„Das ist mal wieder typisch Frankfurt“ – Petition für Dippemess schlägt direkt ein

Nach einem Tag sind fast 1400 Unterschriften für die Petition der Schausteller eingegangen. Sie wollen verhindern, dass die Dippemess den Festplatz verlassen muss.
Frankfurt – Der Ort, an dem Kindheitserinnerungen entstehen, heißt Jahrmarkt, Rummel, Kirmes oder Dippemess. Mit Zuckerwatte, Riesenrad, Autoscooter, Magie und vor allem mit glänzenden Augen. Der Ort, von dem jeder etwas erzählen kann, soll nun verschwinden. Die Stadt prüft, ob auf dem Festplatz eine neue Schule für die Europäische Zentralbank gebaut werden kann. Das wollen weder Besucher noch Schausteller. Eine Petition zum Erhalt schlägt so schnell ein, wie sich das Wellenkarussell dreht.
Schausteller kämpfen für jetzigen Standort der Dippemess – Petition gestartet
Klaudia Mahler (42) hat ein Brötchen mit Bratwurst in der Hand und lässt es fast fallen. „Was? Die Dippemess soll hier weg? Nix da. Das geht ja gar nicht“, sagt sie mit hochgezogenen Augenbrauen und scannt den QR-Code für die Petition ein. Seit ihrer Kindheit geht sie hierhin, ihre Kinder gehen hierhin, „meine Enkel hoffentlich auch“, murmelt sie, während rosa Einhörner und fette Teddys an der Losbude Kinderaugen strahlen lassen, Karussells hupend und blinkend ihre Runden drehen und der unvergleichbare Duft von gebrannten Mandeln, Zuckerwatte, Bratwurst und Nierenspieß in die Nase steigt. „Das ist mal wieder typisch Frankfurt. Da soll was umziehen, was für alle etwas bringt und ein Miteinander bedeutet, aber einen besseren Platz gibt es nicht“, grummelt ein Mann.
Dort, wo das neue Panoramabad gebaut wird, Eislaufen angesagt ist, Eishockey und Fußball gespielt wird, regelmäßig die Dippemess Generationen anlockt, Zirkuszelte aufgebaut werden, will die Stadt das Vergnügen gegen eine Schule für die EZB tauschen. Nach 55 Jahren soll die Dippemess verschwinden, die vorher auf dem Römerberg ihr Zuhause hatte und seit 675 Jahren ein echtes Stück Frankfurt ist.
„Die neue Schule könnte auch in die Josefsstadt. Da könnte sie auch wachsen, es sind dort ohnehin fünf Schulen geplant. Hier im Grüngürtel ist es schon vor der Planung zu eng“, sagt Thomas Roie (58), der 1. Vorsitzende des Schaustellerverbandes Frankfurt Rhein-Main. In sechster Generation lässt er das Wellenkarussell fliegen, sein Sohn Mike (28) betreibt den Kuckuckswirt. Nichts Ungewöhnliches für Schausteller. Roies Onkel Heiner Roie (76) ist in siebter Generation Schausteller und war mit seinem Fahrgeschäft noch auf dem Römerberg.
Besucher des Marktes sind empört über Umzugspläne für die Dippemess
„Wir unterhalten ganze Generationen, die für ihr Vergnügen auf den Platz kommen. Das geht nur mit Familienbetrieben, die Familien verstehen“, so Bubi Husser (49), der ebenfalls mit seinem Sohn (26) die siebte Generation Schausteller darstellt. Markus Eiserloh (45) mit seinen Mandeln ist mit seiner Familie in fünfter Generation dabei, seine Kinder (18, 16) mischen schon mit. Wolfgang Breuer (37) lässt den Kinderverkehrsgarten in sechster Generation mit seinen märchenhaften Wagen rollen. Die Reihe der echten Familienbetriebe lässt sich auf dem gesamten Gelände endlos fortsetzen. Sie alle leben davon, auf der Dippemess, dem Wäldchestag und auf dem Weihnachtsmarkt Vergnügen zu bereiten. Sie locken Besucher aus Nah und Fern an, sorgen für kunterbunte Erinnerungen bei Frankfurtern und Touristen.
Die Sorge um ihre Zukunft und den Spaß der Besucher ist groß. Um gehört zu werden, haben alle Schausteller zusammen die Petition „Dippemess bleibt!“ am Samstag gestartet und haben in den ersten 24 Stunden bereits knapp 1400 Unterschriften gesammelt. Die Plakate an den Buden, Ständen und Karussells fallen auf und sorgen für Empörung bei jungen und alten Besuchern, die die Atmosphäre genießen.
Dippemess in Frankfurt ist für viele ein wichtiger Teil der Kindheit und Jugend
„Wir haben unsere Kindheit und Jugend hier verbracht und kommen heute noch zum Fischbrötchenessen, Riesenradfahren“, sagt Angelika Kummer. „Wir wollen, dass das, was wir und unsere Eltern erlebt haben, auch unsere Enkel erleben können. Wenn ich an meine Fahrten mit dem Jaguar-Express früher denke, bekomme ich Gänsehaut. So wie die jungen Leute jetzt.“ Sie hat einen Garten in der Kleingartenanlage, die ebenfalls als gefährdet gilt. „Es gibt keine besseren Orte für alle. Orte, an denen jede Menge friedliche Menschen raus aus dem Trott kommen und ein paar schöne unbeschwerte Stunden verbringen können“, findet Turgut Iscen. Sie haben die Petition ebenfalls sofort online unterschrieben. „Es geht ganz einfach. Anklicken, Name und E-Mail einfügen, abschicken und die Bestätigungsmail im Posteingang bestätigen.“ Die Petition ist unter www.change.org mit dem Suchwort „Dippemess“ zu finden. (Sabine Schramek)