Mit einem Wisch zum richtigen Schmuckstück

Zwei Frankfurter Jungunternehmerinnen haben eine App für Online-Shopping entwickelt
Die Basis ihrer Geschäftsbeziehung ist eine unzertrennliche Freundschaft, und ihr Ziel ist die Revolutionierung des Online-Shoppings. Adriana Kauss (24 Jahre) und Jessica Lochte (25) haben als frischgebackene Frankfurter Unternehmerinnen gerade die Einführung ihrer App Sajent-Club gefeiert - eine App, die den Kauf von Schmuck erleichtern soll.
Braucht man Erleichterung beim Kauf vom Schmuck? Wie oft kauft man Schmuck? Und fällt es einem dann schwer? Frauen wünschen sich vermutlich - auf den ersten Blick - eher eine App, die den Kauf von Mittagessen und Kosmetikpflegeprodukten erleichtert - die kauft man schließlich dauernd. Aber, meine Damen, es gibt ja noch die Herren, jene Spezies, die aktuell durch die Kaufhäuser hetzt, um Geschenke zu finden - oder eben auch noch nicht, weil es ihr erst an Heiligabend siedend heiß einfällt, dass sie Geschenke braucht. Diese Spezies weiß immerhin (größtenteils) schon: Haushaltsgeräte und Socken sind - wenn denn nicht ausdrücklich besprochen - keine Geschenke, die beziehungserhaltend wirken. Laut Kauss und Lochte, die Ketten, Ringe und Ohrringe lieben, ist Schmuck das Geschenk erster Wahl, mit dem man nichts falsch machen kann - eigentlich.
Kauss und Lochte bringen zwei Rechercheergebnisse zusammen: 70 Prozent der Männer sagen, dass sie mit ihren Schmuckgeschenken noch nie etwas Falsches geschenkt haben. Aber: 80 Prozent der Frauen haben schon mal Schmuck geschenkt bekommen, der ihnen nicht gefällt. „Sie sagen aber nicht, wenn es ihnen nicht gefällt, weil sie niemanden verletzen möchten“, wissen die Geschäftsführerinnen. Ob man mit seinem Schmuckgeschenk richtig gelegen habe, erkenne man laut Kauss und Lochte ganz einfach daran: Wird es denn getragen?
Trefferquote nicht besonders hoch
Ergo: Die Trefferquote bei Schmuckgeschenken ist nicht besonders hoch. Erhöhen könnte man sie, indem man vorher fragt: Was wünschst Du Dir? „Aber dann ist der Schenkeffekt mit dem Überraschungsmoment weg“, so Kauss und Lochte. Und nach der Ringgröße kann „Mann“ ja auch schlecht fragen. „Da gibt es Geschichten, dass Männer nachts bei ihrer schlafenden Frau heimlich ganz vorsichtig versucht haben, mit einem Papierstreifen Fingerumfänge abzumessen.“
Die Sajent-App kann Abhilfe schaffen: Man lädt die App herunter, meldet sich an, erstellt ein eigenes Profil, gibt es für einen definierten Personenkreis frei und hat Zugriff auf ein exorbitantes Schmuckangebot von allen erdenklichen Online-Händlern. Dann bekommt man Vorschläge gemacht. Jetzt - das ist das Besondere - kann man wie bei der Onlinedating-App Tinder swipen. Nach rechts wischen: gefällt mir, nach links: gefällt mir nicht. „Das ist eine sekundenschnelle, emotionale Entscheidung.“ Algorithmen und künstliche Intelligenz hinter der App lernen dazu und machen es so möglich, dass der Nutzer immer passendere Vorschläge bekommt. Im Profil sind die Vorlieben und die Objekte der Begierde hinterlegt. Tipp für die Männer: sich zum Profil einladen lassen.
„Aber wir geben keine Daten weiter. Was in der Sajent-App ist, bleibt in der Sajent-App“, versichern die Jungunternehmerinnen. Sie verdienen durch die Vermittlung zwischen Online-Schmuckhändlern mit mehr als 300 Marken und einer halben Million Produkte und Kunden, ohne Mehrkosten für den Endkunden.
Aber auch für die Direktnutzer hat die App Vorteile. Wenn sie selbst nach Schmuck im Internet gesucht hätten, habe es sie oft gestört, dass die Produktbilder klein und unübersichtlich gewesen seien und dass sie irgendwann 80 und mehr Reiter aufgehabt hätten.
Die Schmucksuche sei unübersichtlich, nervig und ermüdend gewesen. „Und wir haben uns gefragt, ob andere auch das Problem haben“, so die beiden jungen Frauen.
Die Schmuck-App soll erst der Anfang sein. Sie wollen das intelligente Online-Shopping-Swipe-System auf alle möglichen Produktgruppen ausweiten: Möbel, Kleidung, Wein ... Die Idee ist, den Kunden ganzheitlich zu begreifen und zu lernen: Wer dieses Regal gekauft hat und jenen Wein trinkt, der mag dieses Parfüm. Das solle dazu beitragen, treffsicherer einzukaufen - denn online, wo man nicht probieren, probeschnuppern und anfassen kann, fällt es schwerer, genau das Richtige zu bestellen. Der Sajent-App-Ansatz soll Fehlkauf- und Rücksendequoten reduzieren.
Adriana Kauss und Jessica Lochte haben sich vor fünf Jahren während des Bachelorstudiums kennengelernt. Beide wünschen sich berufliche Selbstständigkeit. Sie wollen ihre Kreativität ausleben, denn wenn ihnen etwas Spaß mache, dann arbeiteten sie auch bis zum Umfallen, mit Freude, ohne zu erschöpfen. Dann brennen sie für ihre Sache. Beide entschieden sich deshalb für den neuen Masterstudiengang Unternehmensgründung & Entrepreneurship an der Hochschule Fresenius. Die Unternehmensgründung folgte schon am Ende des ersten Semesters.
Man könnte Jessica Lochte und Adriana Kauss für Schwestern halten. Sie sind Schwestern im Geiste. Sie sprudeln über vor Enthusiasmus, Tatendrang und Ideen. Sie erzählen witzig und geistreich. Man könnte ihnen stundenlang zusehen und zuhören. Man wünschte sich, sie würden von einem Fernsehformat für eine Serie „Das Start-up“ entdeckt. Sie selbst sind ihr größtes Kapital, mit dieser selbstbewussten, mitreißenden Lebensfreude in ihrer eigenen App aber leider nicht sichtbar. Aber wer weiß, was die beiden als Nächstes ausbrüten...? Michelle Spillner