Musiker haben ein neues Zuhause

Alt-Sachsenhausen bekommt eine neue Einwohnerin: Lotte Lindenberg. Die fiktive Dame ist Namensgeberin für ein neues Plattenlabel und Tonstudio, das derzeit seine Zelte im Keller des neuen Lindenberg an der Ecke von Kleiner und Großer Rittergasse aufschlägt.
Der sanfte Hauch des Glamours vergangener Tage weht durch die Räume der Lotte Lindenberg. Er kündet davon, wie leicht man sich in den ausufernden Partynächten der Altstadt von Sachsenhausen selbst verlieren kann. Vom Scheitern und vom Neuanfang, von rauschenden Partys, einem Leben in Paris und in Los Angeles, vom Existenzialismus, dem Jetset und der Rückkehr nach Sachsenhausen. In die alte Heimat, die zu Neuem inspirieren soll. Dort gründet die gealterte Dame ein Plattenlabel samt Tonstudio.
Die Dame und ihre Geschichte sind fiktiv, das Tonstudio dagegen sehr echt. Auch wenn derzeit noch nicht all zu viel davon zu sehen ist. Momentan besteht es lediglich aus einem 360 Kilogramm schweren, mit zahllosen Lagen Folie umwickelten Mischpult im Keller der Baustelle des neuen Gästegemeinschaftshauses „Lindenberg 2“ an der Ecke von Kleiner und Großer Rittergasse im Herzen von Sachsenhausen. Das hat schon eine lange Reise hinter sich, kam aus München nach Freiburg, ehe es schließlich seinen Weg nach Frankfurt fand. In den Keller kam es per Kran, als die Decke noch nicht fertig war – für einen Transport über das Treppenhaus ist das gute Stück einfach zu wuchtig. Die Folie soll die empfindliche Technik vor dem Staub der Baustelle schützen, denn ein paar Meter weiter wird noch fleißig gebohrt und gesägt. Arbeiter verlegen Meter um Meter Kabel und es braucht noch mehr als nur ein bisschen Fantasie um sich vorzustellen, wie das Tonstudio aussehen soll, wenn es fertig ist.
DDR-Schick
Wolfgang Gottlieb ist fantasiebegabt. „Ein bisschen soll es an die Rundfunkstationen aus den 1960er und 70er Jahren erinnern – mit Anleihen an den DDR-Schick“, erklärt Gottlieb das Gestaltungskonzept für das Studio, das er gemeinsam mit Audio-Ingenieur Christoph Müller und Tontechniker Fakir Ayoub aufbauen will. Gottlieb selbst war einer der Gründer des Frankfurter Plattenlabels „Hazelwood Records“ und ist Dozent an der Deutschen Popakademie.
Ein großer Raum soll als Studio dienen, zwei kleine zusätzliche Technik beherbergen. Dazu kommt noch die Zentrale mit dem großen Mischpult, die durch eine große Glasscheibe den freien Blick zu den Musikern nebenan erlauben wird.
Auch technisch wollen Gottlieb, Schmidt und Ayoub ihr Faible für vergangene Zeiten ausleben. Mikrofone aus den 1920er und 30er Jahren und Tonbandgeräte aus den 70ern sollen zum Fundus gehören, alle mit ihrer eigenen Charakteristik, ihren eigenen Stärken und Schwächen. „Wir werden digital und analog aufnehmen können“, erklären die Techniker. Damit wird das Studio zur echten Rarität. „Und die analogen Aufnahmen haben einfach einen anderen Charakter. Wir wollen mit Herzblut und Leidenschaft hochwertige Musik machen“, sagt Gottlieb.
Ob die dann laut, leise, melancholisch oder lustig ist, sei da eher zweitrangig. Eine Beschränkung auf ein einzelnes Genre oder einen Musikstil erlegen sich die Lotte-Macher nicht auf. „Uns geht es um den Inhalt der Musik. Und wenn der Musiker mir mit seiner Musik etwas zu sagen hat, dann ist der Stil fast egal. Jemanden der einfach nur schön singt, findet man doch fast an jeder Ecke“, sagt Gottlieb.
Und zum „Lindenberg 2“, dem neuen Gästehaus, in dem das Tonstudio entsteht, passe das Konzept auch. Die Musiker, die unten im Keller ihre Kompositionen aufnehmen, könnten ein paar Stockwerke höher gleich Quartier beziehen und sich im Lindenberg während der Aufnahmen heimisch fühlen. Live-Konzerte und Partys sollen dafür sorgen, dass das Studio nicht bloßer Arbeits- sondern auch Lebensraum wird. Über ein Radiosystem können die Bewohner sich den Ton aus dem Studio in ihre Zimmer holen. Und wenn gerade keine Musiker da sind, soll er als Kino genutzt werden können.
Idee zwei Jahre gereift
Gereift ist die Idee zu „Lotte Lindenberg“, ihrer fiktiven Vita und dem Tonstudio bereits seit rund zwei Jahren. Jetzt sind Gottlieb, Schmidt und Ayoub Feuer und Flamme, dass es endlich losgehen kann. In den kommenden Monaten sollen die Bauarbeiten am Haus abgeschlossen werden, dann kann auch das Tonstudio seinen Betrieb aufnehmen. Einen visuellen Vorgeschmack gibt es schon jetzt auf im Internet.