Ohne die Freiwilligen geht es an der Steiff-Schule nicht

Kritik an geplanten Streichungen des Bundes - Seminare müssten gestrichen werden
Es ist ruhig im Raum der Klasse 2a im ersten Stock der Margarete-Steiff-Schule. Jedes der Kinder hat Aufgabenblätter vor sich liegen oder liest in einem Buch - ganz konzentriert. Gearbeitet wird in kleinen Gruppen. Neben Klassenlehrerin Melanie Oswald und Referendarin Laura Untsch gehört zum Klassenteam auch Sarina Ortwein, die seit diesem Schuljahr an der privaten und inklusiven Grund- und Förderschule ihren Bundesfreiwilligendienst (BFD) macht.
Fachpersonal wird entlastet
Sie ist damit eine von elf jungen Erwachsenen an der Schule, die sich nach ihrem Schulabschluss und vor ihrem weiteren Berufs- und Ausbildungsweg dazu entschieden haben, sich als BFDler oder in Form eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) für die Kinder zu engagieren und damit auch das pädagogische Fachpersonal zu entlasten.
Acht Klassen gibt es an der Schule, die überwiegend vom Evangelischen Regionalverband Frankfurt und Offenbach sowie in kleinen Teilen auch von der französisch-reformierten Gemeinde getragen wird. Jede Klasse wird maximal von 22 Mädchen und Jungen besucht, jeweils fünf davon werden inklusiv beschult und haben einen erhöhten Unterstützungsbedarf.
Für Sarina Ortwein ist dieses Engagement eine gute Möglichkeit, erste Erfahrungen im Umgang mit Kindern zu sammeln. „Ich möchte später einmal Lehrerin werden“, erzählt sie während sie mit einer Schülerin an einem Tisch sitzt und mit ihr zusammen Buchstaben aus Knetmasse formt. Damit soll der Vorname des Kindes gebildet werden, so dass er für das Mädchen gleichzeitig auch haptisch erfahrbar wird.
Ob das Angebot des Freiwilligendienstes auch in Zukunft in gleicher Form an der Margarete-Steiff-Schule sowie anderen Einrichtungen fortgeführt werden kann, ist derzeit ungewiss. Ein von der Bundesregierung im Sommer vorgelegter Haushaltsentwurf für 2024 sieht bei den Freiwilligendiensten Einsparungen im Umfang von 78 Millionen Euro vor. Außerdem wurde eine weitere Kürzung von 35 Millionen Euro für 2025 in Aussicht gestellt. Was das ganz konkret für die Arbeit der Freiwilligendienste bedeutet, das sagt Ingrid Pontzen, pädagogische Leiterin der evangelischen Freiwilligendienste der Diakonie Hessen: „Die Schule zahlt pro Person, die einen Freiwilligendienst macht, derzeit mehr als 800 Euro.“ Dies teile sich auf in das monatliche Taschengeld, das bei der Diakonie Hessen aktuell bei 421 Euro liege, Sozialversicherung und einen Beitrag für die pädagogische Begleitung. Die geplanten Einsparungsmaßnahmen würde diese Begleitung betreffen. Konkret bedeutet dies derzeit, dass es für die Teilnehmer an mindestens 25 Tagen im Jahr des Freiwilligendienstes Seminarangebote gibt.
„Die Diakonie Hessen hat derzeit 650 Plätze im Freiwilligendienst“, sagt Pontzen. Durch die geplanten Einsparungen würden sich die Kosten erhöhen. Dadurch bestehe die Gefahr, dass nicht mehr jede Einrichtung Freiwilligendienste im selben Maß oder überhaupt nutzen könne. „Das ist der Fall, wenn die Anzahl der Plätze trotz Einsparungsmaßnehmen weiterhin so bestehen bleiben würde“, erklärt Pontzen. Viel wahrscheinlicher sei aber, dass Plätze reduziert werden müssten. Dies bedeute, dass bereits im kommenden Jahr jeder vierte Platz und 2025 jeder dritte Platz im Freiwilligendienst wegfallen würde. Die derzeit elf jungen Erwachsenen im Freiwilligendienst an der Steiff-Schule sind fest in den Klassenteams integriert. „Sie übernehmen viele Tätigkeiten, die sonst die pädagogischen Fachkräfte machen müssten“, sagt Schulleiterin Ilka Sehnert. „In unserer Arbeit sind sie ein fester Bestandteil, ich weiß aber nicht, welche Kosten künftig auf uns zukommen werden.“ Die Alternative, der Einsatz von Teilhabeassistenten, die vom Bund finanziert werden, sei zwar eine Alternative, aber keine, auf die sie gerne zurückgreifen würden. Weil sich ein Teilhabeassistent immer nur um ein Kind kümmere, was bedeute, dass es in jeder Klasse zusätzlich fünf weitere Erwachsene geben müsste. Zu viele glaubt Pontzen.
Alexandra Flieth