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Russlanddeutsche helfen Ukrainern

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Von: Friedrich Reinhardt

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Nach dem Logikkurs von Erika Rohr (rechts) gibt es im Haus der Deutschen Jugend aus Russland für die ukrainischen Kinder Spaghetti mit Pilzsoße. Natalia Wagner (vorne links) leitet das Projekt „Wir helfen in Not“. FOTO: rainer Rüffer
Nach dem Logikkurs von Erika Rohr (rechts) gibt es im Haus der Deutschen Jugend aus Russland für die ukrainischen Kinder Spaghetti mit Pilzsoße. Natalia Wagner (vorne links) leitet das Projekt „Wir helfen in Not“. © Friedrich Reinhardt

Angebote für Kriegsflüchtlinge, um in Frankfurt anzukommen

Erika Rohr hat ein Rätsel für die ukrainischen Kinder vorbereitet. Auf einem comichaft gemalten Bild kommt der Inspektor nach einem Diebstahl in den Raum. Nur zwei Schachspieler sitzen am Tisch, beteuern, nichts gesehen, nur Schach gespielt zu haben. Der Weiß-Spieler hat seinen Turm auf H1 nicht bewegt, er steht noch auf dem schwarzen Feld. Mehr müssten die Kinder nicht wissen, um das Rätsel zu lösen, erzählt die ehrenamtliche Lehrerin mit russischem Akzent. „Die ukrainischen Kinder sind so klug, klug, klug.“ Bei jeder Silbe tippt sie gegen die Stirn. Sie lächelt mit dem ganzen Gesicht. Das Feld H1 müsste weiß sein. Die Männer haben gelogen und das Brett in der Eile falsch herum aufgebaut.

Rohr ist Russlanddeutsche und ihr Logikkurs für Kinder von sieben bis elf Jahren ist einer von vielen, mit dem die „Interessengemeinschaft der Deutschen aus Russland in Hessen“ (IDHR) ukrainischen Geflüchteten bei der Integration hilft. „Wir helfen in Not“, heißt das Projekt, das das Land mit 40 000 Euro finanziert.

282 Kinder kommen mittlerweile

In den Räumen des Offenen Treffs der Deutschen Jugend aus Russland in der Sonnentaustraße 28 finden seit Juli Deutschkurse für Erwachsene statt. Auch für Kinder. Es gibt einen Kreativ-Kurs mit einem kunsttherapeutischen Ansatz, mit dem Traumata gelindert werden sollen. Es wird gesungen, gemalt, gebastelt und Karate geübt. 119 ukrainische Kinder und 163 Erwachsene besuchen die Kurse, die Projektleiterin Natalia Wagner mit ihrem 14-köpfigen Team aus Ehrenamtlichen und Helfern auf 450-Euro-Basis auf die Beine stellt.

Bei all dem gehe es um Frieden, sagt Wagner. Sie erzählt von einer Gruppe Jugendlicher. Manche verstehen nicht, warum sie in Deutschland sein müssen. Ihre Freunde fehlen ihnen. Sie sind aggressiv und haben deshalb Schwierigkeiten daheim und in der Schule. „Ihnen sagen wir: Bringt diesen Krieg nicht nach Deutschland. Verurteilt hier keine Menschen, weil sie Russisch sprechen“, sagt Wagner.

In der Arbeit mit den Geflüchteten greifen Wagner und ihr Team auf eigene Erfahrungen zurück. Viele sind Spätaussiedler, Russlanddeutsche wie Erika Rohr. Sie mussten sich einst selbst in diesem Land zurechtfinden. Nun helfen sie anderen, sich zu integrieren. Und sie helfen der Stadt Frankfurt bei der Integration der Ukrainer.

Kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte sich Albina Nazarenus-Vetter, Geschäftsleiterin des IDRH, gegen den Krieg ausgesprochen. In dieser Zeitung äußerte sie die Hoffnung, dass Putin gestürzt werde. Die klare Positionierung sei wichtig gewesen, sagt sie heute. Als die ersten Geflüchteten in Frankfurt ankamen, habe sie bei Sozialdezernentin Elke Voitl (Grüne) angerufen und gesagt: „Bei der Betreuung könnt ihr mit uns rechnen.“ Da stand Wagner schon als ehrenamtliche Helferin am Hauptbahnhof und hieß die Geflüchteten willkommen.

Allein wegen der Sprache ist die Integrationsarbeit der Russlanddeutschen mit den Ukrainern ein wichtiger Beitrag, da praktisch alle Ukrainer Russisch können. „Einige ukrainische Frauen wollten erst nicht mit uns Russisch sprechen“, erzählt Wagner. „Als sie aber gesehen haben, dass wir die Kinder hier mit ganzem Herzen aufnehmen, haben sie sich geöffnet und sind geblieben.“

Die Frauen seien in einer schwierigen Situation, erzählt Wagner. Sie haben ihre Heimat und ihr Heim verloren und ihre Männer zurücklassen müssen. „Da richtig Mama zu sein, ist schwierig.“ Dass sie in diesem Stress grob zu den Kindern werden, „das müssen wir verhindern“. Und es gelinge. „Mittlerweile sehen wir, wie die Frauen aufblühen.“

Auch die Jugendlichen finden sich langsam zurecht. Erika Rohr hat mit ihnen einen Ausflug nach Marburg gemacht. So haben sie erst innerhalb der Gruppe zueinander gefunden. Im Offenen Treff der Deutschen Jugend aus Russland treffen sie nun auch Jugendliche aus dem Frankfurter Berg. Friedrich Reinhardt

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