Raus aus der Schmuddelecke

Das Rhein-Main-Gebiet soll zur „Modellregion“ bei der Versorgung Schwerkranker mit medizinischen Hanfprodukten werden. Stadt und Universität kooperieren in einem Projekt, um die als Schmerzmedikament nutzbare Naturdroge bei Ärzten und Patienten zu etablieren. Ob sich Frankfurt auch für eine generelle Freigabe von Cannabis einsetzen soll, ist aber hoch umstritten.
Ist Frankfurt bald das neue Amsterdam? Ein Kifferparadies am Main, in dem Coffeeshops weniger wegen des Kaffees als für den Genuss anderer anregender Substanzen besucht werden? Diese Vision weist Gesundheitsdezernent Stefan Majer (Grüne) weit von sich. Es gehe nur um die medizinische Anwendung, betont der städtische Grünen-Politiker. Beim Ausbau der Cannabisversorgung für schwerkranke Patienten soll Frankfurt zum bundesweiten Vorreiter werden. Mit dem alltäglichen Cannabiskonsum zur Entspannung und Berauschung habe das nichts zu tun. „Das sind zwei separate Themen, die man nicht vermischen sollte“, sagt Majer. „Damit wir die Diskussion versachlichen und ideologiefrei führen können.“
Studie begleitet Projekt
Das ehrgeizige Projekt stellt die Stadt zusammen mit der Goethe-Universität auf die Beine. Der Medizinprofessor David Groneberg wird eine Studie zur regionalen Cannabisbehandlung erstellen. Unterstützt wird er dabei von zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern, die mit rund 150 000 Euro im Jahr aus der Stadtkasse bezahlt werden – zunächst auf drei Jahre befristet. Erklärtes Ziel ist es, ein Netzwerk von Patienten, Ärzten, Apothekern und anderen Beteiligten aufzubauen, um die Akzeptanz der Cannabismedizin zu verbessern. „Wir wollen erreichen, dass dieses Medikament in einigen Jahren so eingesetzt wird, wie jedes andere auch“, sagt der Sozial- und Umweltmediziner Groneberg. „Wir wollen, dass es raus aus der Schmuddelecke kommt.“
Der medizinische Nutzen von Cannabis, etwa in der Schmerztherapie, ist wissenschaftlich anerkannt. Doch erst seit März ist die reguläre Anwendung gesetzlich erlaubt. Zuvor mussten sich Patienten eine Ausnahmegenehmigung „erkämpfen“, so Regina Ernst, Leiterin des Drogenreferats. Nur rund 1000 Betroffenen in ganz Deutschland sei dies gelungen. Alle anderen wären auf den Schwarzmarkt angewiesen gewesen. Wie groß dieses „Dunkelfeld“ in Frankfurt und Umgebung ist, auch das soll Gronebergs Studie erhellen.
Illegaler Handel
„Ein Teil der Probleme im Bahnhofsviertel ist auch Folge des illegalen Cannabishandels, der sich der sozialen Kontrolle entzieht“, sagt Majer. Zwar sind wohl nur ein kleiner Teil der Käufer Patienten, die sich ihr Mittel künftig auf Rezept in der Apotheke holen. Majer hofft aber, dass die Etablierung des Medizin-Cannabis zu einer allgemeinen Enttabuisierung weicher Drogen führt. „Ich bin auf die Wechselwirkungen gespannt, wenn wir eine staatliche Cannabisagentur haben, die Anbau und Herstellung in guter deutscher Gründlichkeit kontrolliert.“
Deutlich weiter lehnt sich die Frankfurter FDP aus dem Fenster. Sie forderte den Magistrat Anfang des Jahres dazu auf, „ein Modellprojekt zur kontrollierten Cannabisabgabe an Erwachsene zu planen“ – und zwar ohne Arzt und Apotheker, sondern in Coffeeshops nach Amsterdamer Vorbild. Damit, so FDP-Stadtverordneter Uwe Schulz, würde der Kleindealerszene mit einem Schlag das Geschäft verdorben. Der Antrag sei eher symbolischer Natur, räumt der Jurist ein. Die Stadt könne das Betäubungsmittelgesetz nicht ändern und der Bund müsste einem solchen Projekt zustimmen. Andere Kommunen hätten das bereits erfolglos versucht, so Schulz. „Aber steter Tropfen höhlt den Stein.“
Die Magistratskoalition bringt die FDP mit ihrem Vorstoß in Schwierigkeiten. Während beim Thema medizinisches Cannabis parteiübergreifende Einigkeit herrscht, die im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurde, spaltet die Forderung nach allgemeiner Legalisierung die Fraktionen. Während den Grünen die Idee eines Kifferparadieses am Main sicher näherliegt, als dies ihr Gesundheitsdezernent zugeben möchte, warnt die CDU vor der „gesellschaftlichen Verharmlosung“. Wie im Römer über den schon mehrmals aufgeschobenen FDP-Antrag entschieden wird, hängt also wohl an der SPD.