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„Institution!“: Frankfurts älteste Pizzeria soll plattgemacht werden

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Seit 66 Jahren gibt es die Pizzeria Da Angelo im Berkersheimer Weg in Frankfurt, nun muss sie wohl dem Ausbau der U5 weichen. Ein Ortsbesuch.

Frankfurt -  Gleißend hell scheint die Sonne auf die Wohnbauten und den Asphalt am Frankfurter Berg. Zwischen den Hochhäusern im Osten und den Einfamilienhäusern im Westen verläuft die längste Straße Frankfurts; kerzengerade verbindet die Homburger Landstraße die Stadtteile. Und wie jeden Tag zu den Stoßzeiten nimmt die Schlange der Autos kein Ende, bilden sich vor der Ampel am Berkersheimer Weg Staus bis zu diesem aus der Zeit gefallenen Flachbau mit der Pizzeria Da Angelo.

Direktverbindung zur Konstablerwache: Pizzeria Da Angelo in Frankfurt soll U5-Ausbau weichen

Um sie geht es in dieser Geschichte, und um den Ausbau der U-Bahn-Linie 5, mit der die gut 8000 Menschen vom Frankfurter Berg ab 2030 auf direktem Wege zur Konstablerwache und zum Hauptbahnhof gelangen sollen. Möglichst viele Autos von der Homburger wegzubekommen, das ist das Ziel. 50 Parkplätze und über 130 Bäume müssen dafür weichen – und die Pizzeria Da Angelo, die nicht irgendeine Pizzeria ist. Sie ist, so sagt man, die älteste Pizzeria der Stadt und führt seit Jahrzehnten die Menschen zusammen. Was also denken sie am Frankfurter Berg über die nahende Zukunft mit U-Bahn und vielleicht ohne Da Angelo?

„Ich habe nichts gegen den Ausbau“, sagt Reinhold Städter, der seit 65 Jahren am Frankfurter Berg wohnt. „Da Angelo kenne ich, seit der Laden 1957 aufgemacht hat, ein Familienbetrieb mit mindestens drei Generationen. Trotzdem, du kannst den Fortschritt nicht aufhalten.“ Der 75 Jahre alte Nachbar sitzt an einem Tisch von Bela 2, der einzigen Bäckerei am Ort, und trinkt einen Saft. „Vielleicht bekommt die Pizzeria einfach ein anderes Domizil. Nur wegen eines Ladens kann ein Ausbau nicht aufgehalten werden.“ Schade findet Reinhold eher, „dass für die U5 so viele Bäume fallen müssen, auch wenn die nachgepflanzt werden. ,Prachtstraße’ ist vielleicht etwas zu dick aufgetragen, aber die Straße hat was!“

Die Pizzeria Da Angelo am Frankfurter Berg hat offenbar keine Zukunft.
Die Pizzeria Da Angelo am Frankfurter Berg hat offenbar keine Zukunft. © Friedrich Reinhardt

„Alles Stammkunden“: Auch die Bundespolizei liebt Pizza von Da Angelo in Frankfurt

Lothar Weber hält nicht viel vom U5-Ausbau. „Ich sag dazu nur: Institution! Älteste Pizzeria in Hessen!“ Der Standort sei für Da Angelo optimal. Wo früher zwei US-Kasernen waren, ist jetzt die Bundespolizei und ein Wohngebiet. „Alles Stammkunden“, sagt Weber. „Die gehen über die Straße, die holen sich ihre Pizza, das ist wichtig.“ Manche essen sie auch bei Da Angelo, bei schönem Wetter draußen auf dem schmalen Bürgersteig, auch wenn die Autos keine drei Meter entfernt von den Edelstahltischen und geflochtenen Korbstühlen vorbeirauschen. Aus manchen dröhnt das Radio durchs herabgelassene Fenster.

Inhaberin Vanessa Scotti ruft von innen eine fertige Bestellung aus. Ein junger Mann mit Kappe nippt an seinem Softgetränk, während sein älterer Tischgenosse seine Pizza schneidet. Ein Anblick, den es in zehn Jahren womöglich nicht mehr geben wird.

Scotti selbst macht sich darüber allerdings noch wenig Sorgen. Die junge Da-Angelo-Chefin verschränkt ihre Arme und schüttelt den Kopf. „Ich will gar nichts dazu sagen, ich bin da sehr reserviert.“ Sie könne dieses Thema nicht mehr hören, sei aber dennoch neulich in der Aula des Albert-Schweitzer-Gymnasiums gewesen, als der U5-Ausbau mit dem Mobilitätsdezernenten diskutiert wurde. „Schon seit den 1980ern reden die darüber, und es ist immer noch nichts passiert. Es interessiert mich erst, wenn es soweit ist.“

Pizzeria Da Angelo eine „Institution“ in Frankfurt - „Mein Vater liebt euch!“

Als sie zwei junge Kunden abkassiert, zeigt ihr einer der beiden ein Foto seiner Eltern, langjährige Stammkunden seien die. „Ah! Ja natürlich kenne ich die beiden“, ruft Vanessa Scotti, „Mama mehr als Papa“. Lächelnd überreicht sie das Restgeld, während ihre beiden Angestellten im Hintergrund fleißig die nächsten Pizzas backen. „Mein Vater liebt euch!“, sagt der Gast noch schnell, bevor er mit seiner Begleitung los muss.

Drinnen stehen Holzstühle um quadratische Tische, auf denen rot-weiß-karierte Tischtücher liegen. Über ihnen: eine eingerahmte Urkunde des Journal Frankfurt. „Frankfurt geht aus – 2007, 1. Platz: Pizzeria Da Angelo“.

Pizzeria Da Angelo in Frankfurt stadtweit bekannt - Frage nach dem Nutzen von U5-Ausbau

Der stadtweit bekannte Italiener kommt Ute Clark nicht als erstes in den Sinn, wenn sie an den U5-Ausbau denkt. „Das ist der größte Schwachsinn! Es ist nicht nötig, 50 Parkplätze und etliche Bäume einzustampfen.“ Clark wartet am Hagebuttenweg auf den Bus, während sie auf ihrem Rollator sitzt. „Wo der Nutzen sein soll, verstehe ich nicht. Die S6 ist täglich zu spät, für Gehbehinderte nicht zugänglich, und es fallen ständig Busse aus!“

Sie findet, die vorhandenen öffentlichen Verkehrsmittel würden ausreichen, wenn man sie denn in den Griff bekäme. Dass zum Beispiel am Wochenende die Busse und die S-Bahn nur halbstündlich fahren, reiche nicht. „So eine Geldverschwendung“, sagt sie über die verlängerte U5. „Und dann kein Geld für Straßenfeste und die Gemeinden haben.“

Wäre sie rechtzeitig auf die Versammlung zum U5-Ausbau in der Albert-Schweitzer-Schule aufmerksam gemacht worden, wäre sie hingegangen. „Denen hätte ich ein paar Takte gesagt!“, sagt sie, während der Bus schon die Haltestelle anfährt. Als Ute Clark einsteigt, ruft sie noch über ihre Schulter hinweg: „Und zur Pizzeria: Da Angelo ist die beste Pizza, die wir in Frankfurt haben!“ (Ilias Botseas)

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