Modisches aus zweiter Hand

Hindi Kiflai machte es vor und zeigte in ihrem Blog, dass Secondhand-Kleidung modisch und nachhaltig sein kann. Studenten der Goethe-Universität realisieren nun zu dieser Idee ein Ausstellungsprojekt im Museum Angewandte Kunst.
Julia Kockel (27) ist glücklich, hat sie doch bei der Kleidertausch-Party im Foyer des Museums Angewandte Kunst ein tolles Shirt ergattert, das sie gleich einmal anprobiert. „Zur Hose passt es zwar nicht“, lacht sie, „aber es ist ein T-Shirt, das aus fairem Handel stammt, und darauf lege ich großen Wert.“
Studenten des Fortbildungsprogramms „Buch und Medienpraxis“ an der Goethe-Universität haben dort das Ausstellungsprojekt „Daily Rewind. 365 Tage Secondhandmode“ kuratiert und zur Eröffnung die Kleidertausch-Party organisiert. Julia Kockel hat ebenfalls ihren Kleiderschrank durchforstet und zwei Röcke sowie ein T-Shirt mitgebracht und abgegeben.
Im Foyer des Museums sind Kleiderständer aufgebaut. Hierauf hängen weitere Kleidungsstücke, die andere Besucher dazugegeben haben. Jeder darf sich hieraus etwas aussuchen, was ihm gefällt. Der Tausch ist natürlich kostenlos.
Bei der Idee des Kleider-Tausches geht es vor allem um Nachhaltigkeit. Das Konsumverhalten, gerade was Mode und Accessoires betrifft, geht nämlich seit vielen Jahren in eine Richtung, die der Umwelt und den Menschen schadet.
Die Macht ausnutzen
„In vielen Ländern fertigen Menschen unter schlimmsten Arbeitsbedingungen die Kleidung an, die dann von den großen Marken und Ketten bei uns verkauft werden. Das sollte nicht so sein“, sagt Julia Kockel. „An der politischen Situation, die solche Missstände erst ermöglicht, kann ich privat, als Einzelperson, nur wenig ändern. Deswegen halte ich es allem Voran für am wichtigsten, sich politisch zu engagieren und eine Reform globaler ökonomischer Verhältnisse anzustreben. Aber ich finde, dass ich meine Macht als Konsument wahrnehmen kann, nämlich durch die symbolische Wirkung des Boykotts – dadurch kann öffentliches Bewusstsein und politischer Handlungsdruck geschaffen werden“, betont die Philosophie-Studentin. Daher habe sie sich schon vor längerem dafür entschieden, nur noch Secondhand zu kaufen. „Oder, wenn ich tatsächlich etwas neu benötige, zumindest aus fairem Handel.“
Dass Secondhand-Mode stylisch und vor allem nachhaltig ist, hat im vergangenen Jahr Hindi Kiflai in ihrem gleichnamigen Blog „Daily Rewind. 365 Tage Secondhand-Kleidung“ unter Beweis gestellt. Dort stellte sie vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2015 täglich ein Foto von sich mit einem Outfit vor. Die coolen Klamotten suchte sie vor allem in Shops wie Oxfam.
Zur Ausstellungseröffnung trägt Hindi Kiflai ein pinkfarbenes Kleid. „Das war das Outfit von Tag 285“, erzählt sie. Angefangen habe einst alles im Urlaub. „Das Meer rauschte vor der Tür, und was habe ich gemacht? Ich bin online shoppen gegangen“, schildert die Hörfunkjournalistin. „Im Nachhinein habe ich mich total dafür geschämt und gedacht, dass ich das nicht möchte.“ So sei die Idee mit dem Selbstversuch entstanden.
Mit dem Projekt trat sie an Dr. Mahret Kupka, Kuratorin für die Themen Mode, Körper und Performatives im Museum Angewandte Kunst, heran. So entstand die Idee, das Ganze in einer Ausstellung aufzugreifen. „Ich bin Dozentin im Fortbildungsprogramm ,Buch und Medienpraxis‘, leite dort das Modul Ausstellungskonzeption und fand, dass dies ein tolles Thema für die Studenten als Abschluss-Projekt ist“, erzählt Kupka.
Eigenes Konsumverhalten
Leonie Zilch (26), Tim Krause (23) und Sina Brückner (28) gehören zu den 25 Studenten, die das Ausstellungskonzept entwickelt und das Projekt realisiert haben. „Drei Monate hat das Modul gedauert. Wir hatten einen Theorieteil und haben uns verschiedene Ausstellungen in der Stadt angesehen“, sagt Sina Brückner.
Und natürlich haben sich die Studenten auch mit dem Blog von Hindi Kiflai auseinandergesetzt, haben 76 Fotografien ausgewählt, auf denen die Bloggerin in ganz unterschiedlichen Outfits zu sehen ist. Mit zur Ausstellung gehören außerdem eine Auswahl an Kleidungsstücken sowie Schautafeln, an denen Besucher mit farbigen Markierungspunkten beispielsweise anzeigen können, wie lange sie durchschnittlich ein Oberteil anziehen.
Und wie denkt Hindi Kiflai heute über Konsum, insbesondere über ihr eigenes Konsumverhalten? „Ich bin viel kritischer geworden, nicht nur beim Thema Kleidung, sondern ganz allgemein. Ich wollte mit meinem Blog hierzu inspirieren.“
Die Ausstellung im Foyer Angewandte Kunst, Schaumainkai 17, läuft bis Mittwoch, 20. Juli. Sie kann heute und am Wochenende sowie dienstags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs von 10 bis 20 Uhr besichtigt werden. Der Eintritt ist frei.