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Beliebtes Frankfurter Modegeschäft schließt: Cousinen machen nach 18 Jahren Schluss

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Von: Judith Dietermann

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Mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Jeanette Elias (l.) und Ulrike Brack schließen das „Charisma“.
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Jeanette Elias (l.) und Ulrike Brack schließen das „Charisma“. © Judith Dietermann

„Es ist schön zu hören, dass man uns mag und vermissen wird“, sagen Jeanette Elias und Ulrike Brack. Bis Mitte Juni läuft bei „Charisma“ in Frankfurt der Räumungsverkauf.

Frankfurt - Die pinkfarbenen Banner auf den Schaufensterscheiben des Modegeschäftes „Charisma“ sind nicht zu übersehen. Großformatig kleben sie auf dem gläsernen Untergrund, „Räumungsverkauf“ und „Wir schließen“ steht darauf in großen Lettern. Sehr schade, sagt eine Anwohnerin, die vorbeikommt. Sehr nett wären die Inhaberinnen immer gewesen. Einmal, als sie kein Portemonnaie dabei hatte, durfte sie den Betrag später überweisen. „Das ist nicht selbstverständlich. Sie werden hier am Dornbusch fehlen“, sagt die Frau und geht weiter.

Sätze, die Jeanette Elias und Ulrike Brack, Inhaberinnen und Cousinen, in den vergangenen Tagen vermehrt gehört haben. Von Stammkunden, aber auch von Menschen, die nur ab und an in ihrem Modeladen auf der Eschersheimer eingekauft haben. „Es ist schön, zu hören, dass man uns mag und vermissen wird“, sagt Elias.

Mehr Zeit für die Familie: Modegeschäft Charisma in Frankfurt schließt

An ihrer Entscheidung ändere dies aber nichts. „Daran ist nichts zu rütteln. Wir schließen, Ende Juni ist Schluss“, fügt sie hinzu. Eine Entscheidung, die gereift ist und bereits vor einem Jahr gefällt wurde. Nachdem die ältere der beiden Cousinen, Ulrike Brack, sich in den Ruhestand verabschiedet hatte. Um sich um ihre mittlerweile 90-Jährige Mutter und mehr um die beiden Enkel zu kümmern. „Mein Mann ist auch in Rente, wir haben jetzt endlich Zeit miteinander. Man weiß nie, wie lange. Es war ein guter Zeitpunkt aufzuhören“, sagt die 65-Jährige.

Seit einem Jahr also kümmerste sich Jeanette Elias alleine um den Laden, lediglich für den Räumungsverkauf kehrte ihre Cousine zurück. „Es war etwas anderes, wir haben den Laden vor 18 Jahren am Dornbusch eröffnet. Es ist unser Baby, unser Herzensprojekt. Alleine wollte ich nicht weitermachen“, sagt sie. Und: Auch sie hatte eine ältere Mutter, 92 Jahre und dement. Der möchte sie künftig mehr Zeit widmen. „Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Wir müssen nicht schließen, wir wollen es.“

Freilich hätten die beiden Frauen sich gefreut, wenn es einen Nachfolger gegeben hätte. „Es wäre unser Herzenswunsch gewesen“, sagen sie. Doch nach einem Jahr intensiver Suche gaben sie auf. Für Elias unverständlich. „Sehr günstig“ sei die Ladenmiete, die Lage ohnehin. Wobei - die zunehmend geforderten Kurzzeitparkplätze vor der Tür würden diese zusätzlich abrunden. So parkten die Kunden auf der zweiten Fahrspur.

Räumungsverkauf bei Charisma in Frankfurt

Es war 2005, als Elias und Brack das „Charisma“ eröffneten. Einige Meter weiter nördlich, in dem Laden, in dem nun ein Handygeschäft ist. Zehn Jahre blieben die Cousinen dort und verkauften hochwertige Mode. Stets hatten sie ein Auge auf das etwas größere Ladenlokal in der Nummer 234 geworfen, immer wieder hatte Elias bei den Eigentümern des dort ansässigen Schuhgeschäfts nachgefragt, wann sie aufhören.

2015, sagt sie, war es endlich so weit. Die beiden Frauen schlugen zu, bauten den Laden komplett um und eröffnet ihr neues „Charisma“. Das stets gut lief, trotz des wohl schwärzesten Tages im Geschäftsleben der Inhaberinnen. Das war der 30. Oktober 2016, als ihr Laden komplett ausgeraubt wurde. Jegliche Kleidung war weg, was blieb, waren nur noch leere Bügel. Sowie ein Sachschaden von mehr als 100 000 Euro. „So etwas habe ich zuvor nicht erlebt“, sagt Elias, die seit ihrem Abitur im Einzelhandel arbeitet. Die Täter, fügt sie hinzu, wurden bis heute nicht geschnappt.

Modegeschäft in Frankfurt: „Wir haben so viele liebe, nette Kunden“

Doch diesen wirtschaftlichen Schicksalsschlag verkraftenen Elias und Brack genauso gut wie die Corona-Pandemie. „Wir haben so viele liebe, nette Kunden, einen großen finanziellen Einbruch hatten wir daher nicht“, sagen sie. Die haben nun in den kommenden Wochen Zeit, Abschied zu nehmen. Von einem Modegeschäft, das mehr war. Manchmal, sagen die Inhaberinnen, kamen die Menschen auch nur auf einen Kaffee vorbei. Ein bisschen seien sie auch so etwas wie ein Treffpunkt im Stadtteil geworden. Der nun fehlen wird.

Für mindestens 50, in vielen Fällen sogar 70 Prozent oder mehr Preisnachlass wird die hochwertige Mode nun verkauft. Bis nichts mehr da ist. Eine traurige Vorstellung? Nein, sagt Elias. Weil sie sich in den vergangenen Monaten mit dem Gedanken anfreunden konnte. Daher sei das lachende Auge auch größer als das weinende. „Wir gehen mit einem guten Gefühl und freuen uns auf die Zeit, die jetzt kommt. Machen Sie es gut“, sagen die Inhaberinnen. (Judith Dietermann)

Ein neues Label bereichert seit kurzem den Mode-Standort Frankfurt: Luise Faust hat in der Schulstraße ihre Maßschneiderei eröffnet.

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