Riederwaldtunnel: Schon einmal hielt der Heldbockkäfer Frankfurt nicht auf

Der Fechenheimer Wald wird gerodet, obwohl dort eine bedrohte Art lebt. Schon in den 1990er-Jahren wusste man in Frankfurt die richtige Lösung.
Frankfurt -Zuletzt ist es ein Käfer gewesen, der den Riederwaldtunnel aufhalten sollte: der Heldbock. Auch wenn Waldbesetzer und Autobahngegner anderes erhofften, führt der Fund der geschützten Spezies nicht dazu, die Fällarbeiten für den A66-Lückenschluss aufzuhalten. Das verwundert nicht, gerade in Frankfurt. Hier kennt man sich bestens aus mit dem Heldbockkäferschutz.
Rebstock: Stadtteil soll entstehen, aber dort lebt der Käfer
Davon zeugt sogar Literatur: „Der Heldbockkäfer (Cerambyx cerdo L.)“ lautet der Titel des Werks von Volker Neumann, bundesweit anerkannter Käferexperte und Naturschützer. 1997 erschien das 70-seitige Büchlein, herausgegeben hat es der heute 91-jährige Alexander Antonow. Sein Ingenieurbüro kümmerte sich damals darum, dass aus dem alten Forschungsquartier des Battelle-Instituts direkt neben dem Opelrondell ein neuer Wohnstadtteil werden konnte.
Das Problem hier, wie auch aktuell an der A66-Baustelle im Fechenheimer Wald: der Große Heldbock. „Wir haben dafür gesorgt, dass der Käfer das Vorhaben nicht verhindert“, erinnert sich Antonow. Es sei der seinerzeitige Planungsdezernent Martin Wentz (SPD) gewesen, von dem der Auftrag für die Planung für das neue Wohngebiet im Rebstockpark kam. Umsetzen sollte es die Philipp Holzmann AG. „Die war damals noch seriös“, sagt Antonow.
Heldbockkäfer: Niemand wusste, dass er in Frankfurt lebt
In vier Stieleichen um die alten Forschungsgebäude herum aber nistete der Heldbockkäfer. Dass die vom Washingtoner Abkommen geschützte Art überhaupt in Frankfurt lebte, war „bis dato gar nicht mehr bekannt“, heißt es im Vorwort des damaligen Holzmann-Vorstandsvorsitzenden Hansjürgen Karrenbauer. Der Eichbock, einst als Schädling Teil der mitteleuropäischen Eichenwälder, ist eine aussterbende Art. Er gilt als sehr ortstreu.
Riederwaldtunnel: Autobahngegner hoffen auf Baustopp wegen Käfer
Ja, es sei „das Gleiche wie heute im Riederwald“ gewesen, sagt der damalige Projektsteuerer Antonow. Dort, im Fechenheimer Wald, will die Autobahn GmbH am Ende rund 1000 Bäume auf 2,7 Hektar fällen. Seit gut eineinviertel Jahren halten Autobahngegner diesen äußersten nordwestlichen Waldzipfel besetzt, haben Baumhäuser errichtet. Vorigen Herbst entdeckten sie den Heldbock, eine Rote-Liste-Art. Stoppt der den A66-Ausbau? Daraufhin schaltete die Autobahn GmbH einen Fachgutachter ein. Der empfiehlt, acht Bäume zunächst nicht zu fällen. So will der Bund nun auch vorgehen und nach den Fällungen die Baustraßen um diese Habitatbäume herumführen.
Auch im Rebstock trafen am Ende 184 geschützte Käfer auf einen friedliebenden, aber pragmatischen Bauingenieur. Alexander Antonow hatte bereits von 1972 bis 1980 erst beim Land, dann bis 1989 in Diensten der Stadt gearbeitet. Als Projektsteuerer schaltete er mit Volker Neumann einen bekannten Fachmann ein. Der empfahl eine Umsiedlung.
Pragmatische Lösung: Einzeln gepflückt und im Stadtwald ausgesetzt
„Wir mussten die Käfer einzeln aus den Bäumen pflücken“, erzählt Antonow, im Mai und Juni 1994 war das. „Dann wurden sie im Stadtwald wieder ausgesetzt.“ Damit das alles klappt, wurde großer Aufwand getrieben: Nachdem viele Käfer eingefangen und Larven abgesammelt waren, wurden die drei alten Brutbäume am 24. April 1995 - vor der im Mai beginnenden Flugzeit der Käfer - vorsichtig gefällt. Die Baumreste wurden per Laster in den Schwanheimer Wald gefahren.
Wie auch heute war der Heldbockkäfer schon vor einem Vierteljahrhundert ein wichtiges Ereignis in der Stadtgeschichte - sogar so wichtig, dass die Verantwortlichen gleich ein ganzes Buch daraus machten. Es solle „ein Licht auf die sorgfältige Vorgehensweise werfen“, lobte Holzmannchef Karrenbauer dabei auch das eigene Unternehmen.
Tom Koenigs: „Mit gutem Willen“ im Artenschutz vieles erreichbar
Und im Nachwort animiert der stattliche Käfer den damaligen Umweltamtsleiter Klaus Wichert und den seinerzeitigen Umweltdezernenten Tom Koenigs (Grüne) zum Philosophieren. „Ein gut gemeinter Akt des Artenschutzes“ sei die Rettungsaktion im Rebstock gewesen, „lächelnde Don-Quichotterie“. Die Tiere in den Schwanheimer Wald zu transportieren sei in der 150 Jahrmillionen alten Geschichte der Käfer nur eine „virtuelle Sekunde in der Geschichte dieser prächtigen Art“, schreiben Koenigs und Wichert. Und Fachmann Neumann schreibt durchaus stolz: Das Vorgehen im Rebstock zeige, „dass mit gutem Willen vieles im Artenschutz möglich und erreichbar ist“. (Dennis Pfeiffer-Goldmann)