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Polizist rettet Fünfjährigem das Leben

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Polizeioberkommissar Christian H. hat schon viel gesehen in seinem Beruf, der Zwischenfall mit dem Fünfjährigen hat ihn besonders mitgenommen. Am Ende gab’s ein Happy End.
Polizeioberkommissar Christian H. hat schon viel gesehen in seinem Beruf, der Zwischenfall mit dem Fünfjährigen hat ihn besonders mitgenommen. Am Ende gab’s ein Happy End. © sabine Schramek

Nur dank seines beherzten Einsatzes überlebte der Junge, der an einem schweren Gendefekt erkrankt ist.

Frankfurt -Es gibt Ereignisse, die man nicht vergisst. Für Christian H. (40) ist es die Nacht vom 4. auf den 5. Juni. „Ich habe sofort an das Schlimmste gedacht, als mich Dauerklingeln und laute Schreie aus dem Schlaf gerissen haben“, erinnert er sich.

Der Polizist rennt nach draußen, versteht nur „Hilfe“ und „irgendetwas mit Kind“, blickt in entsetzte Augen der Mutter. Die Verständigung ist schwierig, die Frau spricht nur wenig deutsch, ist mit ihren fünfjährigen Zwillingen erst vor Kurzem vor dem russischen Angriffskrieg aus der Ukraine geflohen. Noch im Laufen ruft H. den Rettungswagen, den Notarzt und die Polizei per Handy. „Da lag das Kind, die Augen offen, das Herz schlug mit 180 wie eine Dampfmaschine. Ich habe den Kopf überstreckt, wollte Luft infiltrieren, aber die Atemwege waren völlig zugeschwollen. Dann habe ich den Brustkorb gedrückt und gleichzeitig mit der Rettungsstelle telefoniert. Die haben einen First Responder gerufen.“ Das sind gut ausgebildete Ersthelfer aus der Nachbarschaft.

Rettungswagen fährt zu weit

Auch H. ist gut ausgebildet. Er war mehr als 15 Jahre lang ehrenamtlich bei den Maltesern und weiß, was zu tun ist. Fünf gefühlt endlose Minuten lang reanimiert der Polizeioberkommissar den Jungen. Der Fünfjährige und sein Bruder leiden an einem seltenen Gendefekt. Dann kommt der Rettungswagen, fährt zunächst 150 Meter zu weit. H. nimmt das Kind auf den Arm, läuft mit ihm auf die Straße und ruft laut. Gleichzeitig kommt der First Responder an. Zwei Rettungskräfte, eine Notärztin, der First Responder und H. kämpfen gemeinsam um das Leben des Kindes. Die Sauerstoffsättigung liegt nur noch bei 40 Prozent, als der Bub endlich intubiert und ein Zugang gelegt werden kann. Als sich der Kleine stabilisiert, wird er in die nächste Klinik gebracht. Noch in derselben Nacht kommt der Junge in eine Spezialklinik. H. funktioniert bis zum Schluss.

„Dann sind die Tränen gelaufen“

„Danach sind die Tränen gelaufen“, sagt der zwei Meter große Mann. „So ein unschuldiges Kind, das noch sein ganzes Leben vor sich hat. Das macht etwas mit einem.“ Allein die Vorstellung, wie es der Mutter geht, die mit zwei behinderten Kindern vor dem Krieg geflohen ist, lässt ihn schaudern. „Ich habe alles gesehen. Erstochene, Erschossene, Wasserleichen. Aber dieses kleine Kind...“, er stockt. „Nichts hat mich mehr mitgenommen als die Reanimation dieses Kindes“, sagt er und atmet tief durch, wenn er zurückdenkt. Er habe an dem Abend gezittert und geweint, weil so enormer Stress und Adrenalin von ihm abgefallen seien. Mit zwei Polizisten, die gekommen sind, und einer Nachbarin, die dolmetschen kann, hat der Polizist, der in der Direktion Verkehrssicherheit im „MC 30“ im Mertonviertel arbeitet und meist „uff de Gass“ im Dienst ist, noch lange gesprochen. Von der örtlichen Polizeidienststelle an seinem Wohnort wurde H. für seinen selbstlosen Einsatz mit Herz und Verstand ausgezeichnet. Er freut sich darüber, aber noch viel mehr darüber, dass der Junge lebt.

H. musste vor wenigen Tagen noch einmal den Rettungswagen rufen. Der Zwillingsbruder des geretteten Jungen hatte dieselben Symptome. Die Mutter kam wieder um Hilfe rufend zu ihm. Mit der Nachbarin, die Ukrainisch spricht. „Es war gottseidank nicht so dramatisch wie vor zwei Wochen, aber auch er kam sofort ins Krankenhaus“, schildert H. voller Sorge.

So klein und so zerbrechlich

Immer wieder fragt sich der Polizist, ob er alles richtig gemacht hat, ob er etwas hätte noch besser machen können. „Die Zwillinge sind so klein und zerbrechlich. Da macht man sich viele Gedanken.“ Beide Kinder leben. H. will weitere Kurse machen, sein Können noch weiter ausbauen, um keinen Fehler zu machen, wenn er noch einmal in die Situation kommen sollte, Leben zu retten.

„Helfen ist so wichtig. Auch darum bin ich Polizist mit Leib und Seele. Leider wird oft vergessen oder ignoriert, was Rettungskräfte leisten. Sogar sie werden immer wieder angegriffen, obwohl sie rund um die Uhr Leben retten. Es geht um Menschenleben.“

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