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Rechenzentren erhitzen die Gemüter

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Von: Friedrich Reinhardt

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Vom Lohrberg aus sieht man, wie das Rechenzentrum an der Gwinnerstraße jedes andere Haus weit überragt. FOTO:Reinhardt
Vom Lohrberg aus sieht man, wie das Rechenzentrum an der Gwinnerstraße jedes andere Haus weit überragt. FOTO:Reinhardt © Michael Faust

Was das Stadtteilparlament beschäftigte In unserer Serie blicken wir zurück auf das Jahr in den 16 Ortsbeiräten. Was war das Thema, das den Ortsbezirk in den vergangenen Monaten bewegt und beschäftigt hat? Heute der Ortsbeirat 11 (Fechenheim, Riederwald, Seckbach).

Der erste große Erfolg des Ortsbeirats 11 im Jahr 2022 klingt wie ein Droide aus dem Star-Wars-Franchise. „B558“ repariert aber keine Raumschiffe und spricht nicht mehrere Millionen Sprachen, soll aber verhindern, dass im Gewerbegebiet Fechenheim-Seckbach bald nur noch Rechenzentren stehen und jedes andere Gewerbe verdrängt wird. Am 27. Januar hatten die Stadtverordneten beschlossen, dass der „Bebauungsplan 558 - Gwinnerstraße“ aufgestellt werden soll. Darauf hatte der Ortsbeirat 2021 gedrängt.

Mit dem Aufstellungsbeschluss gab es in diesem Jahr noch einmal viel Arbeit für die ehrenamtlichen Stadtteilpolitiker. Aber auch die Diskussion über den Krieg in der Ukraine und der anstehenden Verkauf des Industrieparks Fechenheim war durch die Rechenzentren-Debatte gefärbt.

Höher als die Bäume im Seckbacher Ried

Vom Lohrberg aus sieht man, was die Stadtteilpolitiker an den Datenzentren stört. Als ein riesiger Klotz überragt ein Rechenzentrum des Betreibers Equinix die Bäumen des Seckbacher Rieds und die anderen Gebäude an der Gwinnerstraße. Nachbarn in der Gelastraße hatten die Bürgerinitiative „Wir wohnen hier“ gegründet und kritisierten, dass Frischluftschneisen blockiert werden, sie klagten über das Brummen von Generatoren auf dem Dach und Versiegelung von Grünflächen. Und sie forderten, die Vielfalt in dem lebendigen Gewerbegebiet zu erhalten.

Betreiber von Rechenzentren haben bereits viele Flächen an der Gwinnerstraße aufgekauft, Anwohner fürchten, dass sich in einigen Jahren ein grauer Klotz, in dem kaum jemand arbeitet, an den nächsten reiht, dass Firmen samt ihrer Arbeitsplätze verdrängt werden.

Die Kritik fand im Ortsbeirat 11 direkten Widerhall. Die Grünen sind die stärkste Fraktion und mit Beate Brink ist eines ihrer Mitglieder auch Teil der BI und Ingo Stürmer, Sprecher der BI, ist auch Sprecher der Grünen in Seckbach. Detailliert arbeitete sich der Ortsbeirat an B558 ab.

Der Bebauungsplan soll gewerblich und industriell genutzte Flächen regulieren und festlegen, wo Rechenzentren entstehen können und wo nicht. Noch bevor die Stadtverordneten beschlossen hatten, den B-Plan aufzustellen, legten Grüne und SPD gemeinsam einen Katalog mit Forderungen für den B-Plan und das Verfahren vor.

Gutachten zur Abwärme

Sie forderten etwa eine Veränderungssperre für das Gewerbegebiet, bis B558 in Kraft ist. Die Auswirkungen der Abwärme auf die Umwelt sollte in einem Gutachten untersucht werden. Auch sollten Maßnahmen vorgeschrieben werden, die das Seckbacher Ried vor Einflüssen durch die Rechenzentren schützen und eine „fossile Großkraftwerksanlage“ sollte ausgeschlossen werden. Die meisten Forderungen wolle die Stadt bei der Planung berücksichtigen, erklärte der Magistrat. Auf eine Veränderungssperre verzichtet die Stadt aber. Einfacher sei es, mögliche Bauanträge erst einmal nicht zu bearbeiten.

In ein neues Licht rückte der wohl folgenschwerste Tag des Jahres die Debatte über Rechenzentren: der 24. Februar, der Tag, an dem die Russische Armee die Ukraine angegriffen hat. Krieg herrscht nun in Europa und damit die Angst, die Nato und mit ihr Deutschland könnten hineingezogen werden. Die Frankfurter Rechenzentren galten nun als „kritische Infrastruktur“ und mögliches Kriegsziel. „Es ist kein Geheimnis, dass Frankfurt durch Rechenzentren, Internetknotenpunkt, Zentrum des europäischen Finanzmarktes und einem der größten Flughafen der Welt ein mögliches strategisches Ziel von Terrorangriffen und bei militärischen Auseinandersetzungen ist“, sagte Thomas Dorn (Grüne).

Welchen Schutz gibt es also für Anwohner für den Katastrophenfall, wollte Dorn wissen. Die Antwort des Magistrats: „Frankfurt verfügt derzeit über keine aktiven öffentlichen Zivilschutzräume“. Für den Zivilschutz sei der Bund zuständig. Er müsse die Gefahrenlage bewerten, erst dann könnten neue Schutzmaßnahmen aufgebaut werden.

Das - teils zutreffende - Stereotyp, das Rechenzentren andere Unternehmen verdrängen, verstärkte am Ende des Jahres dann auch die Sorge um den Industriepark Fechenheim. Der Chemiekonzern Clariant, Eigentümer des 43,6 Hektar großen Chemieparks, hatte angekündigt den Park über das Marklerbüro „Knight Frank“ in einem zweistufigen Bieterverfahren verkaufen zu wollen. In der Ankündigung bewarb das Maklerbüro das Gelände damit, dass er sich „auch für die Zukunftsbranche Rechenzentren“ eigne.

17 Unternehmen haben im Industriepark Fechenheim einen Standort, 1200 Menschen arbeiten hier, der größte Arbeitgeber ist mit 450 Angestellten die Allessa-Gesellschaft.

Politische Hilfe für den Industriepark

Deren Standortleiter Ulrich Haase war im November zur Sitzung des Ortsbeirats gekommen, um politische Unterstützung zu suchen. Er sagte: „Wir konkurrieren stark mit Rechenzentren-Betreibern.“ Er fürchtete deshalb, dass die Chemieproduktion in Fechenheim 2031 endet. Die Grünen schlugen sogar vor, die Stadt solle den Industriepark kaufen - Kosten gemessen am Bodenrichtwert: 122 Millionen Euro. Der Vorschlag wurde von allen Seiten kritisiert. Als „unrealistisch“ (Linke und SPD) oder unwirtschaftlich (CDU). In seiner Haltung gegenüber Rechenzentren war sich der Ortsbeirat aber einig.

Das Stadtteilgremium forderte letztlich in einem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen den Magistrat auf, „ein klares Zeichen für den Erhalt des Industriestandorts zu setzten“. Dafür müsse ein Bebauungsplan für den Industriepark aufgestellt werden. „Insbesondere muss sichergestellt werden, dass dort eine Ansiedlung weiterer Rechenzentren ausgeschlossen ist.“ Die Stadt kündigte an, einen B-Plan für den Industriepark zu prüfen.

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