Schatzsuche im alten Polizeipräsidium

Restauratoren sichten Baukunst und Verzierungen - der Projektentwickler will nächstes Jahr loslegen.
Frankfurt. Die glänzenden Säulen sehen aus wie neu. „Sie sind aus Fichtelgebirgsgranit“, sagt Quentin Saltzmann. Der Restaurator untersucht gerade mit Kollegen das alte Polizeipräsidium. „Die Säulen sind aus einem Stück gedreht worden.“ Und repräsentativ in der Eingangshalle verteilt. Seit zehn Jahren steht das mächtige Gebäude zwischen Ludwigstraße und Friedrich-Ebert-Anlage. Anfangs, nachdem die Polizei an die Adickesallee gezogen war, gab es hier kurzzeitig einen Nachtclub. „Zehn Jahre Leerstand, das hat sehr viele Schäden angerichtet“, so Saltzmann. Er ist als Restaurator spezialisiert auf Stein: „Alles, was erhaltenswert ist und nicht transportiert werden kann.“ Sein Kollege Martin Maier ist Restaurator für Malerei.
Malerei gibt es auch viel. Damals, als das Präsidium zwischen 1911 und 1914 errichtet wurde, waren zarte Gewölbebögen auf die runden Decken aufgemalt. Unter jahrzehntealtem Putz werden sie bald freigelegt. Eine Besonderheit hat sich auch schon gefunden: Ein Frankfurter Adler prangt auf der Decke des alten Sitzungssaals. Die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung tagte von 1946 bis 1952 in diesem Saal, der der Zerstörung entgangen war.
„Der Adler wurde damals aufgemalt“, fand der Bauhistoriker Falko Ahrendt-Flemming heraus. „Die Betondecke hingegen ist aus der Bauzeit.“ Die Decke war abgehängt mit einer Stuckdecke, später dann, in der Nachkriegszeit, war gleichfalls eine Decke vor dem Adler. Jetzt ist er wiedergefunden worden.
„Das Polizeipräsidium ist hochinteressant“, sagt Saltzmann. „Man findet hier in den Betondecken hochmodernen Ingenieursbau, kombiniert mit dem damals repräsentativen Baustil mit bemalten Glasfenstern, kunstvollen Verzierungen der Treppengeländer, alter Anmutung.“
Dass hier jetzt Bauhistoriker und Restauratoren zugange sind, hat seinen Grund: Das alte Gebäude erwacht aus seinem Dornröschenschlaf. Der Immobilienentwickler Gerch aus Düsseldorf, der das Grundstück 2018 erworben hat, will im kommenden Jahr mit den Bauarbeiten beginnen. Der vordere Teil des Polizeipräsidiums bleibt erhalten und soll auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, ein Bistro ist geplant. „Es wird der Eingang zum Gallus“, sagt Lukas Reichel, Gerch-Projektleiter in Frankfurt. Der hintere Teil - die drei Riegel, die den großen Innenhof umfassen - werden abgerissen. Dort entsteht ein 175 Meter hohes Hochhaus mit Büros und Wohnungen.
Alexander Pauls, Vorstandsmitglied bei Gerch, glaubt an Frankfurt als Investitionsstandort. Eine Milliarde Euro will Gerch im alten Polizeipräsidium investieren „Frankfurt ist es wert. Wir glauben auch nicht, dass die derzeitige Zurückhaltung in Sachen Bau lange anhalten wird.“ Das Grundstück liege zentral, sei eine der wenigen noch freien Flächen. „Wir sind in der Planungsphase“, sagt Pauls. Es gebe viele Abstimmungen mit der Stadt, so etwa wegen der geplanten Tiefgarage. „80 Personen sind in die Planungen involviert. Im kommenden Jahr wollen wir den Bauantrag stellen, und dann ist die Stadt am Zuge.“
Trotz Denkmalschutzes: Ein Teil wird abgerissen
Der hintere Teil des Präsidiums, der abgerissen werden soll, steht noch unter Denkmalschutz. Pauls sieht darin kein Problem, und auch seitens der Stadt rechnet man nicht mit unangenehmen Überraschungen: Janine Sempf vom Denkmalamt versichert: „Schon vor der Ausschreibung, als das Grundstück noch dem Land gehört hat, gab es den Plan für ein Hochhaus hinter dem Präsidium. Da war die Landesdenkmalbehörde zuständig.“ Die Vorbereitungen für die Sanierung des vorderen Riegels und den Abriss der hinteren liefen seit zwei Jahren. Da sei nicht mit Schwierigkeiten zu rechnen.
Projektleiter Reichel weist darauf hin: „Wir haben Bauhistoriker und Restauratoren an Bord. Wir lagern alle alten Bauteile der hinteren Riegel, die Fenster und anderes von 1914, und nutzen sie im vorderen Teil.“ Der Abrissantrag wurde jüngst gestellt.
Das vordere Gebäude ist noch in gutem Zustand: Die Zwischendecken, deren Tragfähigkeit jüngst geprüft wurde, sind stabil. Das alte Dach aus der Nachkriegszeit kann nicht erhalten werden. Doch soll die Aufmauerung des dritten Stockwerks, ebenfalls aus der Nachkriegszeit, abgetragen werden. Stattdessen entsteht die Originalanmutung von 1914 mit einem steileren Dach und vielen Dachgauben. „Dafür gibt es keine statischen Grundlagen mehr. Wir müssen sie neu erarbeiten“, sagt Reichel.
Gerch-Vorstand Pauls lässt trotz aller Unwägbarkeiten nicht Bange machen: Gerch arbeite in Köln, Nürnberg und anderen Städten mit Gebäuden im Denkmalschutz: „Es gibt immer Überraschungen, aber wir sind Problemlöser. Das Präsidium passt zu uns, und wir haben hoch kein Projekt zurückgestellt etwa wegen steigender Zinsen.“ Wenn die Stadt mitziehe, gehe es „mit Vollgas“ in die heiße Phase. Thomas J. Schmidt