Noch zwölf Wochen für die Schelmenspieler

Mitte Juli wird das traditionelle Stück wieder auf dem Frankfurter Schelmenplatz aufgeführt. Die Proben laufen, nun ja, holprig. Und das Ensemble sucht noch Mitspieler.
Frankfurt -Oliver Anders ist vorgewarnt worden, bevor er zur erste Probe der Schelmenspieler kam. Es gehe da komisch zu, wurde ihm gesagt. Aber so komisch? Aus der Box kommt Popmusik und Anders läuft in blauem Hemd und Jeans mit steifen Schritten durch den freigeräumten Klassenraum der Schule am Ried. Mal vorwärts, mal rückwärts. So wie die anderen 16 Schelmenspieler. „Warm-up“, heißt das bei der Regisseurin Andrea Zanaboni, Aufwärmphase. Dann: tanzen. Alle schwenken Hüfte und Oberkörper hin und her, finden sich in Paaren zusammen, drücken Rücken an Rücken und schwenken weiter. Anders muss lachen, wohl ein wenig aus Scham. Eine Stunde später wird er sich aber richtig wohlfühlen. Man hört es ihm an, wenn er laut ruft: „Richtig so, der Drecksack!“
Die Zuschauer sehen den Hübner noch nicht
Es ist die Szene mit dem Kniefall der armen Frau, in die Anders an diesem Montagabend geworfen wird. Er gehört zum einfachen Volk, das auf dem Marktplatz wartet. Es kommt die Stadtwache. Mit Holzstab, wilden Rufen und bösen Blicken drängt sie die Menge zurück, macht Platz für Kaiser und Kaiserin. Das Herrscherpaar schreitet heran, da schiebt sich die arme Frau an den Wachen vorbei, wirft sich zu Füßen des Kaisers und fleht um die Freilassung ihres Ehemanns. Der Scharführer der Wache packt sie an den Schultern, zieht ihr an den Haaren. „Schon seit fünf Monden“ sei der Mann im Kerker, ruft sie, unschuldig sei er, der Hübner habe ihn schwer zusammengeschlagen und... Zanaboni unterbricht. „Du siehst den Hübner nicht“, sagt sie zu Nicole Schmidt-Isermann, die die arme Frau verkörpert. „Und wenn du ihn nicht siehst, sehen wir ihn auch nicht.“
Zanaboni sagt bei der Probe oft solche Sätze. Die Laienspieler sollen nicht nur den Text ihrer Rollen aufsagen, sie sollen denken, was ihre Rollen in der Situation denken würden. Nur so könne das Schauspiel die Zuschauer berühren, wenn das Schelmenspiel von Donnerstag, 13. Juli, bis Sonntag, 16. Juli, auf dem Schelmenburgplatz aufgeführt wird. „Gedanken machen Gefühle. Gefühle machen den Atem und der Atem macht die Stimme“, sagt die Regisseurin. Zwölf Wochen bleiben dem Ensemble aus rund 50 Schelmenspielern noch für die Proben. Und die Bedingungen sind nicht ganz einfach.
Aula für Proben gesperrt
Da ist der Probenraum. Normalerweise wird in der Aula der Schule am Ried geprobt. Die ist aber derzeit wegen Mängeln bei der Brandschutzanlage gesperrt. Wann sie wieder genutzt werden kann, kann die Stadt noch nicht sagen. Außerdem hat die Pandemie für viele neue Gesichter im Ensemble gesorgt. Normalerweise wird das Schelmenspiel aller vier Jahre aufgeführt. 2021 hätte es wieder so weit sein sollen. Wegen Corona fiel es 2021 und 2022 aus. In der sechsjährigen Pause haben einige erfahrene Schauspieler aufgehört oder sind leider verstorben.
Oliver Eibl, Vorsitzender der Schelmenspieler, trommelte daher in seinem Bekanntenkreis neue Mitspieler zusammen. Beim Karnevalsverein Enkheim hat er etwa Neuling Oliver Anders überredet. Und Michele Planz, die beim Karnevalsverein die Minigarde und das Männerballett trainiert, hat er überzeugt, drei Tanz-Choreographien mit den Schelmenspielern zu entwerfen und einzuüben. Dass die vergangenen Monate über immer wieder unklar war, ob und wann der Schelmenburgplatz saniert wird, hat seine Organisationsarbeit auch nicht leichter gemacht.
Julian Bucher, der Scharführer der Stadtwache, reißt der armen Frau wieder an den Haaren. Zanaboni und Schmidt-Isermann haben ihn ermutigt, seine Skrupel zu überwinden. Während die arme Frau zu Füßen des Kaisers sackt und um die Freiheit ihres Ehemannes bettelt, gröhlt die Menge. Manche habe Mitleid mit der Frau und ihrem Mann, andere halten die Strafe für gerecht. „Jede Rolle hat ihre Gedanken zum Fall“, hatte Zanaboni gemahnt. Die Stimme der armen Frau stockt als sie von den Schlägen des Hübners erzählt, und dass ihrem Mann die Füße verbrannt werden sollen. Da ruft Anders in der Menge: „Richtig so, der Drecksack.“
Schelmenspieler gesucht
Zehn Erwachsene sucht das Ensemble noch. Auch wird Hilfe bei der Requisite gesucht. Wer nähen kann oder mitspielen will, meldet sich unter schelmenspieler@gmx.de.