Proben für die Katastrophe

Donnerstag heulen die Sirenen und warnen Mobiltelefone.
Frankfurt -Ein Störfall, eine Flutkatastrophe, ein Erdbeben - was, wenn die Katastrophe eintritt, und die Bevölkerung bekommt es nicht rechtzeitig mit? Um für solche Szenarien besser gewappnet zu sein und die Bürger warnen zu können, bevor es zu spät ist, wird dies am Donnerstag, 8. Dezember, dem bundesweiten Katwarn-Tag, geprobt.
Vor zwei Jahren gab es die Aktion schon mal - und das ging gründlich schief. Die Warn-Apps, die viele Bürger auf ihren Mobiltelefonen installiert haben, versagten, warnten teilweise erst eine halbe Stunde nach dem Alarm. Einzig die klassischen, altmodischen Sirenen bei Allessa in Fechenheim und im Industriepark in Höchst funktionierten seinerzeit einwandfrei. Die meisten anderen Sirenen sind lange schon abgebaut.
Auch bei der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal und in Nordrhein-Westfalen wenige Monate später versagten Warnmechanismen. Mancherorts fuhr die Feuerwehr durch die Straßen, warnte mit Lautsprecherdurchsagen - weil es keine Sirenen mehr gab.
Bei der Neuauflage des Katwarn-Tags soll es besser laufen. Am Donnerstag, 8. Dezember, pünktlich um 11 Uhr, sollen bundesweit die Sirenen heulen und die Warn-Apps auf den Smartphones vibrieren. Allerdings: Während seit dem jüngsten Warntag hessenweit 540 neue Sirenen installiert wurden, finanziert vom Bund für insgesamt 6,4 Millionen Euro, gibt es in Frankfurt keine einzige neue Sirene. Einzig ein paar alte Sirenen im ehemaligen Industriepark Griesheim wurden reaktiviert.
„Wir benötigen für eine flächendeckende Versorgung rund 150 Standorte“, sagt Feuerwehrsprecher Andreas Mohn. „Zurzeit ist ein Ingenieurbüro beauftragt, diese Standorte zu ermitteln.“ Schließlich ist die Stadt gewachsen, seit die alten Sirenen abgebaut wurden. Deren Technik sei aber ohnehin veraltet gewesen - sie funktionierten überwiegend noch mit Motoren, die einen Luftstrahl erzeugten, der wiederum einen Ton auslöste. „Die neuen Sirenen sind fast ausschließlich starke Lautsprecher, über die man auch Sprachnachrichten versenden kann.“ Dafür sei dann aber eine andere Dichte - also eine größere Anzahl - von Sirenen erforderlich. „Das Land hat uns Mittel gegeben, um diese neuen Standorte herauszufinden.“ Bis diese dann auch tatsächlich mit Sirenen bestückt werden, könnten jedoch noch einige Jahre vergehen.
Bleiben die WarnApps. Ob sie diesesmal funktionieren werden? „Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe BBK war mit dem Warnsystem Mowas vor zwei Jahren überlastet“, erklärt Benjamin Crisolli, Sprecher des hessischen Innenministeriums. An dieser Warn-App sind auch die Wetter-App Nina und die App Hessenwarn angeschlossen, sowie viele Warn-Apps anderer Bundesländer. Diesmal, so hoffen die Verantwortlichen, werde es besser laufen. Über Mowas sollen auch die Radiosender und die seit einem Jahr in Frankfurt angeschlossenen Ströer-Displays die Testwarnung kommunizieren.
Parallel wurde eine neue Warn-Anwendung namens Cell Broadcast entwickelt, die am Donnerstag getestet wird. Sie basiert auf der SMS-Technik und versendet Textnachrichten, versehen mit einem Alarmton. Cell Broadcast funktioniert allerdings nur bei den neuesten Smartphones beziehungsweise bei solchen mit dem neuesten Upgrade des Betriebssystems. Glückt die Generalprobe, soll Cell Broadcast im Februar 2023 in Betrieb gehen. Die Steuerung liegt, anders als bei Mowas, ausschließlich beim Bund. Die Verzögerungen bei der Alarmierung 2020 werden auch darauf zurückgeführt, dass Bund, Länder und Kommunen zugleich Alarm auslösen wollten - was zur Überlastung geführt habe.
Eins aber kann die eine wie auch die andere App nicht: Sie kann nicht warnen, wenn das Handy aus ist, jemand gar kein Mobiltelefon besitzt oder die App nicht installiert hat.
Sirenen können das. Auch deshalb feiern sie nun ein Revival. Insgesamt hatte der Bund nach dem missglückten Warntag vor zwei Jahren 88 Millionen Euro für die Installation neuer Sirenen bereitgestellt. „Zu wenig“, sagt Benjamin Crisolli, Sprecher des hessischen Innenministeriums. „Wir hätten dreimal so viele Sirenen unterstützen können.“ 1300 Anträge haben rund 320 hessische Kommunen gestellt, pro Sirene wurden 10 000 bis 15 000 Euro ausgegeben. „Es ist eine Angelegenheit des Zivilschutzes, und der untersteht dem Bund“, erklärt Crisolli auf die Frage, warum das Land die Kommunen nicht aus seinen eigenen Mitteln unterstützt.
So oder so: Am Donnerstag sollen die wenigen Frankfurter Sirenen heulen, ausgelöst wird der Alarm von der Feuerwehrzentrale. Um 11 Uhr erklingt für eine Minute ein auf- und abschwellender Ton, um 11.45 Uhr ein Dauerton. Letzterer steht für Entwarnung. Hingegen werden die Apps zentral vom BBK in Berlin aktiviert. thomas j. schmidt