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Mit Drillingen im Bauch vor den Bomben geflohen

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Von: Brigitte Degelmann

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Rehina Holovata im Klinikum Höchst mit ihren Drillingen (von links) Makka, Numan und Sabina. Dem Klinikum ist sie für die große Unterstützung dankbar - jetzt braucht sie eine Wohnung.
Rehina Holovata im Klinikum Höchst mit ihren Drillingen (von links) Makka, Numan und Sabina. Dem Klinikum ist sie für die große Unterstützung dankbar - jetzt braucht sie eine Wohnung. © Brigitte Degelmann

Junge Ukrainerin entbindet nach strapaziöser Flucht - und sucht jetzt dringend eine Wohnung

Frankfurt. Wie nahe Glück und Verzweiflung beieinander liegen können, das weiß kaum jemand so gut wie Rehina Holovata (28). Vor sechs Wochen hat die junge Ukrainerin im Höchster Klinikum Drillinge zur Welt gebracht, in der 28. Schwangerschaftswoche. Doch jetzt suchen sie und ihr Mann dringend eine bezahlbare Wohnung - bisher vergeblich. Dabei drängt die Zeit: Am 3. August sollen die Kleinen aus der Höchster Kinderklinik entlassen werden. Sie fragt: "Wo sollen wir dann hin?",

Derzeit sind sie und ihr Mann in einem kleinen Zimmer in einem Wohnheim einquartiert, das zum Krankenhaus gehört. Hier sind Klinikmitarbeiter untergebracht, aber auch Eltern, deren Kinder in der Pädiatrie betreut werden. Keine Dauerlösung also, zumal das Zimmer im 15. Stock für die Familie viel zu klein ist. Auch das Sozialamt habe ihr bisher nicht helfen können, sagt Rehina Holovata. Dort, erzählt sie, habe sie nur bedauerndes Schulterzucken geerntet: Wohnungen seien nun mal knapp.

Hinter der jungen Englischlehrerin liegen Wochen voller Angst. Dabei war sie im Winter noch überglücklich gewesen. Jahrelang hätten sie und ihr Mann versucht, ein Kind zu bekommen, erzählt sie. Seit 2015 sind sie verheiratet, leben in Kiew. Endlich, nach einer künstlichen Befruchtung Anfang Dezember, bei der ihr zwei befruchtete Eizellen eingesetzt worden sind, ist Rehina Holovata schwanger. Aber dann bricht am 24. Februar der Krieg aus. Anfangs ist das Paar ratlos. Das Land verlassen, in eine ungewisse Zukunft, dabei das Leben des so ersehnten Nachwuchses gefährden? Zumal sie Mitte März erfahren, dass sie Drillinge erwarten.

Weil Kiew immer wieder mit Bomben und Raketen attackiert wird, entscheidet sich Rehina Holovata im Mai doch zur Flucht. Allein - ihr Mann muss erst noch einiges in Kiew regeln. Mit dem Bus gelangt sie über Bulgarien nach Istanbul; eine 30-stündige Fahrt, die schon für normale Reisende anstrengend ist - erst recht für sie, deren Bauch inzwischen so groß ist wie bei anderen Schwangeren im neunten Monat. In Istanbul erwischt sie schließlich ein Flugzeug nach Deutschland.

Als sie in Frankfurt ankommt, ist ihre Odyssee noch nicht vorbei. Im Erstaufnahmezentrum an der Messe will sie sich registrieren lassen. Doch nach fünfstündigem Warten habe man sie weggeschickt, erzählt sie - Systemausfall, sie solle am nächsten Tag wiederkommen. In ihrer Verzweiflung quartiert sie sich auf eigene Kosten in einem Hotel in Eschborn ein und versucht ihr Glück am nächsten Tag beim dortigen Sozialamt, das sie jedoch wieder zur Messe schickt. Dort schafft sie zwar die Registrierung, allerdings soll sie nun abermals zum Sozialamt wegen einer Unterkunft.

In ihrer Not wendet sich die junge Frau völlig erschöpft an das Günter-Feldmann-Zentrum im Ostend - über Bekannte hat sie erfahren, dass man sich dort um Geflüchtete aus der Ukraine kümmert. Und hat Glück: Evgenia Levin, selbst gebürtige Ukrainerin und ehrenamtliche Koordinatorin der Einrichtung, nimmt sich ihrer an und verschafft ihr ein Zimmer in im Hotel Arena am Zoo. Dessen Geschäftsführer Gennadi Tultschinetski habe sogar seinen Urlaub unterbrochen, um sofort die notwendigen Dokumente auszufüllen, damit Rehina Holovata auch krankenversichert ist.

Viel Zeit bleibt nicht: Nach wenigen Tagen verliert sie Fruchtwasser. Im Krankenhaus versucht man zunächst, die Geburt mit Medikamenten hinauszuzögern. Am 11. Juni setzen die Wehen ein. So verängstigt sei sie gewesen, dass sie den Arzt gefragt habe, ob er ihre Hand halten könne, erinnert sie sich. Als sie aus der Narkose aufwacht, sind ihre drei Babys - zwei Mädchen und ein Junge - schon in der Kinderklinik. Schließlich wiegen Makka, Sabina und Numan bei der Geburt nur zwischen 1,2 und 1,5 Kilogramm.

Drei Tage später trifft der Vater ein. Gemeinsam können sie ihre Babys besuchen. Winzig klein seien sie gewesen, erinnert sich Rehina Holovata: "Wir hatten Angst, sie anzufassen." Mittlerweile hätten sie sich prächtig entwickelt, wiegen zwischen zwei und zweieinhalb Kilogramm. Nur Numan, der Größte des Trios, macht noch Sorgen: Er hat ein Loch im Herzen und muss in absehbarer Zeit operiert werden. Dennoch ist die Familie voller Dankbarkeit - vor allem über die Hilfe, die sie in Deutschland erfahren hat. Nicht nur von Evgenia Levin und Gennadi Tultschinetski, sondern auch vom Klinikum Höchst und dessen Babylotsen: "Das hätten wir nie erwartet", sagt Rehina Holovata.

Doch die Ängste wegen der fehlenden Bleibe machen ihr schwer zu schaffen. Die junge Familie braucht dringend eine Wohnung im Erdgeschoss, schließlich passt der Drillingskinderwagen in kaum einen Aufzug. Und sie solle nicht zu weit entfernt vom Krankenhaus liegen, denn Numan müsse ja regelmäßig zu Untersuchungen dorthin, sagt Evgenia Levin. Wer helfen möchte, kann sich per E-Mail melden: evgenia. levin@feldmann-beratungszentru m.de. Brigitte Degelmann

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