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Polizisten setzten hilflosen Zecher im Wald aus

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Von: Matthias Gerhart

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Justitia
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Nachdem er im Bahnhofsviertel randaliert hatte, landete ein heute 60 Jahre alter Mann im Juli 2011 im Frankfurter Stadtwald. Ausgesetzt von zwei Polizeibeamten. Seit Mittwoch haben sich die Polizisten deshalb zum zweiten Mal vor Gericht zu verantworten.

Weil sie den Platzverweis gegen einen heute 60 Jahre alten Randalierer allzu drastisch durchgesetzt hatten, waren die zwei Polizeibeamten in einem ersten Verfahren vor dem Amtsgericht wegen Nötigung zu jeweils 90 Tagessätzen Geldstrafe verurteilt worden. Der etwas betuchtere ältere Angeklagte (35) sollte 6300 Euro zahlen, sein jüngerer Kollege (mit Kleinkind) 4500 Euro. Doch dazu kam es nicht – vor dem Landgericht gingen gleich von drei Seiten Berufungsschriften ein. Der Staatsanwaltschaft war die Strafe zu niedrig, ebenso der Anwältin des Nebenklägers. Und die Verteidigung forderte weiterhin Freisprüche für die beiden Beamten – die nichts Strafbares begangen, sondern nur die in Frankfurt übliche Praxis des sogenannten „Verbringungsgewahrsams“ umgesetzt hätten.

Prügel und Randale

Was war an jenem Juliabend vor knapp fünf Jahren geschehen? Die Beamten wurden in die Niddastraße gerufen, wo das spätere Opfer – mit mindestens zwei Promille Alkohol im Blut – zunächst eine Frau geschlagen und dann einem anderen Passanten die Jacke zerrissen haben soll. Die Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsunternehmens wurden dem heftig gestikulierenden Mann jedenfalls nicht mehr Herr. Die Polizisten sprachen einen nach Polizeirecht zulässigen Platzverweis aus – und damit der Betrunkene erst gar nicht auf die Idee kam, diesen zu ignorieren, wurde er ins Polizeiauto gesetzt und an die Peripherie der Stadt verbracht. Etwa einen Kilometer von der S-Bahn-Station Stadion endete die Fahrt im bereits recht dunklen Wald. Der aus Wiesbaden stammende, betrunkene Mann war völlig orientierungslos und lag ungefähr eine Stunde auf dem Boden, bis er zufällig von einem Passanten entdeckt wurde. Aus bislang ungeklärter Ursache hatte er sich auch noch zahlreiche blaue Flecken und Frakturen zugezogen. Ein Klinikaufenthalt schloss sich an.

Allein ohne Geld

Die Verletzungen konnten den Beamten nicht angelastet werden, wohl aber die umstrittene polizeiliche Maßnahme. „Völlig unverhältnismäßig“, hieß es in der Berufungsbegründung der Staatsanwaltschaft. Die Beamten hätten auch ihre Garantenpflicht sträflich verletzt, indem sie den hilflosen und betrunkenen Ortsunkundigen ohne Bargeld und Telefon im Wald zurückgelassen hätten. Im ersten Verfahren hatte der Anklagevertreter denn auch eine Freiheitsstrafe zur Bewährung gefordert. Wegen Nötigung, Freiheitsberaubung und Amtsträgermissbrauch.

Der Verteidiger des älteren Beamten aber pochte auch am Mittwoch wieder auf Freisprüche. Wenn es derartige Verbringungsmaßnahmen nicht mehr geben solle, müsse dies die Polizeiführung regeln – nicht aber dürften die beiden Beamten die Folgen ausbaden. Weil es in dem Prozess auch um mögliche disziplinarische Folgen geht – bis hin zum Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis bei einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr – wird mit Haken und Ösen gekämpft. Vier zusätzliche Verhandlungstage hat das Gericht bereits eingeplant.

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