„Ponyzwerge“ träumen vom Georgshof

Der Verein muss das ihm gekündigte Gelände räumen - und zöge gern nach Nied.
Georgie hat um die Mittagszeit herum das Wälzen für sich entdeckt. Immer wieder dreht sich der Schimmel auf dem Rücken im Sand herum. Man kann sich gut vorstellen, welche Arbeit es machen wird, sein weißes Fell wieder zum Glänzen zu bringen. Doch ausgiebiges Bürsten, Striegeln, Hufe auszukratzen - all das gehört bei den „Ponyzwergen“ in Sindlingen dazu, will man als Kind oder Jugendlicher in den Sattel steigen. Zudem gibt es Theorielektionen, unter anderem über die Anatomie von Pferden.
„Ponyzeit“, so nennt sich hier, was woanders Reitunterricht heißt. „Wir sind keine klassische Reitschule“, betont Kerstin Fuchs, die Zweite Vorsitzende des Sindlinger Vereins. „Die Kinder sollen die Ponys als Lebewesen und Partner verstehen“, mit all ihren Eigenarten und Macken. Sie sollen ihnen respektvoll begegnen, Verantwortung übernehmen und verstehen, dass diese auch mal keine Lust verspüren. Dabei entwickelten sich die Jungen und Mädchen selbst weiter, stärken ihre motorischen Fähigkeiten und ihr Selbstbewusstsein. „Wir holen die Kinder dort ab, wo sie sind, und sehen zu, dass es für alle passt und Spaß macht“, so die Vereinsvorsitzende Katja Erdle.
Viel Auslauf im offenen Stall
Sieben besonders liebe Kleinpferde, vom süßen Shetlandpony bis zum stämmigen Norweger, verbringen ihre Tage auf der etwa eineinhalb Hektar großen Anlage in einem offenen Stall, der eine Menge Auslauf, Spielmöglichkeiten und unterschiedliche Böden bietet. Glücklich sollen sie sein. Doch seit Jahresbeginn liegt ein Schatten über ihrem Dasein: Die Eigentümerin des Geländes hat dem Verein, der die Arbeit fortführt, die sie selbst einst begonnen hat, fristgerecht zum 31. Januar 2024 gekündigt. Mit ihrer eigenen Hundeschule will sie auf das Areal an der Okrifteler Straße ziehen. Erdle und ihre drei Vorstandskollegen, allesamt Ehrenamtler, suchen nun eine neue Heimat für die „Ponyzwerge“, möglichst in der näheren Umgebung, denn die mehr als 150 Mitglieder kommen überwiegend aus dem Westen der Stadt oder angrenzenden Kommunen.
„Alle Quellen abgeklappert“
Bisher haben sie noch keinen Erfolg gehabt. „Wir haben alle Quellen abgeklappert“, erzählt Erdle. Weder Mundpropaganda noch Aushänge oder die Stadt halfen weiter. Letztere habe sich zwar interessiert gezeigt an dem Projekt, sagt Fuchs. Eine Lösung für das immer dringlichere Problem zeichne sich aber noch nicht ab. „Wir träumen alle vom Georgshof in Nied“, so Fuchs weiter, und man stehe mit der Bürgerinitiative in Kontakt, die sich dort einen Lernbauernhof wünscht. Die „Ponyzwerge“ hatten so etwas früher, mit Hühnern und Schafen. Doch das Veterinäramt schreibe dafür einen ausgebildeten Pädagogen vor, und den kann sich der Verein aktuell nicht leisten.
Eine Chance, das Angebot wieder zu erweitern, hat sich aufgetan, als die Sindlinger Natalie Golla kennenlernten, die in Wehrheim ein Reit- und Therapiezentrum führt und auch gerne umziehen würde. „Wir würden uns sehr gut ergänzen“, sagt Fuchs. Golla bringt die für den Lernbauernhof erforderlichen Qualifikationen mit. Bei beiden gebe es zudem Nachfragen nach Angeboten, die die jeweils anderen erfüllen könnten. „Das wäre für beide Seiten ein Gewinn“, sagt Erdle.
Sollte es zu einem Zusammenschluss kommen, wäre ein deutlich größeres Grundstück erforderlich. „Drei bis vier Hektar“, schätzt Kerstin Fuchs. Einen Stromanschluss, den sie derzeit nicht haben, Wasser und Toiletten wünschen sie sich neben dem Reitplatz und dem Aktivstall. „Wir brauchen kein Vereinsheim“, stellt Fuchs klar. Mehr Platz könnte auch bedeuten, dass noch das eine oder andere Pony dazukommt. Und Kinder, die derzeit nur auf der Warteliste stehen, bald bei den „Ponyfreunden“ aufsitzen dürfen. Katja Sturm