PARTEI-Kandidat Nico Wehnemann: "Der Tiefpunkt waren meine Gegenkandidaten"

PARTEI-Kandidat Nico Wehnemann will die Skyline abreißen, in Bussen und Bahnen Alkohol verkaufen und den neuen Stadtteil im Nordwesten "Elendsbach" nennen. Grund genug für ein Gespräch, dachten wir - und haben ihn auf ein Bier im Bahnhofsviertel getroffen.
Das Gespräch mit dem die PARTEI- Nico Wehnemann findet am frühen Nachmittag in der Terminus-Klause im Bahnhofsviertel statt. Die Kneipe ist gut besucht. Wehnemann und Marie Völkerling ("Praktikantin und designierte Seximus-Beauftragte des Bundesverbandes") sitzen an einem Ecktisch, trinken Bier und essen Pommes.
Hübsch hier. Nico Wehnemann: Die Terminusklause ist ein Ort, an dem sich viele meiner Wähler treffen. Sie alle verbindet der Hang zum Alkohol, zum Rauchen, zum Bahnhofsviertel – und, natürlich, der Hang, mich zum Oberbürgermeister von Frankfurt zu wählen.
Der Chef hier scheint Sie gut zu kennen. Wehnemann: Chef und Personal der Terminusklause sind ganz auf Parteilinie. Wir haben die Terminusklause auch mal gerettet - 2015, kurz nach Charlie Hebdo. Damals sollte sie geschlossen werden. Da haben wir vor der Tür demonstriert, mit Schildern, auf denen „Je suis Terminusklause“ stand.
Einer Ihrer Konkurrenten zeichnet das Bild eines Bahnhofsviertels, in das sich niemand mehr traut. Wehnemann: Mag sein, dass sich nicht mehr her traut. Ich sehe das nicht so. Ich finde das Bahnhofsviertel in seiner jetzigen Form unbedingt erhaltenswert. Ich denke auch nicht – wie Peter Feldmann –, dass eine junge Familie hier nicht mehr unbescholten durchlaufen kann.
Okay, aber die , die ist doch real? Wehnemann: Die meisten Drogen sind in den Bankentürmen. Nicht drumherum.
Sie kommen aus Berlin, Sie sind das Ranzige halt gewöhnt. Wehnemann: Berlin ist ein gutes Vorbild. Genau so könnten wir es hier auch machen: den Wohnungsmarkt für Schwaben öffnen, das Umland eingemeinden. Damit wäre viel erreicht.
In Ihrem Programm sind Sie weniger konstruktiv. Dort fordern Sie den Abbruch der Stadt. Wehnemann: Diese Forderung ist ja nicht neu. Wir wollen die Skyline unter die Erde legen. So entstünde ein fantastischer Blick auf den Hauptbahnhof.
Der Wahlkampf ist fast vorbei, am Sonntag wird gewählt. Sind Sie nervös? Wehnemann: Nein. Aber meine Konkurrenten haben allen Grund, nervös zu sein.
Ach ja? Wehnemann: Bislang habe ich alle Podiumsdiskussionen gewonnen. Auch die, zu denen ich nicht eingeladen war. Da bin ich nämlich einfach so hingegangen. Das ist doch deutlich.
Sie sind sich Ihrer Sache ziemlich sicher. Wehnemann: Vergleichen Sie doch mal – die anderen haben Unsummen verbraten. Ich fast nichts. Ich habe mit minimalem Geldeinsatz das Maximale erreicht, nämlich, Oberbürgermeister zu werden.
Ganz so weit ist es ja noch nicht. Wehnemann: Ich bin zuversichtlich. Die Wahl ist nur noch eine Formalität.
Vergleicht man den aktuellen Wahlkampf mit dem vor fünf Jahren, hat man den Eindruck, dass die Stimmung eine andere ist. Wehnemann: Das stimmt. Der Frankfurter Oberbürgermeister-Wahlkampf ist diesmal bundesweit ein Thema. Weil der Partei-Kandidat – also ich – war. Weil er AfD-Gruppen gehackt hat. Ich gebe dieser Stadt ihre Internationalität, ihre Seele und ihre Würde zurück.
Wow. Wehnemann: Ich weiß.
Haben Sie Mitleid mit Ihren Konkurrenten? Wehnemann: Nö, gar nicht. Was Volker Klein betrifft: Den hat Ihre Zeitung vor Jahren mal als „Politrentner“ bezeichnet. Damit ist doch alles gesagt. Und die anderen: Naja, die haben halt keine Chance.
Im Gegensatz zu den anderen Kandidaten haben Sie sich gar nicht erst mit Inhalten aufgehalten. Wehnemann: Das stimmt nicht. Wir haben viele Inhalte. Die anderen Parteien haben ihre Inhalte größtenteils bei uns geklaut. Wir fordern zum Beispiel schon seit Jahren den kostenlosen ÖPNV. Und als einzige Partei haben wir auch ein realistisches Refinanzierungskonzept vorgelegt.
Nämlich? Wehnemann: Wir wollen in Bussen und Bahnen Alkohol verkaufen.
Die Praktikantin und designierte Sexismusbeauftragte der Partei beugt sich über den Tisch. Dabei wirft sie aus Versehen Wehnemanns Pils um. Bier ergießt sich über Kneipenboden und Reporter. "Ach nee", sagt Wehnemann und bestellt noch ein Bier. Der Wirt wischt die Pilspfütze auf, dann geht's weiter.
Interessant. Wehnemann: Auch zu anderen Themen haben wir bemerkenswerte Ansichten. Wir machen uns zum Beispiel stark für den , sind dabei aber ehrlicher als die anderen.
Inwiefern? Wehnemann: Wir wollen, dass dieser Stadtteil „Prollheim“ oder „Elendsbach“ heißt. Damit die Leute, die dort wohnen, auch wissen, wo sie hingehören. An den Rand. Nicht nur geografisch, sondern auch sozial.
Als einziger Kandidat haben Sie im Wahlkampf ganz offen mit ihrem Aussehen geworben. Wehnemann: Ich wollte halt nicht wie Feldmann mit Bauklötzchen werben. Oder wie Weyland mit inhaltsleeren Sprüchen. Und ganz grundsätzlich: Ich bin, auch von meinem Aussehen her, gut genug für Frankfurt.
Werden Sie den Wahlkampf vermissen, sobald es vorbei ist? Wehnemann: Nein. Nächste Woche um diese Zeit sitze ich im Flieger und unternehme die erste der zahlreichen Lustreisen, die mir als Stadtoberhaupt zustehen.
Was war denn Ihr persönlicher Höhepunkt im Wahlkampf? Wehnemann: Letzten Freitag haben wir unser ÖPNV-Konzept mit 200 Freiwilligen vorgestellt. Wir sind feiernd und trinkend mit der Nacht-U-Bahn gefahren, immer hin und her. Dadurch haben wir den Nahverkehr nochmal ganz neu erschlossen. Der eigentliche Höhepunkt kommt aber erst noch.
Am Sonntag? Wehnemann: Nein, am Samstag. Wir treffen uns in der Biertonne im Bahnhofsviertel und feiern unseren Wahlsieg. Die Feier zählt übrigens gleichzeitig als Weihnachtsparty. Damit feiern wir auch die erste Weihnachtsparty des Jahres.
Aber gewählt wird doch erst am Sonntag! Wehnemann: Wie gesagt: eine reine Formalität. Feiern können wir schon vorher.
Was war der Tiefpunkt Ihres Wahlkampfs? Wehnemann: Tiefpunkt meines Wahlkampfes waren meine Gegenkandidaten. Allen voran Volker Klein. Wer mit einem solchen Ego, einer solchen Statur und einem solchen Programm antritt, der hat jeden Bezug zur Realität verloren. Das macht mich traurig und betroffen. Der Oberbürgermeister ist schließlich der erste Grüßaugust der Stadt.
So ein Wahlkampf ist enorm anstrengend. Wie halten Sie das aus? Wehnemann: Drogen. Außerdem motiviert mich, dass ich den Frankfurtern etwas biete, was sie bislang nicht hatten: einen sehr gut aussehenden Kandidaten, der nicht davor zurückschreckt, mit Frauen und Männern gleichermaßen intim zu werden.
Vor fünf Jahren trat Oliver-Maria Schmitt für die Partei in Frankfurt an. Er erreichte 1,8 Prozent … Wehnemann: Oliver-Maria Schmitt war hoffnungslos überfordert. Sein Programm hat nicht überzeugt. Mit mir durfte das nicht passieren. Deshalb trete ich jetzt mit einem viel radikaleren Programm an.
Schmitt hat damals immerhin das vorige Partei-Ergebnis – 0,2 Prozent – um 900 Prozent steigern können. Wehnemann: Das haben wir dieses Jahr auch vor. Und bei der nächsten Wahl wieder.
Schmitt hat sich anschließend als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl aufstellen lassen. Wäre das auch was für Sie – die Kanzlerkandidatur? Wehnemann: Wie jeder Politiker, der seine Politik nachhaltig betreibt, sehe ich Frankfurt nur als Sprungbrett. Ich möchte nicht nur unser Land reagieren, sondern die Europäische Union. Oder China. Ich stehe eigentlich für alle Ämter zur Verfügung.
Wer Ihre Auftritte verfolgt hat, der konnte zwei Wehnemanns beobachten: auf der einen Seite den Nonsense-Kandidaten, der Zeppeline für den ÖPNV fordert. Auf der andere Seite den Linken, der inhaltlich gegen Vorschläge aus dem rechten Lager argumentiert. Wehnemann: Sie täuschen sich: Das ist ein- und derselbe Kandidat. Die Partei ist der seriöseste Politikanbieter des Landes. Wir wollen Populismus und Realitätsnähe gleichzeitig fördern. Die Geschichte wird uns recht geben – schon in einer Woche.
Der isländische Satiriker Jon Gnarr wurde 2010 zum Bürgermeister von Reykjavik gewählt. Kann Ihnen so etwas auch passieren? Wehnemann: Selbstverständlich – aber wenn es dazu kommt, dann war es kein Versehen. Ich habe diesen Machtanspruch. Ich täusche nichts vor. Ich werde nicht überrascht sein, wenn ich Peter Feldmann am Sonntag aus dem Römer werfe. Und dann werde ich das Beste für mich herausholen – insbesondere, was Lustreisen und Personal betrifft.
Das klingt arg ich-bezogen … Wehnemann: Was gut für mich ist, ist für den Bürger gut genug. Schließlich muss jeder sich am ersten Grüßaugust der Stadt messen lassen.
Das Gespräch führte