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Queer in Frankfurt: "Zum CSD gehe ich nicht, ich habe Angst"

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Nach dem queer-feindlichen Angriff an der Konstablerwache spricht Nils Kößler (CDU) (3. v. l.) mit Polizei und Vertretern vom Bündnis für Akzeptanz.FOTO: rainer rüffer
Nach dem queer-feindlichen Angriff an der Konstablerwache spricht Nils Kößler (CDU) (3. v. l.) mit Polizei und Vertretern vom Bündnis für Akzeptanz.FOTO: rainer rüffer © Rainer Rüffef

Angriffe auf die queere Community nehmen in Frankfurt zu. Politiker und Betroffene suchen jetzt nach Lösungen.

Frankfurt – In kurzer Zeit gab es acht angezeigte tätliche Angriffe auf queere Menschen in der Frankfurter Innenstadt. Einem 26-Jährigen wurde vor gut einer Woche der Kiefer gebrochen, ein anderer wurde am Freitag zweimal unvermittelt geprügelt. Dragqueen Electra Pain wurde im März mit Pfefferspray angegriffen. So soll es nicht weitergehen.

An der Schäfergasse ist nicht nur der Regenbogenkreisel, sondern in den Straßen drum herum ist auch das Viertel mit zehn von insgesamt elf Bars in Frankfurt, die hauptsächlich von der queeren Community besucht werden. "Sicher fühlt sich hier niemand mehr", sagt Manuel Irlbeck (26). Sein gebrochener Kiefer musste mit vier Schrauben gefestigt werden. "Sechs Wochen muss ich Nahrung mit dem Strohhalm zu mir nehmen. Ich hätte tot sein können."

Angriffe auf queere Menschen in Frankfurt: „Zum CSD gehe ich nicht“

Vor zehn Tagen wurde er Opfer eines homophoben Angriffs genau in dem Viertel, in dem sich Angriffsopfer und Politiker zum Austausch treffen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. "Ich finde es ekelhaft, dass Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in dieser Stadt nicht mehr sicher sind. Niemand soll sich hier als Freiwild fühlen", sagt Nils Kößler, Fraktionsvorsitzender der CDU im Römer.

"Zum CSD gehe ich nicht, ich habe Angst", sagt Irlbeck, dem der Schrecken noch in den Knochen sitzt, der immer noch Schmerzmittel braucht, weil der Schläger nicht nur die Faust, sondern einen Schlagring gegen ihn eingesetzt hat, und nach seinem Kopf getreten hat, als er längst am Boden lag. "Da war alles dunkel", so der junge Mann leise.

CDU in Frankfurt fordert mehr Polizeipräsenz

Michael Burkhardt (37) wird am kommenden Wochenende zum CSD gehen, obwohl er am vergangenen Wochenende gleich zweimal hintereinander geschlagen und homophob beschimpft wurde. Früher habe es nur böse Sprüche und Rempler gegeben, seit Corona werde die Stimmung gegen Queere immer aggressiver und auch handgreiflich, so Dragqueen Electra Pain, die im März mit Pfefferspray zu Boden gebracht wurde. Vor allem wünschen sich die Teilnehmer der Gesprächsrunde Sicherheit.

"Wir brauchen einfach mehr Polizeipräsenz hier in der Gegend", sind sich die acht Vertreter der queeren Community einig. Kameras würden abschrecken und vor allem Aufklärung in persönlichen Gesprächen in einem "sicheren Rahmen", die zu mehr Sensibilität führt. Hassreden im Internet seien das eine. Die unerklärliche "Queerophobie" durch "toxische Heteros", die vor keiner Gewalttat zurückschrecken, sei noch viel schlimmer, sagen die Betroffenen.

Auch einige Betroffene fordern mehr Polizei-Streifen auf den Straßen in Frankfurt

Kößler und seine CDU-Kollegin Verena David hören zu, verweisen auf einen Antrag ihrer Fraktion vom April, solche Übergriffe zu dokumentieren und Maßnahmen gegen die tätlichen Angriffe zu erarbeiten. "Die Behauptung der Grünen, dass nicht mehr Polizeipräsenz gewünscht ist, stimmt nicht", so Kößler. Annette Kühn, die den CSD mitorganisiert und freie Aktivistin ist, stimmt zu. "Im Gegenteil. Wir wollen uns sicher draußen bewegen können und nicht permanent damit rechnen müssen, attackiert zu werden. Wenn Polizei vor Ort ist, gibt es automatisch Hemmungen."

Kößler, der lange als Richter gearbeitet hat, will wissen, was für Menschen unvermittelt angreifen. Ein paar junge Männer laufen an der Runde vorbei und grölen lautstark "Olivia Jones", als sie Electra Pain in ihrem pink- und rosa glitzerndem Oberteil sehen. "Müssen wir flüchten?", fragt ein junger Mann, der dabei war, als sein Freund Burkhardt geschlagen wurde, ängstlich. Es seien vorwiegend junge Leute, die in Gruppen aus einem Club kommen, erzählen die Betroffenen.

CDU Frankfurt will Tätergruppen untersuchen lassen

Mal sei Religion ein Vorwand, mal die Angst vor Unbekanntem. Manchmal reiche ein Sticker in Regenbogenfarben aus. Kößler schlägt vor, dies auch wissenschaftlich auswerten zu lassen, um zu klären, ob es bestimmte Gruppen sind, die Gewalt anwenden. Er wünsche sich, dass die Stadt proaktiver gegen die Angriffe vorgeht. "Betroffenheit allein hilft nicht. Maßnahmen sind jetzt nötig. Wenn Leute in dieser Stadt geistig so unterwegs sind, dass sie Gewalt anwenden, muss die Gegenwehr stark sein. So ein Gedankengut darf nicht hingenommen werden", sagt er. Vermehrtes Polizeiaufgebot wie in der Party-Zone in Alt-Sachsenhausen kann auch er sich vorstellen. Die Betroffenen nicken zustimmend und hoffen auf mehr Sicherheit für sie. Beim CSD "und an jedem anderen Tag des Jahres". (red)

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