Schwere Hirnblutung: Komplizierte OP rettet Mann das Leben – jetzt trifft er seinen Operateur an der Uniklinik

Marcus J. hatte Glück: Ein dreiviertel Jahr nach einer Hirnoperation hat er kaum Einschränkungen. Nun traf er in Frankfurt seinen Operateur.
Frankfurt – Diese Bilder sind nichts für schwache Nerven, eine rötlich glänzende Masse ist darauf zu sehen, dazu feine chirurgische Instrumente, die behutsam darin herumhantieren. Marcus J. beugt sich interessiert nach vorne und staunt: „Das ist der Hammer.“ Die Aufnahmen stammen von der Gehirnoperation, der sich der 53-Jährige, der in einem kleinen Ort im bayerischen Landkreis Aschaffenburg lebt, vor zehn Monaten im Universitätsklinikum in Frankfurt unterziehen musste.
Wegen eines Aneurysmas - dabei gibt die Wand einer Arterie an einer Stelle nach und wölbt sich nach außen - hatte Marcus J. eine lebensgefährliche Hirnblutung erlitten. Gerettet wurde er dank einer besonderen Therapiekombination, auf die die Frankfurter Spezialisten in der Neurochirurgie und Neuroradiologie bauten. Dabei wurde in seinem Gehirn ein Bypass gesetzt. Zudem wurde das beschädigte Gefäß mithilfe eines Mikrokatheters und einer Platinspirale von innen verschlossen und damit ausgeschaltet.
„Grandiose Leistung“: Gehirn-Operation nur in wenigen Krankenhäusern in Europa möglich
Eine hoch komplizierte Operation, die so europaweit nur in den wenigsten Krankenhäusern möglich sei, sagt Marcus Czabanka (45), Direktor der Frankfurter Klinik für Neurochirurgie. Und mit der es letztlich gelang, dass sich Marcus J. von der schweren Hirnblutung fast vollständig erholen konnte. Entsprechend dankbar zeigt er sich an diesem Nachmittag, als er seinem Lebensretter in der Universitätsklinik gegenübersitzt: „Das ist unfassbar, ein Wunder, eine grandiose Leistung.“
Welches Drama ihm bevorsteht, ahnt der IT-Spezialist nicht, als er an einem Montagabend Ende November 2022 zu Bett geht - erleichtert darüber, dass er nicht nur den Monatsabschluss in seinem Job erledigt, sondern auch schon sämtliche Weihnachtsgeschenke besorgt hat. Doch als er am nächsten Morgen aufwacht, plagen ihn rasende Kopfschmerzen und Sehstörungen. „Wird schon wieder werden“, denkt er anfangs.
Mann erleidet plötzlich Hirnblutung – Gehirn-Operation mit haarfeinen Fäden
Doch seine langjährige Lebensgefährtin Ulrike M., die damals noch mit ihm zusammenlebt - beide haben sich kürzlich im Guten getrennt - merkt schnell, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Als Marcus J. seinen Laptop hochfährt und das Passwort eingeben will, kann er kaum die Buchstaben erkennen - „er hing mit der Nase direkt über der Tastatur“. Sie besteht darauf, ihn nach Alzenau ins Krankenhaus zu bringen. Ihre Hartnäckigkeit und ihre Fürsorge in den darauffolgenden Monaten erfülle ihn heute mit tiefster Dankbarkeit, sagt der 53-Jährige.
Bei der Autofahrt zur Klinik muss er sich fünfmal übergeben. Von den weiteren Stunden und Tagen weiß er nur noch Bruchstücke. Etliche Tests, deren Ergebnisse immer schlechter werden, die Müdigkeit, die ihn immer wieder wegdämmern lässt, der Transport ins Krankenhaus Aschaffenburg und schließlich in die Frankfurter Uniklinik. Dort weiß man schon über seinen Fall Bescheid. „Wir hatten Bilder aus Aschaffenburg, die zeigten, dass sich die Hirnblutung innerhalb kurzer Zeit extrem vergrößert hat“, erinnert sich Czabanka. Ein Indiz dafür, dass die Ursache dafür ein mykotisches Aneurysma ist - eine seltene Form dieser Gefäßerweiterung, die durch eine bakterielle Infektion ausgelöst wird.
Aneurysma-OP an Uniklinik in Frankfurt erfolgreich – Bei Mann aus Bayern muss schnell gehandelt werden
In Frankfurt wird Marcus J. eiligst in den Operationssaal geschoben. Schnell stellen die Spezialisten fest, dass das kranke Blutgefäß in seinem Gehirn an mehreren Stellen schwer geschädigt ist. J.s Glück: Marcus Czabanka, der seit April 2021 die Klinik für Neurochirurgie leitet, kennt nicht nur die üblichen Therapieverfahren bei Gehirn-Aneurysmen wie das Abklemmen des betroffenen Blutgefäßes mit einem Clip oder der Verschluss per Platinspirale. Er ist auch vertraut mit Gehirn-Bypässen. Mit haarfeinen Fäden wird dabei eine Schlagader in der Kopfhaut über eine kleine Öffnung an der Schläfe mit einem Blutgefäß im Schädelinneren verbunden, um die Durchblutung des Gehirns wiederherzustellen.
Eine Technik, die vor Jahren häufiger bei Schlaganfallpatienten zum Einsatz kam, um erneute Hirninfarkte zu verhindern. Bis sich herausstellte, dass Medikamente genauso gut schützen. Seitdem lassen viele Neurochirurgen das Thema Gehirn-Bypass links liegen. Nicht so Marcus Czabanka: „Mein erster Chef hielt das für eine sinnvolle Therapie.“
Gehirn-Bypässe von Neurochirurgen oft links liegen gelassen
Eine Aussage, der Marcus J. aus vollstem Herzen zustimmt. Schließlich begegnete er bei seiner dreimonatigen Reha im vergangenen Frühjahr in Bad Orb (Main-Kinzig-Kreis) mehreren Patienten, die nicht so viel Glück hatten wie er. Menschen, die nach Schlaganfällen oder geplatzten Aneurysmen im Gehirn mit schweren Bewegungs- und Sprachstörungen zu kämpfen haben. Der 53-Jährige hingegen ist wieder relativ fit.
Nur die Medikamente, die er immer noch nehmen muss, verursachen Einschränkungen. So darf er beispielsweise noch nicht selbst Autofahren. Ein Handicap, von dem er sich nicht verdrießen lässt. Stattdessen hat er in den vergangenen Monaten sein Leben umgekrempelt: gesündere Ernährung als früher, mehr Bewegung, weniger Stress. Denn so sehr ihn die Bilder von seiner Gehirnoperation auch faszinieren - noch einmal will er ein solches Drama nicht erleben. (Brigitte Degelmann)