Mit den Hamsterjägern durch die hohen Felder

Die Population steigt nach der Auswilderung - Mäusebussarde machen Beute.
Frankfurt. Einen Feldhamster in schulterhohem Hafer und noch höheren Blumen zu entdecken, muss schwieriger sein, als die berühmte Nadel im Heuhaufen zu finden. Wenn die Tierärztin Julia Heinze (26) das junge Feldmasterhabitat betritt, ist sie schon nach wenigen Schritten vom raschelnden Getreide anscheinend verschluckt. Wo das Areal liegt, wird nicht verraten. Zum Schutz. Nur Heinze weiß genau, wo es lang geht, folgt auf einem schmalen Trampelpfad einem Geräusch. Derweil ist Johanna richtig sauer, bläst die Backen fett auf, klappert mit den Zähnen und grummelfiept. Zu groß war für sie die Verlockung aus Lauch und Erdnussbutter in der Hamsterfalle.
GPS-Sender am Hals
Heinze lacht das 350 Gramm-Flauschknäuel freundlich an und sagt „Mausi“ zu ihr. Johanna wird noch wütender. „Sie will zeigen, dass sie eine ganz große ist. Meinen Finger würde ich ihr nicht hinhalten. Das täte richtig weh“, so Heinze, die den GPS-Sender der ein Jahr alten Feldhamsterdame durch das Gitter der Falle prüft. Ursprünglich hatte Heinze gehofft, dass ihr Nachwuchs in die Falle tappt, der scheint aber noch unterirdisch in den bis zu zwei Meter tiefen Bauten kuscheln zu wollen.
Katarina glotzt völlig verblüfft, als sie in der Falle sitzt. Erst zwei Stunden vorher ist sie ausgewildert worden. An einem Hamsterbau auf der entgegengesetzten Seite des zwei Hektar großen Feldes. Dass es Katharina ist, wissen Heinze und Marie Wittekind (23), die an ihrer Studienabschlussarbeit für Ökologie- und Evolutionsbiologie an der Goethe-Uni schreibt, erst etwas später. Sie hatten auf einen ihnen unbekannten Hamster in der Falle gehofft. Die Hamsterin soll in einen dreieckigen Jeansstrumpf, um sie zu vermessen, das Geschlecht festzustellen und zu chippen. Sie will nicht. Der halbe Körper bleibt draußen. Auch sanftes Pusten hilft nicht. „Feldhamster mögen keinen Wind“, weiß Heinze. Da der dicke Hamsterhintern nah am Gitter ist, piept das Lesegerät und verrät, dass es Katarina ist. Der Jeanssocken bleibt ihr erspart, sie saust ab wie der Blitz ins kerzengerade Fallloch des offenbar sonst unbewohnten Hamsterbaus. „Die ist ganz schön weit gelaufen“, stellen Heinze und Wittekind fast so verblüfft fest, wie die Flauschkugel geguckt hatte. Am 22. und 23. Mai wurden sieben Feldhamster-Weibchen und sechs Männchen in das mit Flatterband und Elektrozaun gegen Füchse umgebene Feld ausgesetzt. Johanna gehörte dazu. Ebenso wie Ilse, Caro und Rabea.
Das ist kein leichtes Leben
Beim ersten „Rückfang“ hat Heinze sechs von ihnen wieder in den Fallen gehabt und einen unbekannte Feldhamsterin, die gechippt wurde und seither nicht mehr auftauchte. Zwei weitere waren unklar. „Wir warten auf die Genetik-Ergebnisse“, so Heinze. Rabea hat es nicht geschafft. Sie lag tot im Feld. In der Pathologie wird ihre Todesursache untersucht. Auch Jonas und Lilly haben nicht überlebt. Ein Mäusebussard hat sie gefressen. Feldhamster haben kein leichtes Leben. Ihre Bauten mit mehreren Ausgängen werden penibel bis zu zwei Meter tief ausgebuddelt, damit die Tiere, die bei Männchen bis zu 600 Gramm schwer werden können, ihre Wintervorräte ebenso lagern können wie ihre Jungen groß ziehen. „Bis zu zehn Junge können theoretisch dreimal im Jahr geboren werden. Praktisch gibt es maximal zwei Würfe mit bis zu acht Jungen im Jahr und viele Fressfeinde“, so die Tierärztin, die seit 2021 in der AG Feldhamsterschutz noch zwei weitere Felder in Langgöns und Pohlheim für die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) betreut und untersucht. Einmal im Monat verbringt sie drei Tage und Nächte im Feld, sucht neue Bauten und geht auf Feldhamsterjagd. Dort, wo sie Bauten findet, wird der Platz per GPS notiert und Fähnchen in den Boden gesteckt. Die Fallen mit Gemüse und Erdnussbutter verteilt sie an den Eingängen und strahlt jedes Mal, wenn sie einen ihrer Schützlinge wiedersieht. Und wenn neue auftauchen. „Besonders eindrucksvoll ist, wenn Jungfeldhamster aggro werden. Da muss man einfach lachen, wenn sie sich aufspielen wie ein Bär.“ In den meisten Bauten wurden schon Babys geboren. Heinze untersucht und chippt jeden von ihnen, wenn sie sich denn fangen lassen. Die anderen erlebt sie solange bei Aufzeichnungen der Wildkameras.
Am Sonntag, den 6. August gibt es von 9.30 Uhr bis 12 Uhr mit Julia Heinze die kostenfreie Exkursion „Fantastische Feldhamster und wo sie zu finden sind“. Nach der Anmeldung unter feldhamster@hgon.de wird der Treffpunkt bekannt gegeben.
SABINE SCHRAMEK