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Feldmann gibt sich vor Abwahlverfahren gelassen: „Keine Sorge vor direktem Votum der Frankfurter“

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Von: Julia Lorenz

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Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) steht unter Druck.
Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) steht unter Druck. © dpa

Heute beschließt Parlament ein Ultimatum: Tritt der OB nicht zurück, wird Abwahl eingeleitet - nicht die erste in Hessen

Frankfurt Heute wird ein schwerer Tag für Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD): Die Frankfurter Stadtverordneten wollen in ihrer Sitzung einen Misstrauensantrag beschließen, der gleichzeitig mit einem Ultimatum versehen ist. Sollte der wegen des Verdachts der Vorteilsnahme angeklagte Rathauschef in den kommenden Wochen nicht doch noch freiwillig zurücktreten, wird in der Plenarsitzung am 14. Juli ein Abwahlverfahren eingeleitet.

Feldmann selbst gibt sich gelassen. Sollten sich die Stadtverordneten im Juli für eine Abwahl aussprechen, "werde ich mich einer Bürgerbefragung stellen, so dass die Bürgerinnen und Bürger entscheiden können", teilte der Oberbürgermeister gestern über ein per E-Mail verschicktes Statement mit. "Ich habe keine Sorgen davor, mich zum dritten Mal dem direktem Votum der Frankfurterinnen und Frankfurter zu stellen. 2018 haben sie mich mit mehr als 70 Prozent wiedergewählt", so Feldmann.

Frankfurt: OB Peter Feldmann „klebt nicht an seinem Stuhl“

Dennoch deutete der OB erstmals ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Amt an. In dem Statement heißt es: "Ich liebe meinen Job, aber ich klebe nicht an meinem Stuhl." Und weiter: "Meine Tür steht jederzeit offen. Es würde mich freuen, mit den Fraktionen weiter ins Gespräch zu kommen - auch, um offen über Alternativen zu sprechen."

Nach Informationen dieser Zeitung hat Feldmann in den vergangenen Tagen mehrere Gespräche mit den Fraktionen im Römer geführt. Wie zu hören ist, soll der OB dabei vorgeschlagen haben, sein Amt niederzulegen, allerdings zu einem von ihm selbst bestimmten Zeitpunkt. Feldmann würde gerne noch bis Frühjahr 2023 regieren. Den Fraktionen im Römer ist das aber zu spät.

Mögliche Abwahl von Peter Feldmann in Frankfurt: Verfahren ist komplex

Sollte es also doch noch zu einem Abwahlverfahren kommen, wäre es nicht das erste in Hessen. Seit 1993 haben hierzulande Gemeindevertretungen bereits 21 Mal ein Abwahlverfahren auf den Weg gebracht - mal mit Erfolg, mal ohne und mal sind die Rathauschefs doch noch freiwillig gegangen. Das geht aus einer Antwort des hessischen Innenministeriums auf eine kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Landtag hervor.

Die Abwahl eines direkt von den Bürgern gewählten Oberbürgermeisters ist allerdings nicht ganz einfach. Laut Hessischer Gemeindeordnung, Paragraf 76, muss zunächst einmal die Hälfte der Gemeindevertreter einem Antrag zur Abwahl zustimmen - in Frankfurt wären das 47 der 93 Stadtverordneten. Dieser Abwahl-Beschluss wiederum muss mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Stadtverordneten abgesegnet werden.

Anschließend müssen noch die Bürger das Stadtoberhaupt abwählen. Das geht aber nur, wenn die Mehrheit der gültigen Stimmen für die Abwahl ist und diese mindestens 30 Prozent der Wahlberechtigten ausmachen. Die wohl größte Hürde. So gaben bei der Oberbürgermeisterwahl 2018 im ersten Wahlgang 37,6 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, bei der Stichwahl waren es dann aber nur noch 30,2 Prozent.

Trotz dieser großen Hürde kann die Abwahl aber gelingen. In Hessen war dies bereits zehn Mal der Fall. Jüngstes Beispiel ist Edgar Paul (SPD), der 21 Jahre lang Bürgermeister von Nieste im Landkreis Kassel war. Im vergangenen Jahr wurde er abgewählt - von 78,92 Prozent der zum Bürgerentscheid gegangenen Wähler. Dem 70-Jährigen war vorgeworfen worden, über Jahre hinweg zu wenig Steuern und Abgaben gezahlt zu haben. Er wurde wegen Untreue zu einer Bewährungsstrafe und einer Geldbuße verurteilt.

Ebenfalls von den Bürgern abgewählt wurden die beiden Rathauschefinnen aus Hanau und Maintal: Margret Härtel und Dorothee Diehl (beide CDU). Gegen die beiden Frauen war nahezu zeitgleich vor zehn Jahren wegen Untreue und Betrug ermittelt worden. So wurde Härtel etwa vorgeworfen, sie habe sich mit dem Dienstwagen nach Warschau fahren lassen und habe private Restaurantbesuche sowie Geschenke über die Stadt abgerechnet. Auch Diehl soll ihren Dienstwagen privat genutzt und überdurchschnittlich viel Geld für Dienstessen und Geschenke ausgegeben haben. Die Verfahren gegen Härtel und Diehl wurden gegen Zahlung eines Bußgeldes in Höhe von 4000 Euro respektive 3500 Euro eingestellt.

Zukunft von OB Peter Feldmann unklar: Andere Bürgermeister überstanden Abwahlfverfahren

Eine Abwahl glückt aber nicht immer. So haben bisher drei hessische Bürgermeister das Verfahren überstanden und konnten weiterregieren. Dazu zählt etwa Malte Jörg Uffeln (parteilos), von 2014 bis 2020 Bürgermeister von Steinau an der Straße (Main-Kinzig-Kreis). Er hatte einem Mitarbeiter eine Biografie von Hitlers Vertrautem Martin Bormann geschenkt und diese mit einer fragwürdigen Widmung versehen. 2017 leitete das Steinauer Stadtparlament deshalb das Abwahlverfahren ein. Doch beim Bürgerentscheid stimmten nur 33,4 Prozent der zur Abstimmung gegangenen Bürger für die Abwahl, 66,6 Prozent wollten Uffeln weiterhin im Amt sehen.

Bis zur finalen Abwahl durch die Bürger muss es allerdings erst gar nicht kommen. Laut Hessischer Gemeindeordnung gilt ein Rathauschef auch als abgewählt, wenn er bis eine Woche nach dem Abwahl-Beschluss der Stadtverordneten auf die Entscheidung der Bürger verzichtet. Dadurch würde er dann seine Versorgungsansprüche behalten, bei einem Rücktritt hätte er Einbußen.

Frankfurt: Linke sehen „keinen ausreichenden“ Grund für Abwahlantrag

Diese Möglichkeit haben in Hessen bereits acht Stadtoberhäupter in Anspruch genommen - darunter etwa der frühere Bürgermeister von Alsfeld (Vogelsberg) Herbert Diestelmann (SPD). Er hatte eigenmächtig Kredite aus der Stadtkasse an eine kommunale Entwicklungsgesellschaft vergeben. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Untreue. Im Mai 2017 bat Diestelmann sogar seine eigenen Parteifreunde um die Zustimmung für sein Abwahlverfahren. Kurz nach dem Beschluss trat er zurück. So handhabte es auch Marcus Schafft (CDU), ehemals Bürgermeister von Hofbieber (Fulda). Ein versehentlicher Grundstückskauf hatte ihn 2012 das Amt gekostet. Seit 2014 ist Schafft nun Bürgermeister von Riedlingen im Landkreis Biberach (Baden-Württemberg).

Im Fall des früheren Eschborner Bürgermeisters Mathias Geiger (FDP) hingegen kam es - trotz Ermittlungen wegen Geheimnisverrats, einer Anklage und einer Verurteilung zu einer Geldstrafe - erst gar nicht zu einem Bürgerentscheid. Es sollte Ende 2017 zwar ein Abwahlverfahren eingeleitet werden, dieses scheiterte jedoch an der Zwei-Drittel-Mehrheit der Stadtverordneten. Geiger regierte bis 2020 weiter.

In Frankfurt ist dies eher unwahrscheinlich. Neben den Koalitionsfraktionen Grüne, SPD, FDP und Volt befürworten auch CDU, AfD und BFF-BIG die Abwahl Feldmanns. Die Linken hingegen sehen "zum jetzigen Zeitpunkt keinen ausreichenden Grund", einen Abwahlantrag zu stellen. "Der Aufwand eines Abwahlverfahrens steht in keinem angemessenen Verhältnis zum erwartbaren Ergebnis", teilten Fraktion und Partei mit. Sie wollen ein Abwahlverfahren erst unterstützen, sollte die Schuld Feldmanns gerichtlich festgestellt werden. (Julia Lorenz)

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