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Politik läuft noch nicht heiß

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Die Englische Bulldogge Maya liegt bäuchlings und hechelnd auf dem Pflaster der Zeil in der Frankfurter Innenstadt. Nach Angaben ihrer Besitzerin ist Maya keine Freundin von warmem Wetter und Sonnenschein. FOTO: dpa
Die Englische Bulldogge Maya liegt bäuchlings und hechelnd auf dem Pflaster der Zeil in der Frankfurter Innenstadt. Nach Angaben ihrer Besitzerin ist Maya keine Freundin von warmem Wetter und Sonnenschein. © picture alliance/dpa

Wie viele Kommunen rüstet sich auch Frankfurt nur allmählich für zunehmende Notlagen

Frankfurt -Man hört, wenn es für viele Menschen zu heiß ist in Frankfurt. Mit jedem Tag mehr in einer Hitzeperiode schrillen mehr Sirenen von Krankenwagen durch die Stadt, wird der Andrang in den Hausarztpraxen größer. Die Sommer in unseren Breiten sind längst zur Gefahr geworden - vor allem für Säuglinge und Alte. Die Messreihen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) liefern die nüchternen Zahlen zu dem, was alle spüren, was Gesundheitspolitiker in Berlin wie in den Kommunen alarmiert.

Früher gab es mehr Todesopfer

4500 Menschen sind in Deutschland vergangenes Jahr unmittelbar durch Hitzeeinwirkung gestorben, schätzt das Robert-Koch-Institut. Eine im Fachmagazin „Nature Medicine“ veröffentlichte Studie geht von fast 8200 Toten aus - und weit mehr indirekten Sterbefällen. Auffallend ist, dass die über Jahrzehnte ermittelten Zahlen nicht auf eine sich stetig verschlimmernde Lage hindeuten, obwohl die Sommer tendenziell immer heißer werden. Frühere Hitzesommer forderten mehr Todesopfer. Gut möglich, mutmaßen Mediziner, dass sich die Mitteleuropäer im Verhalten bereits gut angepasst haben. Die Politik hinkt da hinterher.

Vor fünf Tagen erst hat die Bundesregierung den Entwurf für ihr Klimaanpassungsgesetz beschlossen, Kommunen arbeiten an Hitzeaktionsplänen; Hessen hat einen landesweiten mit der dringenden Empfehlung, die Städte und Gemeinden sollten auf ihre Begebenheiten ausgerichtete Maßnahmen treffen, um die Menschen zu schützen.

Umweltwissenschaftlerin Dr. Saskia Buchholz, beim DWD für städtische Klimaanpassung zuständig, begrüßt all das - und macht auf grundlegende Mängel aufmerksam. „Generell gilt, wir brauchen mehr Bäume, insbesondere Laubbäume“, sagt sie. „Jeder Quadratmeter, der nicht versiegelt ist, ist wichtig wegen der Starkregenereignisse. In Frankfurt spielen auch die Frischluftschneisen eine große Rolle, die nachts Luft aus dem Taunus in den Frankfurter Norden führen können.“ Baut man diese Schneisen zu, nehmen sogenannte Tropennächte, bei denen es wärmer bleibt als 20 Grad, zu. Seit 2015 gab es fünf Jahre mit mindestens zehn Tropennächten in der Frankfurter Innenstadt, das aktuelle Jahr gehört dazu. „Diese hohen Zahlen sind in den 30 Jahren zuvor noch nie aufgetreten“, sagt Saskia Buchholz.

Umweltmediziner fordern nicht von ungefähr Tempo, wenn es um die Umsetzung von Hitzeaktionsplänen geht - und beklagen gleichzeitig Langsamkeit. „Unser Klimawandel-Aktionsplan ist fertig“, sagt Frankfurts Klimadezernentin Rosemarie Heilig (Grüne) auf Anfrage.

Grüne Dächer und mehr Trinkbrunnen

In einem Faltblatt und auf dem Internetportal der Stadt wird auf kühle Orte wie Brunnen und Einkaufspassagen hingewiesen, und „die Zahl der Trinkbrunnen soll von 17 auf 50 erhöht werden“, städtische Dächer und Fassaden sollen bald begrünt werden, Privatbesitzer erhalten dafür Förderungen. Bis zu 50 000 Euro seien möglich, so Heilig. „Wir werden auch die Hitzeinseln bepflanzen. Der Paul-Arnsberg-Platz ist fertig, der Riedbergplatz in Arbeit, der Atzelbergplatz kommt als nächster.“

Diese eher mittelfristigen Maßnahmen beruhen auf Vorgaben des hessischen Hitzeaktionsplans, des ersten eines Bundeslandes - im Vorgriff auf das Bundesgesetz. Doch die Strategien, wie sie Frankfurt, Offenbach und andere Städte online gestellt haben, verdeutlichen: Über breit gestreute Aufklärung zu Verhaltensweisen wie ausreichend trinken und wenig überraschende Empfehlungen etwa an Kitas und Seniorenheime, reichlich Getränke überall bereitzustellen, kommen sie kaum hinaus. „In Deutschland ist Frankfurt in Sachen Hitzeschutz nicht schlecht, etwa im vorderen Drittel der Kommunen“, sagt die Städte beratende Umweltmedizinerin Prof. Dr. Henny Annette Grewe von der Hochschule Fulda. Allerdings schränkt sie ein, dass Deutschland insgesamt viel schlechter auf die Hitze vorbereitet sei als etwa Frankreich. „Dort gibt es schon seit 2004 verbindliche Regeln. So müssen alle Altenheime mindestens einen großen klimatisierten Raum haben. „Wenn man keine Klimaanlage hat, sollte man wenigstens die Fenster verschatten“, sagt Grewe.

Dass Kommunen weit mehr leisten könnten, als gute Ratschläge zu erteilen, zeigt nicht nur Frankreich. Viele südeuropäische Städte, die schon länger als Mitteleuropa mit bedrohlichen Hitzeperioden zu kämpfen haben, bieten eine Reihe von etablierten Vorbildprojekten. Es gäbe mithin gar keinen Grund mehr, das eine oder andere davon weiter hinauszuzögern. So forderte dieser Tage auch die Linken-Fraktion im Römer eigens gekühlte Aufenthaltsräume. Jeder Stadtteil sollte mindestens zwei davon haben. Als Beispiel nannten die Linken Barcelona, wo man solche Räume stets in zehn Fußminuten erreichen könne, ganz gleich, wo man gerade sei.

Zu wenig kühle Orte, zu wenig Wasserspender

Blickt man auf den Lageplan der kühlen Orte in Frankfurt, fällt mit einem Blick auf, dass es derer in der Innenstadt reichlich gibt, in den Stadtteilen aber wenige bis gar keine. Auch Wasserspender, im Fachjargon Refill genannt, findet man in den meisten südeuropäischen Kommunen weit häufiger als in Deutschland. Gerade für alte Leute mit geringer Rente sind die wichtig, weil der kleine Geldbeutel auch den Wasserkauf einschränkt.

Dass Risikogruppen die Hitze und vor allem die direkte Sonneneinwirkung am besten meiden, indem sie so wenig wie möglich vor die Tür gehen, findet sich als Ratschlag noch in jedem Hitzeaktionsplan. Und Frankfurt, wo in manchen Stadtteilen die Luft steht, gilt unter den Experten vom Deutschen Wetterdienst als Wärmeinsel. Gebäude und da vor allem welche mit Glasfassaden strahlen die Hitze zurück, der Asphalt wärmt sich noch mehr auf. Die dichte Bebauung tut ihr Übriges. Auf der Webseite des DWD kann man den Unterschied zwischen den Messstationen in Frankfurt vergleichen. Demnach war es im Westend in den vergangenen 13 Monaten um zwei bis drei Grad wärmer als am Flughafen - in der Spitze lag der Unterschied bei acht Grad. Der Klimawandel, sagt Saskia Buchholz vom Wetterdienst, ist da. mjo/ Thomas J. Schmidt

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