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Schuldenberg: Taubenrettern in Frankfurt geht das Geld aus

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Tauben gehören zu Frankfurt wie der Main – gemocht werden die Vögel aber selten. Sie werden vertrieben, sogar gequält oder getötet. Das Stadttaubenprojekt versucht, das Zusammenleben zwischen Mensch und Tier friedlich zu ordnen – doch jetzt steht es vor dem Aus.

Gudrun Stürmer, Begründerin und Leiterin des Vereins Stadttaubenprojekt, weiß nicht mehr, wo sie anfangen soll: Mit 15 000 Euro steht der Verein schon bei einem Futtermittelhändler in der Kreide. Und von Tag zu Tag wächst der Schuldenberg – finanzielle Unterstützung ist keine in Sicht. Doch Stürmer und ihre Mitstreiter können nicht einfach aufhören, die Tauben auf dem Oberräder Gnadenhof zu füttern oder auszurücken, wenn irgendwo ein verletzter Vogel gefunden wird. Hunderte verletzte und kranke Tauben versorgen und pflegen Mitarbeiter des Verein. Allein in diesem Jahr hat das Stadttaubenprojekt in seinem Gnadenhof 3000 geschwächte Tauben aufgenommen. Seit dem Jahr 2010 waren es rund 10 000 der Vögel. Von Jahr zu Jahr werden es mehr.

Vor drei Jahrzehnten hatte das Ehepaar Gudrun und Karlheinz Stürmer in seinem Bockenheimer Keller damit begonnen, kranke Tauben aufzupäppeln, fand später Mitstreiter, gründete den Verein. Im Jahr 2006 übernahm das Stadttaubenprojekt den Gnadenhof in Oberrad von einem Kleintierzuchtverein und setzte seine Arbeit dort in größerem Maße fort. Es betreibt zudem mehrere Taubenhäuser.

Nicht wenigen erscheint diese Arbeit als übertriebene Tierliebe, sie denken an den Kreißler-Hit vom Taubenvergiften im Park. Tauben gelten wegen ihres Kots als Keimschleudern, mindestens verschmutzen sie Gebäude und Plätze, ihnen nachzuputzen ist teuer. Und in diesem Sinne profitiert Frankfurt von der Arbeit des Vereins: Würden angeschlagene Tiere in der Mainmetropole oder umliegenden Städten nicht eingesammelt, würden sie auf offener Straße oder im eigenen Hof sterben und verwesen. Und mit den drei Taubenhäusern sorgt der Verein dafür, dass zumindest an einigen Orten in der Stadt weniger Vögel leben als noch vor Jahren. Am Westbahnhof, auf dem Parkhaus an der Hauptwache und an der Messe betreiben die Tierschützer solche Häuser. Die Vögel werden dort gefüttert, ihr Kot bleibt größtenteils in den Häusern oder wird rundum von Vereinsmitarbeitern entfernt. Die Nachbarn bleiben vom Dreck der Tiere weitgehend verschont.

Zudem sind die Taubenhäuser das bislang erfolgreichste Mittel, um die Taubenpopulationen zu verkleinern: Sobald sich die Vögel in einem der drei Schläge niedergelassen und dort ihre Nester gebaut haben, tauschen die Tierschützer ihre Eier gegen Gipseier aus. Tauben bemerken den Schwindel nicht. Vor der Errichtung des Taubenhauses am Westbahnhof im Jahr 2006 wurden dort 716 Tauben gezählt, im Jahr 2013 noch 483.

Der Verein sorgt damit nach eigener Ansicht für eine tiergerechte und ethisch vertretbare Bestandsreduzierung. Davon könne bei anderen Taubenabwehrmitteln wie Netzen, Dornen oder der illegal eingesetzten Taubenpaste, an der die Vögel festkleben und sich das Gefieder ausreißen, nicht die Rede sein.

Bundesweit einzigartig

Das Stadttaubenprojekt und sein Gnadenhof sind bundesweit einzigartig. Doch jetzt bedrohen die Schulden seine Existenz. Die Stadt Frankfurt bezahlt dem Stadttaubenprojekt fast 20 000 Euro jährlich. Private Gönner unterstützen die Arbeit auf dem Gnadenhof. Doch das Geld reicht nicht mehr. Stürmer schätzt, dass ihr Verein 20 000 Euro mehr pro Jahr benötigt. Das läge auch daran, dass mit der Zahl der aufgenommenen Tauben auch die Tierarztkosten steigen – und die Fahrtkosten, da sich immer häufiger Bürger melden, die verletzte Tauben gefunden haben.

Profiteure zahlen nicht

Die 20 000 Euro aus der Stadtkasse sind durchaus gut angelegtes Geld, das Stadttaubenprojekt übernimmt ja Teile einer kommunale Aufgabe. Hört der Verein auf zu existieren, ist zu erwarten, dass sich die Tiere rasanter verbreiten und mehr verletzte und kranke Vögel in den Straßen auftauchen. Dann müssen Frankfurts Behörden sich der Aufgabe selbst widmen. Die Kosten für Vergrämungsmaßnahmen und Schädlingsbekämpfer dürften höher liegen als der derzeitige Zuschuss für den Verein.

Aber dass die Stadt dem Verein kurzfristig aus der finanziellen Misere hilft, ist unwahrscheinlich. „Der Haushalt für das Jahr 2018 liegt jetzt im Entwurf vor. Man muss sehen, wo Spielraum besteht“, sagt Christian Becker, Vorsteher vom Ortsbeirat 5, zu dessen Zuständigkeit auch Oberrad und der Gnadenhof zählen.

Stürmer weiß, dass die Stadt, wenn überhaupt, erst in ein paar Wochen oder gar Monaten weiteres Geld für das Stadttaubenprojekt locker machen könnte. Sie hofft daher auf private Spender und vor allem auf jene, die von der Arbeit des Stadttaubenprojekts profitieren, es aber nicht fördern: „Dazu zählen zahlreiche Autohäuser auf der Hanauer Landstraße, wo wir Tauben in den Verkaufshallen gefangen haben, Supermärkte und auch Wochenmärkte.“ Auch Kirchengemeinden könnten sich beteiligen. „Schließlich nutzt das Christentum die Taube als Symbol“, gibt Stürmer zu bedenken. Die meisten Gemeinden investierten aber lieber in Schädlingsbekämpfer und deren teure Taubenabwehrmaßnahmen, anstatt dazu beizutragen, „den Krieg gegen ihr Friedenssymbol zu beenden“.

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