Modernisierung macht Mieter sauer

Bewohner der Weinberg-Siedlung sorgen sich wegen steigender Kosten - Mietervereine wollen genau hinschauen
Die Mieter der Carl-von-Weinberg-Siedlung sind geschockt: Mit der Übernahme der rund 400 Wohnungen der Deutsche Wohnen durch die Vonovia bekamen sie Anfang des Jahres Post. Darin stellt sich die Vonovia als neue Ansprechpartnerin vor und kündigt die bereits geplante Modernisierung der Siedlung in mehreren Bauabschnitten und eine anschließende Mieterhöhung von 3 Euro pro Quadratmeter nochmals an. „Viele von uns haben zuletzt nicht gut geschlafen“, beschreibt eine Seniorin, die seit 1968 hier wohnt, die Stimmung im Viertel.
Moralisch verwerflich
Viele machten sich Sorgen, dass sie die Mehrkosten nicht aufbringen können oder sich angesichts von Inflation noch mehr einschränken müssten. Kein Wunder: Bei 80 Quadratmeter sind monatlich 240 Euro mehr zu bezahlen, macht im Jahr 2880 Euro. Nicht eingerechnet ist die turnusmäßig fällige Mieterhöhung zum November vergangenen Jahres.
Sieghard Pawlik, Vorsitzender des Mieterbundes Hoechster Wohnen, hält die Erhöhung für nicht vertretbar, vor allem nicht in Krisenzeiten. Das sei moralisch verwerflich, die Vonovia habe auch eine Verpflichtung den Menschen gegenüber. Und er sagt: „Das mehr zu bezahlende Geld kann nicht mehr anderweitig ausgegeben werden, das schwächt Geschäfte, Restaurants und damit letztlich die Stadt Frankfurt.“
Rein rechtlich sei die Vonovia auf der sicheren Seite. Das erklärte Pawlik gestern im Gespräch mit Mietern. Kosten für Modernisierungen dürfen auf Mieter umgelegt werden, erlaubt sind Mieterhöhungen maximal 3 Euro pro Quadratmeter. Auch die Maßnahme sei drei Monate vor Beginn angekündigt worden. Trotzdem: „Es ist Zeit der Vonovia in Frankfurt auf die Finger zu klopfen.“
Conny Petzold vom Verein Mieter helfen Mietern plädiert dafür, genauer hinzuschauen. In den Wohnungen gebe es teils enormen Sanierungsstau. Eine Prüfung soll vermeiden helfen, dass Instandhaltungskosten, die für Mieter kostenlos sind, als Modernisierungskosten deklariert werden. Und sie verweist auf eine Vereinbarung der Stadt Frankfurt mit der Vonovia, der zufolge Modernisierungskosten in Wohnungen der Vonovia auf 2 Euro pro Quadratmeter gedeckelt sind. Nach Ansicht von Petzold müsste dies auch für die Weinberg-Siedlung gültig sein.
Projekt war schon lange geplant
Das Projekt sei von der Deutsche Wohnen schon lange geplant gewesen, sagt Irina Hammen, Vonovia-Regionalleiterin Region Frankfurt Mitte. „Die Planung übernehmen wir. Wenn wir auf 2 Euro gehen würden, wäre es nicht umsetzbar“, sagt sie mit Blick auf zuletzt drastisch gestiegene Baukosten. Änderungsbedarf und Gespräche mit der Stadt gibt es dazu laut Olaf Frei, Pressesprecher Unternehmenskommunikation der Vonovia, aktuell nicht. Er betont aber, dass man sich mit der Stabsstelle Mieterschutz austauschen werde. „Die Carl von Weinberg Siedlung wird jetzt auch Teil der regelmäßigen Abstimmungen zwischen Vonovia und Stadt Frankfurt“, sagt Frei.
17 Millionen Euro investiert die Vonovia in der ersten Bauphase in die Modernisierung von 105 Wohnungen. Das Gesamtprojekt wird mit 70 Millionen Euro kalkuliert. Vor allem energetische Maßnahmen- , Dämmung der Dächer, Fassaden und Kellerdecken, neue Fenster und Außentüren - werden umgesetzt. Auch die sanitären Anlagen werden erneuert.
„Das ist eine Luxussanierung“, sagt Christian Zuber. Wie viele andere ärgert er sich, dass der Grundriss angepasst wird, unter anderem Bad und Toilette zusammengelegt werden. Das habe keinen Mehrwert. Gewundert hat er sich über den harschen Ton, seine Gegenrede sei in der kürzlich angesetzten Infoveranstaltung zum Ablauf der Modernisierungsmaßnahme mit den Worten „Das wird so gemacht“ abgebügelt worden.
Der Vonovia sei an einem offenen Dialog mit den Mieter und an Transparenz gelegen, erklärt Frei. Deshalb wurde mit Ahmed Helac auch ein Quartiersmanager installiert. Er bekommt ein Büro in der Siedlung und ist während der anderthalb Jahre dauernden Bauphase jederzeit ansprechbar.
Für Luxussanierungen sei die Vonovia nicht bekannt, sagt Frei. Dazu zählten energetische Maßnahmen, denen sich die Vonovia auch angesichts des Klimawandels nicht verschließen könne, nicht. Der CO-2-Fußabdruck werde, so Frei, um über 75 Prozent verkleinert. Unter dem Strich zahle sich die Maßnahme für die Mieter aber aus, weil der Energiebedarf zum Heizen deutlich sinken wird. Und er erinnert an die weiterhin gültige Härtefallregelung der Deutsche Wohnen: Wenn die neue Warmmiete mehr als 30 Prozent des Haushaltseinkommens betragen würde, werde die Mieterhöhung gekappt. Das bedeutet: Für einkommensschwächere Haushalte ändere sich die Miete nicht. Die Mieten liegt aktuell im Schnitt bei 8 bis 9 Euro pro Quadratmeter.
Erste Gerüchte zur Modernisierung der Siedlung gegenüber der Goethe-Universität an der Miquelallee hatte es Ende 2021 gegeben. Weil es auf Nachfrage nur vage Aussagen gab, schlossen sich die Mieter zusammen und kontaktierten den Ortsbeirat 2 (Bockenheim, Westend, Kuhwald).
Ende 2022 äußerte sich dann Planungsdezernent Mike Josef (SPD). „Ich begrüße zwar, dass die Deutsche Wohnen die überfälligen Instandhaltungsmaßnahmen in Angriff nimmt, wundere mich aber über die Vorgehensweise. Die Deutsche Wohnen hatte zugesagt, aktiv auf die Mieterschaft zugehen zu wollen und die Stabsstelle Mieterschutz zu kontaktieren.“ Matthias Bittner