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Mögen sie die richtige Form finden

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Es geschieht in der konstituierenden Sitzung der Nationalversammlung am 18. Mai 1848 in der Paulskirche. Die Abgeordneten streiten über eine Nebensächlichkeit. Soll sich das erste gesamtdeutsche Parlament für das Glückwunschschreiben der Bundesversammlung bedanken? Und wenn ja: In welcher Form? Es geht es wild zu. Irgendwann mahnt der Abgeordnete Otto Plathner, man solle endlich mal auf den Punkt kommen:

„Es ist in Deutschland schon viel Gutes daran gescheitert, dass man für gute Sachen nicht die richtige Form gefunden hat. Lassen Sie uns nicht in denselben Fehler verfallen.“ Ja, die Deutschen und die Form. Schon in der Geburtsstunde der deutschen Demokratie wird deutlich: Alles ist eine reine Formsache. Und das ist bis heute so.

Denn Frankfurt steht wieder vor einer Formfrage. Wo soll es denn nun gebaut werden - das Haus der Demokratie? Und wie soll es aussehen? Kaum hatte die Expertenkommission ihr Gutachten vorgestellt, ging ein Aufschrei durchs Städtchen. Denn: Direkt neben der Paulskirche soll es errichtet werden, einen gemeinsamen Eingang sollen beide Häuser haben.

Was! Auf dem Paulsplatz? Niemals! Finger weg vom Paulsplatz!

Und fürwahr. Manchmal hat auch der recht, der schreit - vor Schmerzen. Der Paulsplatz ist einer der schönsten Plätze Frankfurts, und er hat, was selten ist, sogar Bäume. Sogar die Grünen, sie sind seit 2006 an der Regierung beteiligt, haben eine Asphaltwüste nach der anderen durchgewinkt. Riedbergplatz. Gravensteiner Platz. Buchrainplatz. Da ist der Paulsplatz geradezu eine grüne Oase.

Gut, dass Oberbürgermeister Mike Josef (SPD), bis vor kurzem noch Planungsdezernent, das Thema zur Chefsache erklärt hat und sich mit seiner ehemaligen Büroleiterin Beate Huf eine Expertin ins OB-Büro geholt hat. Sie soll sich sowohl um die Sanierung der Paulskirche als auch um die Pläne für das Haus der Demokratie kümmern. Aber: Moooment emal: Für Josef ist der Paulsplatz „eine von mehreren Möglichkeiten“ für das Demokratiezentrum. Bitte? Auf dem Paulsplatz? Niemals! Finger weg vom Paulsplatz! Und dann auch noch das: In die Entwicklung des Ortes möchte der frischgebackene OB auch Schüler einbeziehen. So wird doch niemals die richtige Form gefunden. Vor allem, wenn jetzt auch noch Bernd Heidenreich, ehrenamtlicher CDU-Stadtrat, mit einem Bürgerentscheid zum Standort des Hauses der Demokratie ums Eck kommt.

Wer soll denn noch alles mitreden? Demokratie heißt Volksherrschaft. Ja, aber das heißt: Die Frankfurter haben die Stadtverordneten gewählt, damit diese im Sinne der Stadt und ihrer Bürger entscheiden. Verantwortung weitergeben gilt nicht: Hinschauen müssen sie, unsere Stadtverordneten, der OB, der Magistrat. Denn es ist eine Jahrhundertchance, einen - fürwahr - großen Wurf hinzulegen.

Eilig werden Alternativen für den Paulsplatz ins Spiel gebracht. Etwa von Thomas Bäppler-Wolff, Kulturexperte der SPD: Das Haus der Demokratie könnte eine Heimat in der ehemaligen Bethmann-Bank finden. Natürlich nur, wenn die Familie Bethmann mitspiele. Ist ja schließlich ihr Eigentum. Auch Teile der Kämmerei sind im Gespräch. Ist ja schließlich nur ein Katzensprung. Und CDU und der „Bürgerverein Demokratieort Paulskirche“ meinen, dass das Haus der Demokratie auch optisch einen dienenden Charakter haben sollte und deshalb auf dem Parkplatz an der Ecke Berliner Straße/Kornmarkt bestens aufgehoben sei. Und die Linke, nun ja, die will sparen: Das Stadthaus täte es ja auch. Aber mit der Linken und der Demokratie ist es ja auch so eine Sache.

Nun sollen Experten ran. Einen städtebaulichen Wettbewerb soll es geben, einen architektonischen. Volker Kauder, der Vorsitzende der Expertenkommission, hat empfohlen, nichts auszuschließen, auch eine Bebauung des Paulsplatzes nicht. Wir haben einen besseren Vorschlag: Unterkellert den Paulsplatz, baut das Haus der Demokratie im Untergeschoss. Dann gibt’s einen gemeinsamen Eingang. Und der Paulsplatz bleibt so schön, wie er ist. Der Rest ist dann nur noch eine Formsache. An der das Paulskirchenparlament bekanntlich nicht gescheitert ist.

Simone.Wagenhaus@fnp.de

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