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Sehbehinderte spielen jetzt bei der Eintracht

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Rainer Jost (vorne), Daniela Preis (hinten, von links) üben Blinden-Tennis. Der Ball ist dabei zu hören.
Rainer Jost (vorne), Daniela Preis (hinten, von links) üben Blinden-Tennis. Der Ball ist dabei zu hören. © Rainer Rueffer-- FRANKFURT AM MA

Die Tennisabteilung der Eintracht hat besondere Neuzugänge: Sehbehinderte erobern die Courts am Riederwald.

Noch sind die Aufschläge von Daniela, Rainer, Sonja und Eva recht zaghaft. Doch allen Spielern gelingt es bereits, den Ball präzise zu Trainer Samuel zu spielen, der diese erst einmal auffängt. Schwieriger ist es indes, den Ball zu zurückzuspielen. Doch es ist nicht so unmöglich, wie es sich die meisten wohl vorstellen, die das erste Mal von dem Hören, was die Vier hier gerade spielen: Blinden-Tennis lautet die Disziplin. Für Sehende mag das tollkühn oder sogar ungeheuerlich erscheinen. Für die Vier ist es jedoch nur noch eine Frage der Zeit, bis sie sie beherrschen.

„Einmal das Halbfinale bei einer Meisterschaft zu erreichen, wäre toll“, sagt Rainer Jost. Er ist der Initiator der neuen Gruppe bei der Eintracht: Insgesamt sieben Leute trainieren in der Traglufthalle am Riederwald. Alle sind sehbehindert. Manche nehmen noch Unterschiede in der Helligkeit war, andere haben ein extrem eingeschränktes Sichtfeld und wieder andere sind vollkommen blind. Dass es sich hier nicht um Tennis handelt, wie man es sonst kennt, offenbart sich dem Besucher beim ersten Auftreffen des Balls auf den Boden. Statt des typischen dumpfen Dotz-Geräusches rasselt es bei jedem Aufprall. Was man hört sind Metallstäbe im Inneren der Soft-Bälle. Sie bewirken, dass die Bälle für die Sehbehinderten besser wahrnehmbar sind. So wissen sie, wo sie hinlaufen und -schlagen müssen.

Kleine Abweichungen

Ansonsten gibt es nur kleine Abweichungen vom „Sehenden-Tennis“: Die Sehbehinderten dürfen den Ball zwei bis drei Mal, je nach Grad der Behinderung, aufkommen lassen, bis sie ihn zurückspielen. Überdies wird auf einem kleineren Platz und mit einem etwas niedrigeren Netz gespielt. Bis zum normalen Eins-gegen-eins-Spiel wollen die Frankfurter noch kommen. Die Gruppe trainiert erst seit wenigen Wochen und macht schon gute Fortschritte. Dabei sind sie echte Vorreiter: Es ist die erste Blinden-Tennis-Gruppe in Hessen.

Michael Otto, Leiter der Tennis-Abteilung bei der Eintracht, freut sich riesig über die neuen Sportkameraden: Man habe fast den Eindruck, die Spieler sähen den Ball, sagt er. So präzise würden sie die Bälle ansteuern. Unter den Spielern befinden sich übrigens einige echte Tennisfans: Patrick Hechler erinnert sich etwa noch genau, wie er mit 14 Jahren Zeuge wurde, als Boris Becker 1985 in Wimbledon gewann. „Schade, dass ich nicht Tennis spielen kann, habe ich mir damals gedacht“, erinnert sich der Praunheimer. „Und heute stehe ich doch auf dem Tennisplatz.“

Seine Mitspielerin Daniela Preiß ist ebenfalls ein großer Tennis-Fan. Sie war schon auf diversen Turnieren. Zudem nutzt sie ihre Tätigkeit als Biografin und Lektorin auch immer wieder, um mit Sportlern in Kontakt zu kommen, wie sie erzählt. Die Bewegung auf dem Platz tue ihr gut, sagt sie. Dass sie sich dafür immer wieder nach dem Ball bücken muss und sich die Bewegungsabläufe nicht abschauen, sondern nur durch die Vermittlung abhören oder abfühlen kann, ist für sie kein Hinderungsgrund. „Jeder Sport ist schlussendlich mühsam“, sagt sie. Tennis-Anfänger hätten es immer schwer – auch die Sehenden.

Auch die Trainer lernen

Spaß bei der Sache haben übrigens auch die beiden Trainer Jana Müller und Samuel Speicher, wie beide betonen. „Ich lerne derzeit mehr als die Sehbehinderten“, sagt Müller. Sie frage viel nach, um festzustellen, welche Art von Anweisungen hilfreich seien. Ein Beispiel: Statt ihre Tennisschüler auf dem Platz nur mit den Richtungsanweisungen rechts und links abzuspeisen, nutzt sie jetzt Uhrzeit-Angaben als Orientierungshilfe. Müller und Speicher finden die Arbeit sehr angenehm, denn die Spieler seien „top motiviert“.

Für Initiator Rainer Jost ist das Training übrigens erst der erste Schritt: Er will seinen Teil dazu beitragen, das Blinden-Tennis in Deutschland voranzubringen. Denn hierzulande gäbe es bis jetzt allenfalls Freundschaftspiele zwischen den wenigen existierenden Gruppen. Allerdings: Für all das brauchen die Sportler nicht nur mehr Training und Zeit, sondern auch Geld. Gerne möchten sie nämlich auch Sehbehinderten den Sport ermöglichen, die ihn sich nicht leisten können. Deshalb sind sie derzeit auf der Suche nach Sponsoren und Förderern. Wer Interesse an der Gruppe hat oder sie unterstützen möchte, kann per E-Mail an otto@tennis-eintracht.de Kontakt aufnehmen.

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