Oberrad: Ein Mann und seine 60 000 Angestellten

Bei Claus Mensinger brummt und summt es. Mit Maschinen in seinem Renovierungs- und Baubetrieb, auf dem Hof mit dem Traktor, auf der Straße mit Motorrädern und im Garten voller Bienen. 60 Jahre alt ist der Oberräder unlängst geworden. Jetzt will er sich ein bisschen vom Beruf zurückziehen und hat sich als Hobby 60 000 Honigbienen ausgesucht.
Oberrad -Braun gebrannt in kurzer Lederhose und den Kinnbart mit einem kleinen Gummiband zum kurzen Zopf gebunden, geht Claus Mensinger (60) schnurstracks in seinen Garten. Ein kleines Gewächshaus voller Tomaten, Kohl, Auberginen, Kürbissen, Zucchini, Paprika, Petersilie und Peperoni lässt er links liegen und geht zügig an Apfelbäumchen, Heidel-, Stachel- und Himbeeren, Erdbeerpflanzen und blauen Weintrauben vorbei. "Da hinten sind die drei Beuten" sagt er strahlend lächelnd und zeigt auf drei Türme aus Styropor.
Friedliche Völker
Zwei bestehen aus drei übereinander gestapelten Kästen, eine aus zwei. Ganz unten liegen an den Seiten braune flauschige Stücke, die wie braunes Fell aussehen. Mensinger kichert. "Das sind Jungbienen, die gerade ein bisschen chillen", sagt er und bewegt sich näher. Die braunen Fellstücke lösen sich auf und summen und brummen hinein in ihren Bienenstock.
Ganz vorsichtig hebt er einen Deckel hoch und guckt rein. "Das mögen die nicht", meint er. Als er sicher ist, dass die durchsichtige Kunststoffscheibe fest von den Bienen mit Propolis an den Rändern verklebt ist, hebt er den Deckel hoch. Die Arbeiterinnen wuseln, krabbeln und füllen Waben auf. "Es sind relativ friedliche Völker", sagt Mensinger sanft. "Auch, wenn ich schon oft gestochen worden bin."
Mehr als 100 Kilo Honig geerntet
Während einer Reha in Bad Orb ist der Inhaber einer Renovierungs- und Baufirma vor drei Jahren auf Bienen gekommen. Der Chef-Imker aus Niederzell hat Mensinger vieles gezeigt. Die Imkerprüfung hat er noch nicht gemacht, aber das, was er für Freunde allein in diesem Jahr an Honig von seinen Bienen bekommen hat, zeigt, dass er es richtig macht. "Im April hatte ich 42 Kilo Honig, jetzt noch einmal 65 Kilo", sagt er stolz. "Die Bienen mögen es gar nicht, wenn man ihnen ihr eigenes Futter wegnimmt", erklärt er. Dann muss mit Zuckerwasser gefüttert werden. "Das geht bald los, weil es kaum noch Blüten für sie gibt".
Bis September/Oktober müssen die summenden Honigmacher zweimal geimpft werden und Vorbereitung getroffen werden, dass sie sich nicht die tödliche Varroamilbe einfangen. Eine Beute hat er im ersten Jahr an die Milbe verloren. Jetzt sei alles gut. Mit Ameisen- und Oxalsäure sei er die Schädlinge losgeworden. Vor ein paar Tagen hat er die Waben aus den Styroporkästen geholt und in einer speziellen Maschine geschleudert. Durch zwei Filter lief die dunkelgoldene Flüssigkeit in große Eimer, aus denen er den fertigen Honig in 500-Gramm-Gläser füllt. "Ich will damit anderen Gutes tun", erzählt er euphorisch über sein zähflüssiges Gold. Dass er keine Bienenstöcke aus Holz, sondern aus Styropor benutzt, ist eher selten. "Mein Lehrmeister hat es mir so gezeigt", sagt der Mann voller Energie. "Ich komme selbst vom Bau und finde das Material gut. Es dämmt, wärmt im Winter und kühlt im Sommer. Mit Schimmel gibt es keinerlei Probleme." Seit er Bienen hat, findet er auch Wespen und Hornissen nicht mehr schlimm. "Unterm Dach ist ein Wespennest bei mir und sie sind aggressiv. Ich lasse sie da. Die Hornissen fangen Bienen und Wespen im Flug. Da geht es manchmal ganz schön ab", erzählt der Hobby-Imker.
Dass es mit seinen Völkern so gut läuft, erklärt Mensinger damit, dass alle drei aus einer Linie kommen. Die Königinnen kommen von einem Imker aus Steinau an der Straße. Sie und ihre Brut leben in den unteren Teilen der Kästen, oben wird gearbeitet. Im Winter ist Ruhe. Für den Mann, der "nur" ein Hobby braucht, ist Ruhe schwer. Er war Fußballspieler, Coach und Trainer. Er hat seine Firma. Er liebt es, Harley oder Traktor zu fahren. Er macht Apfelwein und baut Obst und Gemüse an. "Wenn ich weniger arbeite, lege ich mir vielleicht noch ein oder zwei Völker zu. Die Imkerprüfung mache ich auf jeden Fall auch noch." Ob er sich noch ein paar Hobbys sucht, wenn er weniger baut und renoviert, lässt er offen. Seine Frau Anja, die ebenfalls Harley fährt und bei der einzigen Frauen-Motorrad-Gruppe im Rhein-Main-Gebiet, den Biker Ladies Mainhatten, dabei ist, lacht. "Da wird schon noch was dazukommen. Er ist ein Macher, da ist Ruhe kaum vorstellbar." Sabine Schramek