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Schmutzige Luft nachträglich säubern

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23 Filtersäulen stehen in Stuttgart am Neckartor am Straßenrand. Sie filtern Feinstaub und nach einer Aufrüstung auch Stickoxide aus der Luft
23 Filtersäulen stehen in Stuttgart am Neckartor am Straßenrand. Sie filtern Feinstaub und nach einer Aufrüstung auch Stickoxide aus der Luft © picture alliance/dpa

Könnten Filtersäulen helfen, das Dieselfahrverbot 2021 zu vermeiden?

Frankfurt -Ob die Luft mit Filtern besser wird, ist umstritten. Stickstoffdioxid aus der Luft zu fischen - und so mögliche Fahrverbote für Dieselautos zu vermeiden - wurde in verschiedenen Städten probiert. Für Frankfurt ist dies nicht vorgesehen. Dies erklärte Umweltdezernentin Rosemarie Heilig jüngst auf eine Anfrage der AfD.

"Es ist doch eine Augenwischerei! Wir brauchen die Verkehrswende", sagte Heilig gestern dieser Zeitung. Hingegen sei es unsinnig, den Schmutz erst in die Luft zu bringen und dann für teures Geld wieder herauszufiltern. "Warum ist denn unsere Industrie nicht so weit? Die Laster der FES zu elektrifizieren ist fast unmöglich." Bei Elektrobussen versage die deutsche Industrie bislang völlig. "So geht das nicht. Wir können nicht mit Stickoxidfiltern an den Symptomen kurieren, wir müssen endlich die Verkehrswende hinbekommen."

Andere sind anderer Meinung. Schon im Februar 2019 antwortete Heilig auf eine Anfrage der AfD. Diese hatte gefragt, ob sich mit Filtern das Stickoxid an hochbelasteten Straßen senken ließe. Heiligs Antwort damals war, dass es - zu diesem Zeitpunkt - Filtersysteme für Feinstaub gebe, solche gegen Stickoxide jedoch noch in der Erprobung seien.

Jetzt, fast zwei Jahre später, fragte die AfD noch einmal. Heilig verwies in ihrer Antwort auf die hochbelastete Messstelle "Am Neckartor" in Stuttgart. Dort "wurden im Rahmen eines Pilotprojekts 23 Filtersäulen zur Minderung der Stickstoffdioxidbelastung eingesetzt. Die Belastung sank nach einem Jahr Betrieb um neun Prozent." Unklar bleibe jedoch, welchen Einzelanteil die Filtersäulen daran hatten. Deutschlandweit sind die Stickoxide zurückgegangen, an der Frankfurter Messstation Friedberger Landstraße um knapp zehn Prozent von 2018 auf 2019 - "ohne den Einsatz von Filtersäulen", so Heilig. Die nachträgliche mechanische Reinigung eines hochverdünnten Schadstoffgemischs in der Außenluft bedeute einen erheblichen energetischen und finanziellen Aufwand, so Heilig. Der Magistrat sehe die Luftfiltersäulen als ungeeignet und unverhältnismäßig an.

Das Verkehrsministerium Baden-Württembergs, verantwortlich für den Pilotversuch in Stuttgart, bestätigt Heiligs Zahlen: Demnach wurden 23 Filtersäulen eingesetzt, bestehend aus je drei Würfeln von etwa einem Meter Seitenlänge.

Seit Dezember 2018 sind die Säulen am Neckartor in Betrieb. Die Ergebnisse: "Im Mittel wird eine Minderung von neun Prozent der Belastung mit Stickstoffdioxid, das heißt von vier bis fünf Mikrogramm pro Kubikmeter, im Bereich des Gehwegs und nahe an den Gebäuden sogar eine Abnahme von 10 bis 19 Prozent erreicht. Die Untersuchungen mit Fokus auf Feinstaub PM10 ergaben eine Minderung im Mittel von über zehn Prozent." Das Verkehrsministerium in Stuttgart sieht in den Luftfiltersäulen einen geeigneten Beitrag, Stickstoffdioxid und Feinstaub zu mindern.

Die Filtersäulen werden hergestellt von Mann+Hummel GmbH & Co. KG. Thomas Michalak, dort Vertriebsleiter Public Air Solutions, stellte gestern klar: "Wir haben die Wirksamkeit der Filter getestet, indem wir sie zu verschiedenen Zeiten an- und abgeschaltet haben." Aus den zeitgleichen Messungen des Stickoxids ließ sich klar erkennen: Wenn die Säulen ausgeschaltet waren, stiegen die Werte um neun Prozent im Mittel an. "Alle sonstigen Maßnahmen in Stuttgart, etwa die Geschwindigkeitsbeschränkung, kamen noch hinzu. Wir können sagen, dass die neun Prozent Minderung wirklich nur auf unsere Reinigung zurückzuführen ist." Die Kosten einer Filtersäule beziffert Michalak mit 21 500 Euro. Hinzu kommen die Kosten für das Fundament und die Betriebskosten, je nach Stärke der Filterung also bis zu 1,5 Kilowatt Strom.

In Frankfurt gibt es momentan kein Dieselfahrverbot. Der Luftreinhalteplan des Landes, vor einigen Tagen in Kraft getreten, ist umstritten. Die Deutsche Umwelthilfe hat angekündigt, den Plan zu prüfen und unter Umständen erneut zu klagen. Der Luftreinhalteplan sieht vor, dass im April 2021 geprüft wird, ob ab Juli ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge der Schadstoffklassen vier und schlechter in der Umweltzone angeordnet wird. Dies geschieht, wenn die Grenzwerte für Stickstoffdioxid zwischen April 2020 bis März 2021 überschritten wurden. Ausweislich des Umweltbundesamtes lagen die Stickoxid-Werte im Jahresmittel 2019 in Frankfurt meist über 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft: am Börneplatz bei 51, nur knapp unter dem berüchtigten Stuttgarter Neckartor, Am Erlenbruch 130 (Riederwald) bei 50, Am Erlenbruch 80 bei 44 und in der Friedberger Landstraße bei 42 Mikrogramm. Damit droht das Fahrverbot. Die Stationen Höchst, Frankfurt Ost, Römerberg und Haenischstraße liegen unter dem Grenzwert. thomas j. schmidt

Kommentar: Wahl zwischen Stickoxid und CO2

Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe droht mit einer Klage gegen den Luftreinhalteplan des Landes. Er sei nicht streng genug. Doch auch mit diesem Plan drohen den Frankfurtern ab Juli 2021 Fahrverbote für ihre alten Diesel, Schadstoffklasse 4. Das wäre wirklich ein Schlag ins Kontor einer Pendlerstadt. Dagegen muss getan werden, was getan werden kann. Stuttgart und andere Städte haben Luftreiniger eines Baden-Württembergischen Herstellers aufgestellt. Die Messwerte verbessern sich von Jahr zu Jahr, fast überall in Deutschland, aber sie sind nicht gut genug, ein Fahrverbot zu vermeiden. Ein Luftreiniger könnte an der Friedberger Landstraße helfen, unter die Schwelle von 40 Mikrogramm zu kommen. Am Börneplatz würden auch 23 Reinigersäulen wie in Stuttgart nicht helfen.

Klar ist, die Autos müssen sauberer werden, und die Autoindustrie ist hier in der Pflicht. Klar ist aber auch, die Verteufelung des Diesels in den vergangenen Jahren - Jürgen Resch sei's gedankt - hat zu mehr Kohlendioxid geführt. Von diesem Treibhausgas stoßen die Benziner einfach mehr pro Kilometer aus, und Benziner werden jetzt statt des Diesels gekauft. Elektrofahrzeuge sind übrigens auch keine Lösung. Laut einer Studie von Johanneum Research im Auftrag des ADAC muss das Elektroauto 219 000 Kilometer unterwegs sein, um klimafreundlicher zu sein als ein Diesel. Konkurrenzlos vorne liegt laut dieser Studie das Erdgasfahrzeug. Vielleicht ist das die intelligentere Alternative?

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