aus dem Boden. Der Biber, in Frankfurt längst zum Großstädter geworden, hat sich ein neues Revier erschlossen – diesmal in Schwanheim.
Einst war er in Hessen ausgestorben, bis er vor 34 Jahren im Sinntal im Main-Kinzig-Kreis an der Grenze zu Bayern wieder angesiedelt wurde: Zwischen 1986 und 1988 wurden die ersten Exemplare dort am nördlichen Rand des Spessarts und an den westlichen Ausläufern der Rhön wieder angesiedelt; 2000 wurden die ersten in der Wetterau gesichtet.
Immer mehr Biber in Frankfurt: Die Nager breiten sich an Main und Nidda aus
Über die Nidda erreichten die großen Nager mit dem typischen, platten Schwanz vor rund zehn Jahren auch die Mainmetropole und sind inzwischen auch im Frankfurter Westen heimisch – etwa an der Retentionsmulde am Sossenheimer Ufer, wo sie eine Biberburg gebaut haben. Zu sehen sind die scheuen, nachtaktiven Tiere allerdings nur selten – wohl aber ihre Bissspuren an Bäumen entlang der Nidda und am Main – wie jetzt am Schwanheimer Ufer.
„Von Fechenheim bis Sindlingen ist der Main besiedelt“, erklärt Biber-Kenner Manfred Sattler, der im Rahmen der Baum-Kontrolle und -Pflege beim Grünflächenamt der Stadt immer wieder quasi dienstlich mit den Tieren zu tun hat. „Biber brauchen viel Grünzeug“, weiß er; jedes Tier fresse im Frühjahr zwei bis vier Kilo Kräuter und Gras – die Bäume stehen dann nicht auf dem Speiseplan.
Aber wenn es kalt wird und es kein frisches Grün mehr gibt, steigen die Nager vor allem auf junge Triebe von Weichholzbäumen wie Weiden und Pappeln um. Und weil sie nicht klettern können, nagen sie mit ihren extrem kräftigen Zähnen jüngere Bäume einfach um und schleppen das Holz zum Ufer.

Auch die Frankfurter Großstadtbiber mögen es gemütlich: Dämme, Burgen, ruhiges Wasser
Am liebsten, so erklärt der Experte, mögen sie sanft fließendes Wasser, denn es eignet sich perfekt, um Dämme und Burgen zu errichten. Meist lassen sich Biber an eher ruhigen Gewässern nieder, machen aber auch Ausnahmen: In Hanau waren sie sogar an der dortigen Staustufe zugange, in Dörnigheim an den Schleusen. „Sie sind in den Bootschleusen an der Mole aus dem Wasser gestiegen, die Treppe hoch und auf der Seite wieder rein“, erzählt Sattler.
Auch weiter unten am Main, in Okriftel, sind Biber gesichtet worden. In Frankfurt gibt es nach Sattlers Angaben mittlerweile zwischen zwölf und 15 bekannte Vorkommen – vor allem am Main und an der Nidda. Wo sich die genialen Baumeister wirklich dauerhaft niederlassen, ist schwer vorhersehbar: Wenn es ihm gefällt, bleibt er und lässt sich kaum abhalten. Wenn nicht, zieht er weiter.
Der Biber-Nachwuchs etwa muss sich mit dem Erwachsenwerden ein eigenes Revier suchen. Dabei hilft, dass Biber Wasser auf große Entfernung riechen und wenige Hindernisse kennen. Sorgen macht sich Sattler trotzdem, „weil schon einige auf dem Weg durch den Wald überfahren wurden.“
Biber an Nidda und Main stehen unter Artenschutz
Biber waren in Europa fast ausgerottet, weil sie wegen ihres sehr dichten Fells gejagt wurden. Das war besonders für den „Kastorhut“ gefragt, einen aus Biberhaar gefertigten Hut, der vom 17. bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts von Männern und Frauen getragen wurde. „Castor“ ist der lateinische Name des Bibers. Das Rückenhaar wurde von den Putzmachern für den Filzhut, einen Vorläufer des Zylinders, verwendet; die langen Grannenhaare dienten als Material für Mützen, Strümpfe oder Handschuhe.
Biber stehen unter strengem Artenschutz und dürfen nicht gefangen, verletzt oder gar getötet werden. Mit ihren Nage-Aktivitäten gestalten sie die Natur; sie zerstören nicht, sondern tragen zur Lebensraum- und Artenvielfalt bei. Wo sie Burgen anlegen, entstehen Stillwasserzonen, von denen Fische, Amphibien und auch Libellen profitieren. An stattliche Bäume gehen sie nicht: Die sind ihnen viel zu holzig und außerdem kaum transportabel.
Ein echter Ur-Frankfurter: Der Biber
Bis zu 20 Kilo schwer und bis zu 15 Jahre alt können die Tiere werden. Wenn sie eine Familie gründen, leben sie in einem Bau, dessen Eingang zum Schutz vor Feinden unter Wasser liegt; sie bauen sich Kammern aus Schlamm und Astwerk und füllen sie mit Reisig. Mit abgenagtem Sägemehl polstern sie die Böden aus und tauschen das eingelagerte Material immer wieder aus.
Biber sind Ur-Frankfurter; es gab sie quasi schon auf dem Römerberg: Durch Zusammenlegung der Häuser „Ullner“ und „Selzer“ entstand im 18. Jahrhundert ein Haus, das wegen seiner Form „Englischer Kastorhut“ genannt wurde. Dieser Barockbau fiel 1904/06 dem Durchbruch der Braubachstraße zum Opfer. (Michael Forst)
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