Primus-Linie knüpft an Vor-Corona-Zahlen an

Unternehmen gönnt sich kein neues Schiff, aber einen neuen Azubi.
Frankfurt -Die fünf Schiffe der Primus-Linie sind als schwimmende Restaurants und Veranstaltungslocations mit Theater- und Showbetrieb seit 2020 von den Herausforderungen unserer Zeit in einer Vielfältigkeit betroffenen, wie kaum ein anderes Unternehmen: Betriebseinschränkungen, Umsatzeinbußen und ausbleibende Touristen durch die Pandemie, Fahrplanänderungen wegen Niedrigwassers im Rhein bedingt durch die Klimakrise, steigende Kosten als Folge des Ukrainekrieges, vor allem beim Treibstoff: alleine 100 0000 Euro Mehrausgaben für die gleiche Menge an Diesel in diesem Jahr. Dazu kommt der Personalmangel im nautischen Bereich und in der Gastronomie. Dennoch blickt Marie Nauheimer, Geschäftsführerin der Primus-Linie, zuversichtlich in die Zukunft.
Nach zwei Pandemie-Jahren hat die Primus-Linie im Jahr 2022 mit 300 000 Fahrgästen nahezu die Vor-Corona-Zahlen wieder erreicht, und das „obwohl wir von Januar bis Mitte März fast keinen Umsatz hatten“, so Marie Nauheimer. „Es gab zwar keinen Lockdown, aber die Leute waren noch sehr vorsichtig.“ Vor Corona war es so gut gelaufen wie noch nie. 2018 und 2019 waren die stärksten Jahre in der Geschichte des Familienunternehmens.
Für die Freizeitschifffahrt seien die Wetterbedingungen mit viel Sonne ideal gewesen. Dank des Schleusensystems gab es im Main auch keine Niedrigwasserprobleme für die Schifffahrt, im Gegensatz zum Rhein - wohin Fahrten zum Teil nicht möglich waren. Im Mai sei der Betrieb wieder von Null auf Hundert losgegangen. Dann seien auch die Touristen aus dem europäischen Ausland und dem mittleren Osten zurückgekehrt. 48 Prozent des Gesamtumsatzes machten 2022 die Rund- und Tagesfahrten aus, die Event- und Abendfahrten 25 Prozent und das Chartergeschäft 27 Prozent. Die Skylight-Fahrten sind am beliebtesten. Die Gästezahl auf diesen Touren in der Dämmerung ist sogar um 45 Prozent gestiegen. Das Unternehmen musste Konzepte anpassen und umdenken. Wegen des Personalmangels in der Gastronomie musste zum Teil auf Selbstbedienung und Thekenverkauf umgestellt werden, wofür aber die meisten Gäste Verständnis hätten.
Dem Personalmangel im nautischen Bereich will die Primus-Linie selbst etwas entgegensetzen und bietet deshalb erstmals eine Ausbildung zum Binnenschiffer an. Bislang war dies auch ein Beruf für Quereinsteiger, jetzt ist es ein reiner Ausbildungsberuf. Die Ausbildung dauert drei Jahre, der begleitende Blockunterricht wird für den künftigen Primus-Linie-Azubi in Duisburg stattfinden.
Auf Verständnis hofft Marie Nauheimer auch, wenn sie in der kommenden Saison den Fahrkartenpreis für Touren um voraussichtlich drei Euro erhöhen werden müsse - was für den Ausgleich der gestiegenen Kosten vermutlich gar nicht reichen werde.
Es müssten andere Ideen her, um wirtschaftlich zu bleiben: Das „Weihnachtissimo-Varieté“ mit vier bis fünf Künstlern wurde schon vor der Pandemie zum „Winterzauber“-Programm mit einem Künstler. Sie habe das Gefühl gehabt, dass es zu viel Programm für die Gäste gewesen sei, die zwischen Show und Büfett gar keine Zeit gehabt hätten, die Schifffahrt zu genießen, aus dem Fenster zu schauen oder mal aufs Außendeck zu gehen. Angenehmer Nebeneffekt dieser Veränderung ist, dass die Konzentration auf einen Künstler Kosten spart.
Ob die Primus-Linie Fahrten zu „Rhein in Flammen“ wieder anbieten wird, stehe noch nicht fest. Diese Touren sind in diesem Jahr 40 Prozent unter der Auslastung geblieben, eine musste wegen Niedrigwassers im Rhein ausfallen. In den vergangenen zwei Jahren seien längere Touren und Tagesfahrten sehr beliebt gewesen, vermutlich als Ausgleich für den ausgebliebenen Urlaub. Jetzt gehe der Trend eher wieder zu Zwei-, Drei-Stunden-Fahrten. Das Angebot müsse auf den Prüfstand. Denkbar wäre zum Beispiel auch ein Kombiticket mit dem RMV, so dass man längere Strecken auf dem Schiff one way hin und mit dem Zug zurückfährt. Das hätte den Vorteil, dass das Schiff statt der Rückfahrt ruhen oder anderweitig eingesetzt werden könnte. Das entspanne die Personaldecke und die Kosten.
Ein großes Projekt hat die Primus-Linie zunächst auf Eis gelegt - aber nicht aus Kostengründen, sondern weil es grundsätzlich zu hinterfragen sei: Vor der Pandemie war der Bau eines neuen Schiffes für Frankfurt in Planung. „Ein großes Eventschiff - aber ist das die Zukunft?“, so Marie Nauheimer. Sie ist skeptisch, inwieweit das Chartergeschäft im gewohnten Umfang anhalten werde. Dass es in diesem Jahr gut gelaufen sei, sei auch darauf zurückzuführen, dass viele Veranstaltungen nachgeholt wurden, die während der Pandemie ausfallen mussten.
Im Moment seien außerdem eher kleine Schiffe für 30, 40 Personen nachgefragt, „weil man gerne unter sich bleibt“. Und: „Man muss überlegen, auf welche Technologie will man setzen“, erklärt die Geschäftsführerin. Elektromotoren oder Wasserstoff? Die alten Schiffe können nicht auf neue Technologien umgerüstet werden, neue müsse man von vorneherein anders konzipieren. „Dafür muss dann aber auch die Infrastruktur geschaffen werden. Und da wäre auch die Stadt gefragt: Wollen wir das? Und können und wollen wir das unterstützen?“ Michelle Spillner