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Deutschland-Ticket ist für Frankfurt „ein Riesensprung nach vorne“

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Von: Dennis Pfeiffer-Goldmann

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Robo-Taxis werden Teile des Busverkehrs ersetzen: So sieht der oberste Nahverkehrsboss von Frankfurt, Tom Reinhold, die Zukunft des Nahverkehrs.
Robo-Taxis werden Teile des Busverkehrs ersetzen: So sieht der oberste Nahverkehrsboss von Frankfurt, Tom Reinhold, die Zukunft des Nahverkehrs. © Enrico Sauda

Der oberste Nahverkehrsboss von Frankfurt freut sich auf das 49-Euro-Ticket. Doch Tom Reinhold geht es bei Bus und Bahn oft zu langsam.

Frankfurt -Tom Reinhold ist seit 2018 Geschäftsführer von Traffiq. Erst kürzlich hat die Stadt seinen Vertrag bis 2028 verlängert. FNP-Redakteur Dennis Pfeiffer-Goldmann hat mit dem 54-Jährigen über den Nahverkehr, Barrierefreiheit und die seit Jahresbeginn auch deutlich teureren Tickets gesprochen.

Sie sind nun für weitere fünf Jahre Geschäftsführer bei Traffiq. Welche Neuerungen werden Sie den Fahrgästen in Frankfurt bis 2028 bieten, Herr Reinhold?

Traffiq hat vier strategische Stoßrichtungen, an denen werden wir gemäß unseres Auftrags durch die Stadtverordneten weiterarbeiten: Die Verbesserung des Angebots, die Steigerung der Effizienz, die weitere Erhöhung der Nachhaltigkeit und das Vorantreiben von Innovationen.

Frankfurt überprüft das gesamte Bus-Netz

Was haben Sie seit 2018 bereits Besonderes erreicht?

Der wichtigste Schritt war die Einführung der Metrobusse mit der Angleichung der Tag- und Nachtnetze. Wir gewinnen mit Buslinien mit einem Bedienungsstandard wie U-Bahnen mehr Fahrgäste, das zeigen die Zahlen. Auf dem Weg möchte ich gerne weitermachen. Perspektivisch finde ich auch den 24-Stunden-Betrieb auf der Schiene an allen Tagen in der Woche sinnvoll. Und das gesamte Busnetz werden wir uns auch noch einmal anschauen.

Wieso das?

Die Stadt wächst und die Verkehrsströme verändern sich, weil sich die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen verändern. Daher muss man ein Netz alle zehn bis 15 Jahre hinterfragen. Wir sind gerade dabei herauszufinden, wo wir durch Angebotsverbesserungen noch mehr Fahrgäste gewinnen können. Die Frage ist immer: Wo gibt es ein wettbewerbsfähiges Angebot gegenüber dem motorisierten Individualverkehr? Da ist für die Nutzerinnen und Nutzer die Reisegeschwindigkeit sehr wichtig.

Die ist aber bei der Straßenbahn in Frankfurt sehr gering und Verbesserungen gibt es nur äußerst langsam.

Die Reisegeschwindigkeit im ÖPNV ist generell noch nicht so hoch, wie wir sie uns wünschen. Der Fahrgast bewertet dafür die Zeit von Tür zu Tür. Da ist wichtig, wie nah die nächste Haltestelle liegt und in welchem Takt dort gefahren wird, wie direkt gefahren wird und wie oft umgestiegen werden muss. Das alles beeinflusst die Reisedauer. Die Geschwindigkeit des Verkehrsmittels ist gar nicht so entscheidend. Viel wichtiger ist ein dichter Takt und eine geringe Wartezeit.

Eine langsame Straßenbahnfahrt nervt aber schon.

Frankfurt könnte noch ein bisschen besser werden beim Thema ÖPNV-Bevorrechtigung und -Beschleunigung. Teilweise hängt es an der Technik, und es kostet seine Zeit, die ganzen Signalanlagen zu erneuern.

Sie wollen den ÖPNV nachhaltiger machen. Ist er per se nicht schon nachhaltig?

Nachhaltigkeit ist eine grundsätzliche Anforderung an den ÖPNV. Da sollten wir Vorreiter sein, alleine schon, weil wir von öffentlichem Geld finanziert sind. Besonders wichtig ist mir, dass wir den Einsatz alternativer Antriebe vorantreiben. Wir sind dabei, die gesamte Busflotte in den nächsten zehn Jahren zu dekarbonisieren durch den Einsatz von batterieelektrischen und Wasserstoffbussen. Das kostet viel Geld. Aber Nachhaltigkeit hat auch eine soziale Komponente.

Was meinen Sie?

Die Barrierefreiheit. Dafür ist viel öffentliches Geld nötig, ohne dass das mehr Kunden bringt. Da passiert einiges, da wünschen sich manche auch ein höheres Tempo, aber der Umbau ist oft sehr komplex.

Bis wann soll Frankfurts Nahverkehr barrierefrei sein?

Das wird noch ein paar Jahre dauern, weil wir das nur nach und nach umsetzen können. Die Kapazitäten bei Bau und Planung sind nicht da, um es schneller zu machen, und die Zielkonflikte sind groß. Bei einer Station wie am Südbahnhof ist Barrierefreiheit für die Straßenbahn nur erreichbar, indem man Bahnsteige baut, die aber auf dem Diesterwegplatz als Barrieren wirken. Ein wichtiger sozialer Aspekt sind auch die sehr günstigen Fahrpreise.

Einzelfahrkarten viel teurer geworden in Frankfurt: Spar-Tipp vom Nahverkehrsboss

Wo sind die denn günstig?

Zum 1. Januar haben wir eine strukturelle Verschiebung, indem wir die sozial schwachen Personen, die Frankfurt-Pass-Inhaber, den ÖPNV deutlich günstiger nutzen lassen mit einem Zuschuss von 70 Prozent auf die Monatskarte. Wir haben auch schon viel getan, um die Stammkundschaft nicht noch weiter zu belasten. Da wird mit dem Deutschlandticket aber noch mehr geschehen.

Für andere Fahrgäste ist es aber zum Jahreswechsel wieder teurer geworden.

Ja - für alle, die den Nahverkehr seltener nutzen und mit Einzelfahrschein oder Tageskarte fahren. Sie können aber den neuen RMV-Sparpass für zehn Euro im Monat erwerben und dann Einzel- und Tageskarte mit 25 Prozent Rabatt kaufen. Das funktioniert wie bei der Bahncard.

Wird das 49-Euro-Ticket die alles umfassende Lösung?

Das Deutschlandticket ist ein ganz großer Schritt in die Zukunft für den ÖPNV. Für Leute, die bisher abgeschreckt waren, weil ihnen die Tarife zu kompliziert waren, wird es leichter. Es kann auch helfen, dass mehr Menschen nachhaltig vom Auto umsteigen, weil es das Angebot dauerhaft gibt - anders als das 9-Euro-Ticket im Sommer.

Mit wie viel mehr Fahrgästen in Frankfurt rechnen Sie durch das Deutschlandticket?

Das 9-Euro-Ticket hat gezeigt, dass der Zuwachs insgesamt bewältigt werden konnte. Wir hatten fast doppelt so viel Fahrgäste wie im Vorjahr, aber wir hatten auch im Mai schon deutlich mehr Fahrgäste und sind jetzt bei 90 Prozent des Fahrgastaufkommens wie vor der Corona-Pandemie. Um die verloren gegangenen Fahrgäste zurückzugewinnen, dienen genau solche Angebote. Ich denke, dass wir das Vor-Corona-Niveau bald erreichen und dann weiter wachsen.

Deutschland-Ticket: Nahverkehr muss ausgebaut werden, wenn mehr Fahrgäste kommen

Wo sollen die Fahrgäste denn unterkommen, wenn es noch mehr werden?

In Frankfurt werden wir mit den Verkehrsmitteln kein großes Problem bekommen, weil wir das Angebot systematisch ausweiten. Wir wollen Takte verdichten und längere Fahrzeuge einsetzen, wo es möglich ist, zum Beispiel mit längeren Zügen bei der U-Bahn und den Straßenbahnen.

Sind dafür dann nicht auch bald neue Wagen nötig?

Unsererseits gibt es klare Aussagen über die Entwicklung des Bedarfs. Die VGF ist dabei, ihre Flotte zu erweitern. Das ist ja auch logisch, wenn das Netz größer wird und zum Beispiel die U5 bald ins Europaviertel oder später auch zum Frankfurter Berg fährt.

Laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) ist viel mehr Geld für den Nahverkehr nötig, um die Klimaziele zu erreichen. Auf welche Mehrkosten muss sich die Stadt einstellen?

Wir brauchen in Summe für das System Nahverkehr mehr Geld, allein um den Status quo zu erhalten, da die Energiekosten massiv steigen, die Personalkosten steigen und die Fahrzeuge teurer werden. Wenn wir das Angebot verbessern wollen, was unsere von der Politik vorgegebene Strategie ist, brauchen wir zusätzliches weiteres Geld. Wenn wir die Tarife noch weiter absenken wollen, brauchen wir noch mehr zusätzliches Geld. Das muss irgendwo herkommen.

Finanzierung von Bahn und Bus: Immobilienbesitzer und Geschäftsleute sollen mitzahlen

Woher denn?

Bisher wird der ÖPNV über die Fahrgeldeinnahmen von den Fahrgästen und über die öffentliche Hand, sprich: die Steuerzahler, finanziert. Möglich ist auch, die Nutznießer zu beteiligen, also andere Gruppen, die etwas von einem guten ÖPNV-Angebot haben. Das sind zum Beispiel Immobilienbesitzer oder Geschäftsinhaber, die davon profitieren, dass sie für ihre Büromieter oder Kunden gut erreichbar sind. Es geht nun darum, diesen Finanzierungsmix neu auszurichten. In Hessen und im RMV hat man bisher ein hohes Gewicht auf die Nutzerfinanzierung gelegt. In den letzten Jahren hat sich das hin zu einer stärkeren Steuerzahlerfinanzierung geändert. Dieser Trend setzt sich mit dem Deutschlandticket fort.

Nun fordern einige Stadtpolitiker noch billigere Tickets. Wer soll das bezahlen?

Allein die Stadt Frankfurt gibt 200 Millionen Euro für den ÖPNV aus, zusätzlich zu den Geldern, die von Bund und Land fließen. Das ist schon richtig viel in Relation zur Einwohnerzahl. Wenn von den Nutzerinnen und Nutzern durch billigere Tickets weniger Geld ins System fließt, müssen das die Steuerzahler auffangen. Gerecht wäre es, noch mehr über Nutznießerfinanzierung nachzudenken. Ein Beispiel dafür wäre eine Citymaut, wie es sie in Stockholm schon gibt. Oder eine Arbeitgeberabgabe, wie von der Stadt Wien eingeführt, um den Ausbau ihres Nahverkehrs zu finanzieren. Wenn wir in Frankfurt jedem Arbeitgeber für jeden Arbeitsplatz zwei Euro pro Woche abverlangen, dann wären damit die Finanzprobleme des Frankfurter ÖPNV weitgehend gelöst. Das ergäbe nämlich Einnahmen von jährlich rund 40 Millionen Euro.

Rechtlich ist eine solche Abgabe aber nicht möglich.

Das stimmt, das muss die Landesgesetzgebung erst noch ermöglichen. Wir hoffen, dass sich die nächste Landesregierung in diese Richtung bewegt.

Noch einmal zurück zum 9-Euro-Ticket: Wie hat das geholfen, Menschen dauerhaft in Bahn und Bus zu locken?

Das war vor allem eine sozialpolitische Maßnahme, es ging um eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger. Sehr hilfreich war die Diskussion über ein Nachfolgeangebot, das es nun mit dem Deutschlandticket gibt. Es hätte vor zwei Jahren niemand vorhergesagt, dass Bund und Länder drei Milliarden Euro mehr im Jahr für den ÖPNV ausgeben. Das ist ein Riesensprung nach vorne.

Tom Reinhold: Erst Nahverkehr attraktiver machen, dann Autoverkehr verschlechtern

Was haben die Steuer-Milliarden fürs 9-Euro-Ticket dem Nahverkehr gebracht?

Hohe Aufmerksamkeit in allen Medien und einen Ausgleich der finanziellen Verluste. Um aber eine Verkehrslenkung zu haben, muss erst der Nahverkehr ausgebaut und damit eine Alternative geschaffen und anschließend das Autofahren unattraktiver gemacht werden, zum Beispiel über die Parkraumbewirtschaftung.

Wie wichtig ist die Reihenfolge, also zunächst die Alternativen zu schaffen?

Ich bin ein großer Freund davon, dass man eine gute Erreichbarkeit durch den ÖPNV sicherstellt, wenn man irgendwo für den Autofahrer die Erreichbarkeit verschlechtert. Dafür ist auch zum Beispiel der Ausbau von Park+Ride notwendig für die Menschen aus dem Umland, die nicht schon von zu Hause aus ein gutes ÖPNV-Angebot nutzen können. In dieser Kombination kriegt man eine weitgehende Akzeptanz solcher Veränderungen hin.

Wohin sollen sich die On-Demand-Projekte in Frankfurt entwickeln, nämlich Knut im Norden der Stadt?

Es ist wichtig, dass wir uns weltweite technologische Entwicklungen und Mobilitätstrends anschauen und sie auch mitgestalten können. Dafür haben wir einen Innovationsbereich bei Traffiq gegründet. Bei On Demand müssen wir nicht mehr bei geringer Nachfrage mit einem starren Fahrplan mit einem großen Gefäß durch die Gegend fahren und heiße Luft transportieren. Gezielt und mit einem kleinen Fahrzeug zu fahren ist dann wirtschaftlicher. Das betrifft vor allem etwas dünner besiedelte Räume am Stadtrand. Dort fährt Knut.

Zukunft des Nahverkehrs: Viele Buslinien vor dem Aus

Im Riederwald fährt nun auch ein Mikrobus autonom. Wozu ist das nötig?

Das ist sehr wichtig als Vorstufe zum vollständig autonomen Fahren. Der RMV treibt das stark voran und in diesem Jahr sollen die ersten größeren On-Demand-Fahrzeuge in Darmstadt ohne Fahrer unterwegs sein.

Welche Chancen kann das für Frankfurt bieten?

Das bietet riesige Chancen für den ganzen ÖPNV. Der ist immer dann sinnvoll und ökologisch super, wenn viele Leute zusammen fahren können. Wenn Busse aber leer fahren, wird es teuer. Nimmt man kleine Fahrzeuge wie Knut, ist der Kostenfaktor Fahrer prozentual sehr hoch. Kann dieser On-Demand-Verkehr mit Robotaxis autonom abgewickelt werden, wird der ÖPNV sehr wirtschaftlich und das Angebot kann stark erweitert werden.

Bis zum Rund-um-die-Uhr-Angebot überall im Land?

In der Innenstadt ist das Nahverkehrsangebot in Frankfurt so gut, dass niemand mehr ein eigenes Auto besitzen muss. Das sollten wir auch in den Außenbereichen erreichen. Natürlich gibt es Verkehre, da ist ein Auto sinnvoll oder die einzig mögliche Option. Aber für solche Fahrten kann man ein Auto leihen, es gibt ja Carsharingsysteme. Die gehören zur Mobilitätskette dazu.

Werden Robotaxis bald auch im Nordend fahren, statt nur in Nieder-Eschbach?

Wenn es autonome Fahrzeuge gibt, werden sie an sehr vielen Stellen fahren. Was es weiter geben wird, sind die Massenverkehrsmittel auf der Schiene und die stark ausgelasteten Busse. Alles Weitere wird sich ändern. (Interview: Dennis Pfeiffer-Goldmann)

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