Schneller durch den S-Bahn-Tunnel
Seit mehr als vier Jahren bringt die Bahn das Nadelöhr für den Nahverkehr auf den neuesten Stand. Ab August sollen die S-Bahnen dann schneller fahren. Ein Blick in den Tunnel.
Nachts um halb zwei in Frankfurt: Während die einen schlafen, sind die Arbeiten im S-Bahn-Tunnel in vollem Gange. Jeden Morgen treffen sich Bauarbeiter auf dem Gleis am Lokalbahnhof, ausgestattet mit leuchtender Warnkleidung, Helmen und Stirnlampen. Ihre Mission: Schleifen, Kabel verlegen, Signale installieren auf der mehr als sechs Kilometer langen unterirdischen Strecke.
Bis August dieses Jahres soll das Mammutprojekt im „City-Tunnel“ beendet sein: Dann ist nach vier Jahren ein elektronisches Stellwerk installiert. Die Technik funktioniert digital per Sensoren und Glasfaserkabel, Züge fahren nahezu automatisch, der Fahrdienstleiter in der Betriebszentrale regelt Signale und Weichen per Mausklick. Während er dann auf bis zu fünf Monitore blickt, müssen die Verantwortlichen mit alten Relaisstellwerken noch an sogenannten Stelltischen schematisch nachvollziehen, wann welcher Zug rollt.
Um die moderne Version in Betrieb zu nehmen, arbeiten werktags bis zu 60 Menschen zwischen halb zwei und um vier Uhr morgens im Tunnel. Weil man „unter laufendem Rad“, sprich während des Betriebs, modernisiere, dauerten die Arbeiten eben so lang, sagt Projektleiter Matthias Körner. Insgesamt kostet das neue Stellwerk rund 100 Millionen Euro.
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Signale für Zeitpuffer
Doch das ist nicht genug: Die Bahn und der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) zielen auf schnellere Geschwindigkeiten im S-Bahn-Tunnel ab. „Mit dem elektronischen Stellwerk installieren wir auch neue Signale“, erklärt Körner. „Die Züge können so auf einzelnen Abschnitten schneller fahren.“ Statt Tempo 60 fahren die Züge dann bis zu 80 Kilometer pro Stunde zwischen Hauptbahnhof und Hauptwache und ab Ostendstraße. Dank der neuen Anlagen könne der Fahrzeugführer vorausschauender fahren und damit früher in der nächsten Station ankommen. „Das heißt nicht, dass mehr Züge durch den Tunnel fahren“, sagt RMV-Sprecher Sven Hirschler. Es entstehe aber ein Zeitpuffer, der bei Stoßzeiten an den Stationen Hauptwache und Hauptbahnhof Verspätungen auffangen und einen pünktlicheren Betrieb ermöglichen soll. Das Unterfangen koste Bahn und RMV zusätzlich 3,8 Millionen Euro.
Im Tunnel riecht es nach Diesel und die Luft ist stickig. Am Abzweig Richtung Mühlberg liegt die meistbefahrene Weiche, ein Paar Meter weiter steht Körner unter dem tiefsten Punkt im Tunnel: Zwischen Sohle und Oberfläche liegen hier rund 26 Meter. Bis zum 1. März klettern die Bauarbeiter hier runter und steigen auf Hebebühnen, um die neuen Signale anzubringen. Dann beginne der spannende Teil, so Projektleiter Körner. Im Schritttempo fahren die S-Bahnen die Strecke entlang, testen die Signale. Schließlich wird die komplette Anlage vom Eisenbahn-Bundesamt abgenommen. Sind die Sommerferien vorbei und das Projekt abgeschlossen, hat Körner ein neues Projekt: Urlaub.
Auslastung am Limit
Täglich fahren rund eine halbe Million Fahrgäste mit der S-Bahn durch den Tunnel. „Wir sind an der Schmerzgrenze“, sagt RMV-Sprecher Hirschler. Schon kleine Störungen bringen das ganze System aus dem Takt. Daher setzen RMV und Bahn nicht nur auf die neue Technik mit automatisierten Zeitpuffern, sondern auch auf menschliche Unterstützung. Die Einstiegslotsen an mehreren S-Bahn-Stationen sollen auch nach Ende der Testphase im August im Einsatz sein, um die Fahrgastmassen zu lenken und die Pünktlichkeit der Züge zu erhöhen. „Wir haben den Kampf um jede Sekunde aufgenommen“, betont Verbundgeschäftsführer André Kavai.