Signore Orlandi war der Padrone im Palast

Er diente unter sechs Oberbürgermeistern und geht nach 35 Jahren in Rente
"Rimanere padrone della situazione - immer Herr der Situation bleiben", das ist eine italienische Maxime. Nach ihr hat Alfio Orlandi 35 Jahre lang Dienst getan, auch wenn er nicht der Herr im Palast war - die gute Seele war er auf jeden Fall. Nach 35 Jahren geht er heute in den Ruhestand. Unter sechs Oberbürgermeistern hat er Dienst getan und mit drei Verwaltungsstellenleitern zusammengearbeitet. Er sagt: "An die Rente hab' ich nie gedacht, aber jetzt muss ich gehen."
Geboren und aufgewachsen ist der heute 65-Jährige in Mittelitalien, in Urbino, südwestlich von Pesaro. In Cattolica in der Provinz Rimini hat er als junger Mann in einem Hotel gearbeitet - und von den Touristen Deutsch gelernt. Einer dieser Touristen sprach ihn eines Tages an, bot ihm einen Job an: Es war Helmut Schlott vom "Hotel Schlott" in Höchst.
Also ging Alfio Orlandi im Anschluss an die Saison im Herbst 1978 nach Deutschland. "Ich wollte nur zwei, drei Monate bleiben." Doch er sei von den Schlotts so gut aufgenommen worden, dass er immer wieder verlängerte. Im Hotel war er Kellner oder Nachtportier - was gerade anfiel. Er fand Freunde, spielte bei "Primavera" in Hofheim Fußball und lernte dann seine Frau Bertina kennen. Sie arbeitete als Sekretärin im Höchster Klinikum und brachte ihn 1985 dazu, sich bei der Stadt auf die freie Hausmeisterstelle im Bolongaropalast zu bewerben, denn mit den Tag- und Nachtdiensten sollte nun Schluss sein; die beiden hatten geheiratet und ein Haus neben dem ihrer Eltern in Schloßborn gebaut.
Den Job bekam er - damals noch von Alfons Kaiser, der die Verwaltungsstelle in Höchst leitete. Als Kaiser in Rente ging, kam Dieter Butz - den Alfio Orlandi schon kannte: "Er war Chef der Personalabteilung im Klinikum. Der Chef meiner Frau wurde jetzt mein Chef." Auf Butz folgte Henning Brandt, und die beiden Männer verbindet viel: Ihre Leidenschaft für Fußball und für den Sport allgemein. Orlandi ist mit seinem Chef an der Nidda laufen gegangen, und das, obwohl er bis vor ein paar Jahren noch täglich mit seinem Rennrad von Schloßborn zur Arbeit fuhr. "Zurück dann gern mal über Eschborn, Oberursel und den Feldberg." Dass Orlandi fünf Mal bei "Rund um den Henninger Turm" mitgefahren ist, erwähnt er fast beiläufig - kein großes Ding.
Orlandis Hausmeisterbüro war auch Poststelle; täglich ist er mit der Amts-Post in den Römer gefahren und hat mit seinem bunt beklebten Auto den Frankfurter Westen repräsentiert. Im Römer wollte man ihn auch mal als OB-Fahrer haben. "Aber ich habe Höchst die Treue gehalten." Als Italiener in einem von einer italienischen Familie gebauten Palast zu arbeiten, das habe ihm viel bedeutet: "Als ich mich in die Geschichte der Bolongaros vertieft habe, ging es mir unter die Haut."
Nach seinem Ausscheiden aus dem Beruf wollte er eigentlich seine Geschwister in der Heimat besuchen, doch das geht wegen Corona nun nicht. Seine Tochter Deborah (23) studiert in Rom Wirtschaftsmanagement, sein Sohn Raphael (35) ist bei der Fraport. Alfio Orlandi will sich nun noch mehr um seine Schwiegereltern kümmern, aber in Höchst immer mithelfen, wenn er gebraucht wird - etwa beim Suppenfest. Eines weiß er ganz sicher: "Der Bolongaropalast wird mir sehr fehlen." Holger Vonhof