Ein Mord wie aus einem Mafia-Film

In Frankfurt wird einem Auftragsmörder nach Schüssen auf einen Wettkönig der Prozess gemacht. Dabei kommen haarsträubende Details ans Licht.
Nachdem die Kammer den 47 Jahre alten Ivan M. wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt hat, lässt der Vorsitzende Richter Volker Kaiser-Klan noch einmal die Bilder vom Tatort Revue passieren. „Das sind Bilder, die man sonst nur aus Mafia-Filmen kennt“, urteilt der Richter. Das gilt für den gesamten Fall.
Am 3. Januar 2014 um kurz nach 10 Uhr erschießt M. den 50 Jahre alten Wettbürobetreiber Oliver F. im Windfang des Eingangs zu seinem Büro in einem Hochhaus in der Walter-Kolb-Straße in Frankfurt-Sachsenhausen. F. treffen drei Kugeln aus einer automatischen Maschinenpistole mit Schalldämpfer. Der Schütze wird noch am selben Abend in Neu-Isenburg verhaftet, wenn auch nicht wegen dieser Tat. Er wurde bereits per Haftbefehl gesucht, weil er 2012 in einer Berliner Shisha-Bar einen Mann niedergeschossen hatte und in Abwesenheit zu viereinhalb Jahren Haft wegen versuchten Mordes verurteilt worden war.
Mit Waffengewalt Schutzgeld eingetrieben
M. ist vom Fach: Schon 2005 war er unangenehm aufgefallen, als er – ebenfalls mit einer schallgedämpften Waffe – Schutzgeld eintrieb. Der Kroate gehört allerdings eher zur Kategorie „billiger Handlanger“, wie Kaiser-Klan das formuliert. Auftraggeber des Mordes war nach Überzeugung der Kammer der 51 Jahre alte Serbe Aleksandar D., ein „Zocker und Lebemann“, der der festen Überzeugung war, Oliver F., ein „alter Rivale aus dem Sportwettengeschäft“, schulde ihm noch einige Millionen Euro.
Bizarre Zeugenvernehmung per Videoschalte
34 Verhandlungstage dauerte der Prozess, und er war reich an bizarren Elementen. So sollte etwa Aleksandar D. als Zeuge gehört werden – allerdings hatte der Berufsverbrecher aus guten Gründen vier Wochen vor der Bluttat seine Zelte in Heusenstamm abgebrochen und war nach Belgrad entfleucht, wo er noch heute herrlich und in Freuden lebt. Das Gericht war gar so weit gegangen, D. sicheres Geleit nach Deutschland und wieder raus zu garantieren.
Aber D., der seine Identitäten mit beeindruckender Taktung wechselt, hat den Überblick verloren, wie viele Haftbefehle mittlerweile gegen ihn vorliegen, und ging auf Nummer sicher: Per Videoschalte beteuerte er dem Landgericht seine Unschuld.
Lediglich "ehrliche Kokain-Geschäfte" abgewickelt
Auch M. selbst, der zumeist im strassbesetzten T-Shirt die Anklagebank drückte, wies jede Schuld an dem Mord von sich. Nachdem er anfangs eisern geschwiegen hatte, änderte er kurz vor Prozessende seine Taktik und präsentierte ein paar wüste Räuberpistolen. Das 3,7 Kilogramm schwere Päckchen, das er unmittelbar nach der Tat bei der Post in Höchst aufgegeben hatte, habe keinesfalls die Tatwaffe enthalten, wie das Landgericht vermutete. Er sei lediglich seinen ehrlichen Kokain-Geschäften nachgegangen.
Auch das durch Telefondaten bewiesene Herumlungern in Sachsenhausen versuchte er logisch zu erklären: Sein Plan sei es gewesen, einen gewissen L. zu entführen, der ihm Geld geschuldet habe. Das ist wenig glaubhaft: L., der mittlerweile nach offiziellen Angaben durch einen bei einem Treppensturz in Marbella erlittenen Genickbruch diese Welt verlassen haben soll, war eine schillernde Größe im Frankfurter Kokain-, Wett- und Immobiliengeschäft und zählte nicht zu der Sorte Mensch, die entführt werden – eher im Gegenteil.
„Welche Tat?“
Auch am Tag der Urteilsverkündung präsentierte sich der Angeklagte wie gewohnt: strassbehangen, ungeduldig und übellaunig. „Welche Tat?“, plärrt er in die Urteilsbegründung, und erst als Kaiser-Klan droht, ihn aus dem Saal zu schmeißen, regt er sich halbwegs ab: Er lege zwar keinen großen Wert darauf, „dieser Show“ beizuwohnen, aber wenn der Kammer seine Anwesenheit so wichtig sei, „dann okay, bitte, machen Sie weiter“. Im Zuschauersaal bricht sein Bruder, ein kahlköpfiger Mann mit bedrohlich aussehenden Tätowierungen am Hals, in hemmungsloses Schluchzen aus.
Kaum zu glauben, dass letztlich seine Geschwätzigkeit M. zum Verhängnis wurde. Er habe etwas Unartiges angestellt, brüstete er sich kurz nach der Tat bei einem Freund, „wirst es ja morgen in der Zeitung lesen“. Und einem anderen Freund, der ihn vor der Tat anrief, erzählte er, „er sei müde wie ein Hund“, er lungere schon seit Tagen in Sachenhausen herum, „aber dieser Abschaum kommt nicht zur Arbeit. Diese Feiertage!“
Geldgier oder auch Imponiergehabe?
Als Mordmerkmal erkannte die Kammer Heimtücke. Bei den niederen Beweggründen hingegen war sie sich nicht so sicher: es sei nicht auszuschließen, dass M. nicht allein des Geldes wegen gehandelt habe. Vielleicht habe er auch dem Gangsterboss D., der ihn immer mal wieder für man-will-nicht-wissen-was engagiert und auch mal zum Mallorcaurlaub eingeladen hatte, imponieren wollen. Oder er hätte seinem halb- und schwerstkriminellen Freundeskreis – einige daraus waren am Mittwoch zur Urteilsverkündung gekommen – imponieren wollen.
An der besonderen Schwere der Schuld, die die Kammer nach eigenem Bekunden lange geprüft hat, ist er jedenfalls mit viel Glück vorbeigeschrammt. Diese hätte eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren deutlich erschwert.
Auch ein anderer Prozess in Frankfurt macht fassungslos. Nach einem Streit um Politik, geht ein Mann aus Frankfurt Bier holen. Zurück kommt er mit einer Waffe. Dann eskaliert die Situation.
Und der Verkauf von Hundewelpen ging sprichwörtlich vor die Hunde und landete vor Gericht.