Die ungewisse Zukunft des alten Frankfurter Polizeipräsidiums

Der Projektentwickler Gerchgroup ist insolvent. Was nun aus dem Prestigeprojekt wird, ist ungewiss. Planungsdezernent Marcus Gwechenberger (SPD) hält weitere Insolvenzen für möglich.
Frankfurt – Der Bau ist in der Krise. Reihenweise werden Aufträge abgesagt, geht Bauherren das Geld aus. Kein Wunder angesichts steigender Zinsen. Auch Projektentwickler sind betroffen. Jüngstes Beispiel: die Gerchgroup aus Düsseldorf, die nun mitgeteilt hat, vier ihrer Dachgesellschaften in Insolvenz in Eigenverwaltung zu schicken, um die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Damit steht auch die Entwicklung des alten Polizeipräsidiums in Frankfurt auf der Kippe. Gerch hatte das 15 400 Quadratmeter große Grundstück mit dem denkmalgeschützten Hauptgebäude an der Friedrich-Ebert-Anlage vor vier Jahren für 212 Millionen Euro erworben. Schon in diesem Frühjahr hätte mit dem Abriss begonnen werden sollen, dies wurde jedoch auf 2024 verschoben. Was jetzt aus dem Projekt „Praesidium“ wird, ist offen.
Der Frankfurter Planungsdezernent Marcus Gwechenberger (SPD) sagte dazu: „Wir sind in guten Gesprächen mit der Gerchgroup. In einigen Wochen werden wir mehr wissen.“ Das Unternehmen prüfe aktuell intern alle Projekte und kläre die Bedingungen, unter denen Bedingungen die Vorhaben weitergeführt werden können.
„Der Markt regelt eben nicht alles“
„Unser primäres Ziel ist es, trotz der derzeitigen Krise in der Baubranche alle Immobilienprojekte umzusetzen und am Markt zu platzieren“, erklärte Vorstandschef Mathias Düsterdick in einem Pressestatement. Dazu sei ein umfassendes Sanierungs- und Restrukturierungsprogramm geplant. Insgesamt hat Gerch bundesweit neun Projekte in unterschiedlicher Reife und plante, vier Milliarden Euro zu investieren. Die Insolvenz betrifft nur die vier Dachgesellschaften der Gerchgroup, nicht aber die neun einzelnen Projektgesellschaften. „Der Geschäftsbetrieb bei Gerch läuft uneingeschränkt weiter“, teilte das Unternehmen mit. Dazu sei ein umfassendes Sanierungsprogramm geplant.
Für das Polizeipräsidium bedeutet dies, dass der Zeitplan der Fertigstellung bis 2028 fraglich geworden ist. Schlimmstenfalls müsste die Gerchgroup das Präsidium wieder verkaufen. Dann ist alles Makulatur, was bislang seit 2018 geplant worden ist. Und für Gerch stellt sich die Frage, wer im derzeitigen Marktumfeld ein solches Grundstück erwerben möchte. Der damalige Kaufpreis von 212 Millionen Euro galt seinerzeit als überteuert; andere Projektentwickler waren abgesprungen, weil sie sich nicht auf die Preisforderungen des Landes einlassen wollten. „Die Insolvenz der Gerchgroup ist bezeichnend für das Scheitern des neoliberalen Irrwegs bei der Wohnraumfrage“, urteilt der Frankfurter SPD-Vorsitzende Kolja Müller. „Der Markt regelt eben nicht alles. Stadtentwicklung darf keine Aufgabe privater Investoren sein.“
Polizeipräsidium in Frankfurt bedroht: Weitere Insolvenzen wahrscheinlich
Sebastian Papke, planungspolitischer Sprecher der FDP im Römer, fürchtet: „Das wird nicht der letzte Projektentwickler sein, der insolvent wird. Die Situation ist sehr kritisch.“ Niemand investiere, wenn er nichts gewinnen kann. Doch die Zinsen stiegen, und dies verhagelt die Finanzierung. „Viele neue Projekte stehen auf der Kippe, andere, wie das Hellerhof-Areal der FAZ, sind durchfinanziert und laufen wohl auch weiter“, sagte Papke. Im Römer müsse man sich nun dringend Gedanken darüber machen, was dies für Stadtentwicklung bedeute. „Jedenfalls müssen die Kosten runter, die Verfahren müssen vereinfacht werden, für die Bodenwerte sind die aktuellen Zahlen zu ermitteln“, so Papke.
Auch Gwechenberger will angesichts der Marktentwicklung und der gestiegenen Bauzinsen nicht ausschließen, dass noch weitere Projekte in Frankfurt in Schieflage kommen. „Dann werden wir individuell Gespräche führen. Sicher ist jeder Fall anders, es gibt keine Pauschallösung.“ Wenn es im einen Fall sinnvoll sein könne, weitere Partner an Bord zu holen, sei es im anderen Fall vielleicht erforderlich, die Planung zu ändern, um das Projekt „flüssiger“ realisieren zu können.
Pläne für leerstehendes Polizeipräsidium vor der Krise
Das 1914 errichtete Polizeipräsidium an der Friedrich-Ebert-Anlage steht seit 2002, als die Polizei ihre neue Zentrale an der Miquelallee weitgehend leer, war vorübergehend mal als Discothek genutzt worden. 2018 hat die Gerchgroup das Areal vom Land Hessen gekauft und inzwischen auch vollständig bezahlt. Im März diesen Jahres waren die Pläne vorgestellt worden, was dort entstehen soll: Ein Hochhaus von 175 Metern Höhe für Büros und Wohnungen - 30 Prozent geförderter Wohnraum -, ein Hotel, eine Kindertagesstätte und eine Turnhalle für die benachbarte Falkschule. Insgesamt 800 Millionen Euro wollte die Gerchgroup investieren. Diese Schätzung allerdings erfolgte vor der Explosion der Baupreise und der Zinsen. Bei der Gerchgroup war vor Redaktionsschluss telefonisch niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. (Thomas J. Schmidt)