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Paradiesische Verlockungen

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Mezzosopranistin Sylva Bouchard-Beier und andere Sänger verzauberten die Zuhörer im Chamisso-Garten. FOTO: rainer rüffer
Mezzosopranistin Sylva Bouchard-Beier und andere Sänger verzauberten die Zuhörer im Chamisso-Garten. © Rainer Rüffer

Chamisso-Garten bildet traumhafte Kulisse für Opernaufführung

Ein weißer Rosenstrauch, der fast so hoch wie ein Baum ist und so viele Blüten trägt, dass sie wie Schneebälle wirken, duftet über die ganze Wiese. Umrahmt von Büschen und Bäumen, von Blumen und rund geschnittenem Buchsbaum, stehen 100 schneeweiße Holzstühle auf der sattgrünen Wiese und lassen etwas erwarten, was es so noch nicht gab: eine Opernaufführung im Chamisso-Garten, die von Liebe und Zauber, von Verführung und Verlockungen erzählt.

Das Gelände im Dichterviertel ist nicht nur ein Paradies für Pflanzenliebhaber, sondern während des Kultursommers auch eine besondere Location. Kaum ein Ort passt besser zur Pocket-Oper „Isola d’Alcina“ - die Insel von Alcina.

Zwischen Hibiskus und Skulpturen

Noch sitzen die Gäste im vorderen Teil des 2500 Quadratmeter großen Gartens. Betrachten gigantischen Bambus und lila Hibiskus, Steinskulpturen in Efeu, sitzen unter hohen Kirschbäumen mit sattroten Früchten, nippen an Weingläsern und knabbern Quiche. Ute Poseneske (52) ist so aufgeregt wie die Künstler, die bald den hinteren Teil des Areals in eine lebendige Bühne verwandeln. Seit fünf Jahren gestaltet sie die ehemalige Gärtnerei in ein Paradies der Inklusion, der Kunstförderung und ökologischen Bildung durch gemeinsames Gärtnern um. „Es ist ausverkauft“, sagt sie und lächelt Klaus Dreier an, der den Kultursommer in diesem Jahr leitet. Der Klavierlehrer und Pianist an der Musikhochschule Frankfurt, der auch Puppenspieler ist, blickt sich um und nickt zufrieden, angesichts der zahlreichen Besucher.

„Isola d’Alcina“, eine 70 Minuten lange Hosentaschen-Ausgabe der Oper „La Liberazione di Ruggiero dall’ isola d’Alcina“ - Die Befreiung von Ruggiero von der Insel der Alcina - steht auf dem Programm. Die Oper von Francesca Caccini feierte 1625 Uraufführung in Florenz und gilt als erste Oper, die eine Frau komponiert hat.

Im Bann der paradiesischen Insel sind alle sofort. Nichts kann sie besser widerspiegeln als der Garten mit der Riesenrose. So wie die Rosen Dornen haben, ist es auch auf der Insel von Alcina. Die Zauberin (Gabriela Lehr, Sopran) ist wunderschön und perfekt im Verführen. Allerdings verwandelt sie Menschen in Pflanzen, um sie im Bann zu halten. Mit allen Mitteln der Kunst verführt sie auch Ruggerio (Ignacio Muñoz, Tenor). Doch auch Melissa (Sylva Bouchard-Beier, Mezzosopran) ist eine Magierin und hat versprochen, Ruggiero zurückzuholen.

Wohlige Gänsehaut stellt sich ein bei der leidenschaftlichen Versuchung, der Ruggiero zu erliegen scheint. Gerlind Puchinger, an Theorbe und Laute, begleitet den Gesang, Constanze Moschner verstärkt das Bild durch modernen Tanz. Vogelzwitschern lässt das Meer erahnen, die Besucher werden aufgesogen und verzaubert. „Die alte Ordnung wird sich nicht wiederherstellen“, sagt Melisse am Schluss, bevor Applaus den Künstlern entgegenstürmt.

Lob gibt es für alles: für die Opernsänger, die Musik, den Tanz, das Schauspiel, die Kostüme, die Kulisse und die Pocket-Oper, die noch nachhallt. Alcinas Insel ist hier, im Chamisso-Garten.

Poseneske ist glücklich und besorgt zugleich. Glücklich über die Vorstellung und die begeisterten Besucher, besorgt um die Zukunft des Chamisso-Gartens. Elf Leute zwischen 22 und 70 Jahren arbeiten hier, setzen sich ein für Inklusion, Familien, Senioren und Geflüchtete. „Finanziell steht es Spitz auf Knopf“, sagt sie. „Wir brauchen Förderung. Wir brauchen Menschen oder eine Stiftung, die uns mit fünf, zehn oder 100 Euro im Monat regelmäßig unterstützen. Der Garten ist ein gemeinnütziges soziales Projekt, das sich aus Spenden finanziert, aber es ist unheimlich schwer, wenn man jeden Cent umdrehen muss.“

Ute Poseneske seufzt und blickt nach vorne. Am Samstag, 1. Juli, gibt es um 16 Uhr „Peter und der Wolf“ als Figurentheater mit Bläserquintett und am Freitag, 16. Juli, um 11 Uhr eine Lesung mit Musik und Marionetten aus Thomas Hettches „Herzfaden“.

Jeden Dienstag ist der Chamisso-Garten von 14 bis 16 Uhr geöffnet bei Pflanzenverkauf aus dem Garten und Kaffee und Kuchen. Spenden sind möglich an die Chamisso Garten gUG, IBAN: DE93 4306 0967 1073 9490 00 bei der GLS Bank. Infos unter www.chamissogarten.de. SABINE SCHRAMEK

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