1. Startseite
  2. Frankfurt

Rettungsdienst am Limit: Frankfurter Notfallsanitäter werden 500-mal täglich gerufen

Erstellt:

Von: Thomas J. Schmidt

Kommentare

Die Notfallsanitäter in Frankfurt arbeiten an der Belastungsgrenze. Oft werden sie unnötigerweise zu Einsätzen gerufen. Doch es mangelt auch an Personal.

Frankfurt - Der Rettungsdienst ist am Limit. Dies wurde bei der jüngsten Sitzung des Sicherheitsausschusses deutlich. Dezernentin Annette Rinn (FDP) stellte einen Bericht vor. Demnach werden die Rettungsassistenten und Notfallsanitäter täglich 500-mal gerufen. Sie seien damit „am Limit des Leistbaren“, heißt es. „Ab circa 560 Rettungsmittelbewegungen pro Tag liegt eine 100-prozentige Auslastung des Gesamtsystems ohne vorhandene Reserven bei maximaler Belastung des Einsatzpersonals vor.“ Zweimal, so berichtete es Markus Röck von der Branddirektion, sei es schon so angespannt gewesen, dass ein Patient in einem Löschfahrzeug ins Krankenhaus gebracht worden ist, weil alle Rettungsfahrzeuge im Einsatz waren.

Häufiger ist, dass noch eine gewisse Reserve besteht - dann jedoch manchmal ein einziges Fahrzeug für ganz Frankfurt. Personalmangel, Krankheitswellen - oft können die Fahrzeuge nicht besetzt werden. Am 6. Dezember etwa sind zeitgleich sieben der insgesamt 50 vorgehaltenen Rettungsmittel ausgefallen - ein nie dagewesener Engpass. „An diesem Tag gelang es nur durch einen enormen Kraftakt der Berufsfeuerwehr und den hohen persönlichen Einsatz der Mitarbeiter, die Versorgung aufrechtzuerhalten“, so die Dezernentin. Dies geschah, indem Personal aus Fortbildungen, Überstundenabbau und Administration abgezogen und im Rettungsdienst eingesetzt wurde. „Dies kann keine Dauerlösung sein.“ Rinn fordert mehr Personal für den Rettungsdienst.

Ein Rettungssanitäter überprüft die Ausstattung im Rettungswagen. Der Rettungsdienst stößt an seine Grenzen.
Ein Rettungssanitäter überprüft die Ausstattung im Rettungswagen. Der Rettungsdienst stößt an seine Grenzen. © picture alliance/dpa

Rettungsdienst in Frankfurt: starke Zunahme der Einsätze

Die Gründe für die Problematik sind vielfältig. Zum einen registriert die Leitstelle seit Beginn des zweiten Quartals eine starke Zunahme der Einsätze. Zudem gab es einen Personalmangel bei einem der Leistungserbringer, die die anderen Beteiligten wie das Deutsche Rote Kreuz und die Feuerwehr zwangen, dies zu kompensieren.

Grundsätzlich haben alle Mitarbeiter auf den Brandwachen eine Ausbildung, die sie befähigt, im Rettungsdienst zu fahren. Es gibt sogar vier Rettungsfahrzeuge für diesen Zweck. Eine Lösung des Personalproblems kann das jedoch nicht sein: Diese Mitarbeiter fehlen zugleich auf der Brandwache, wo ihre Aufgaben dann liegenbleiben. Im schlimmsten Fall, wenn es wirklich brennt.

Fachkräftemangel ist ein großes Thema im Rettungsdienst - hinzu kommt der Stress. „Viele gut ausgebildetete Notfallsanitäter und Rettungsassistenten wechselten seit dem Sommer in ruhigere Rettungsdienstbereiche oder kehrten der Branche den Rücken“, stellte die Branddirektion fest. Derzeit sind in Frankfurt sechs Prozent der Stellen für Rettungsassistenten unbesetzt und acht Prozent der Stellen für Notfallsanitäter. Diese Zahlen sind organisationsübergreifend, gelten also nicht nur für die Feuerwehr, sondern auch für die anderen Beteiligten: Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Fraport, Johanniter-Unfall-Hilfe und Malteser Hilfsdienst.

Frankfurt: Viele Rettungssanitäter verlassen den Beruf aufgrund von Stress

Beim DRK ist die Lage ähnlich kritisch, sagt Benedikt Hart, Leiter des Rettungsdienstes. Er berichtet: „Wir bilden aus, zurzeit 24 Notfallsanitäter, so viel, wie das Regierungspräsidium uns gestattet.“ Das Problem sei jedoch, dass die Mitarbeiter oft nur etwa sechs Jahre im Dienst bleiben und dann den Beruf verlassen. Die Gründe dafür seien vielfältig. Einer davon ist der Stress.

„Die Leute sind nicht frustriert, wenn sie nicht mal dazu kommen, ein Brötchen zu essen zwischen den Einsätzen“, sagt Hart. „Sie sind frustriert, wenn sie hinausfahren und dann auf Patienten treffen, bei denen der Rettungsdienst nichts zu suchen hat.“ Hart plädiert klar dafür: „Die Kassenärztliche Vereinigung muss ihren Teil erfüllen.“ Es könne nicht sein, dass die hausärztliche Notversorgung 116 117 oft nicht zu erreichen sei. „Im Gesundheitssystem gibt es viele Spieler, die ihren Teil erfüllen müssen, sonst fällt das durch bis zum Rettungsdienst“, sagt Hart.

Seine Mitarbeiter leisteten, wie alle im Rettungsdienst, Unfassbares. Sie machten Überstunden, seien oft ohne Pause unterwegs. Wenn dann noch wie jetzt gerade eine Grippewelle hinzukomme, könne es schnell eng werden. Bislang gelingt es dem DRK noch, alle Fahrzeuge zu besetzen. Doch um die hohe Fluktuation zu verringern, den Spaß am Beruf zu erhalten, sei es zwingend, dass der hausärztliche Notdienst leiste, schnelle Hilfe auch komme, wenn man die 116 117 statt der 112 wähle. (Thomas J. Schmidt)

Chris Grüne und Ahmad Fraz sind in Frankfurt als Rettungssanitäter unterwegs. Wir haben sie zwölf Stunden lang begleitet.

Auch interessant

Kommentare