So sind Thom Hechts Tanzkurse für Seniorenheim

Keine rosafarbenen Tutus oder aufwendige Hochsteckfrisuren – bei den Ballettkursen im „Bettinahof“ brauchen die Tänzer zum Mitmachen nur einen Stuhl. Demi-Ballett heißt der Kurs, den Lehrer Thom Hecht in dem Seniorenheim anbietet. Für Menschen mit und ohne Demenz.
Zwölf Frauen und ein Mann sitzen im Kreis, auf einem Stuhl oder im Rollstuhl. Auch Thom Hecht hat Platz genommen, direkt vor dem Weihnachtsbaum sitzt der ganz in schwarz gekleidete Balletttrainer, so hat er all seine Tänzer gut im Blick. Die sind etwas älter als die Eleven, die er sonst unterrichtet. 80 Jahre alt sind die jüngsten Tänzerinnen, der einzige Mann in der Runde ist auch zugleich der älteste Teilnehmer – mit 101 Jahren.
„Fürs Ballett ist man nie zu alt. Es mag zwar nicht mehr fürs Staatsballett reichen, aber es hält jung und fit“, sagt Hecht, Leiter des „Thom Hecht Ballettförderzentrums“ auf dem Riedberg. Seit eineinhalb Jahren bietet er jetzt das sogenannte Demi-Ballett im Seniorenheim „Bettinahof“ in der Altenhöferallee an. Für Menschen mit und ohne Demenz. Mit dieser Idee ist Hecht Pionier, ein vergleichbares Angebot gibt es deutschlandweit seines Wissens nach nicht. Während seines Tanzstudiums beschäftigte er sich im Nebenfach mit dem sozialen Engagement mit unterdrückten Gruppen. „Meine Idee war schon damals, das eigentlich elitäre Ballett für Menschen zu öffnen, die vielleicht nicht den perfekten Körper haben. Dazu zählen eben auch ältere Menschen“, erklärt Thom Hecht zur Entstehung des Angebots.
An die Grenze
Aus dieser Idee ist mittlerweile ein unverzichtbarer Kurs geworden – da sind sich die Bewohner einig. Frieda Getreu ist seit der ersten Stunde mit dabei, lediglich einmal hat die 87-Jährige gefehlt. „Da war ich wirklich krank, sonst komme ich immer“, betont sie. Es mache ihr großen Spaß zu tanzen, auch wenn die Übungen sie manchmal an ihre Grenzen bringen. Mitmachen muss jeder nur soviel er kann. Allerdings puschen die Teilnehmer sich gegenseitig, nicht selten wachsen sie so über sich hinaus. „Manche Übungen, wie das Bein zu heben, haben am Anfang nur eine Minute gedauert. Jetzt sind wir schon bei vier Minuten“, so Hecht.
Untermalt werden die Übungen von Musik, wie beim richtigen Ballett auch. Sie nimmt die Teilnehmer mit auf eine Reise, sagt der Ballettlehrer. Getanzt werden Teile aus bekannten Stücken, wie aus Dornröschen oder dem Nussknacker. Eben nur nicht auf der Bühne, sondern im Stuhl. Das war für Hecht zunächst eine Herausforderung. Er wandelte die Choreographien etwas ab. Beim eigentlichen Sprung werden jetzt eben die Beine überkreuzt, während die Arme einen Bogen bilden.
Wichtig ist für Thom Hecht, dass die Teilnehmer mit geradem Rücken tanzen. So sei die Belastung nicht ganz so hoch, die Übungen könnten sauberer ausgeführt werden. Korrigiert wird von ihm aber keiner während des Tanzens, wer nicht mehr kann, stützt seine Arme auf der Lehne ab oder setzt für ein paar Minuten aus.
Kognitives Training
Wenn es für sie zeitlich machbar ist, dann nimmt auch Alexandra Leidig an der Ballettstunde teil. Sie ist Leiterin der sozialen Betreuung und bekommt hautnah mit, wie gut Hechts Kurse bei den Bewohnern ankommen. „Es ist nicht nur die körperliche Anstrengung, es ist auch die Musik, die Freude macht“, sagt sie. Für die dementen Bewohner sei es zugleich ein kognitives Training, sie müssen sich die kombinierten Übungen merken und regen so ihr Gedächtnis an.
Um es ihnen etwas leichter zu machen, verwendet der Tanzlehrer manche Übungen immer wieder, andere kommen neu hinzu, wie in diesem Jahr die Charaktertänze aus Russland oder aus Ungarn. Bildlich versucht Hecht die Übungen zu vermitteln – „wir versuchen nun unsere nicht vorhandenen Stiefel zu säubern“. Mit voller Inbrunst dabei ist auch Brigitte Preiss. Die 82-Jährige tanzt erst seit sechs Monaten mit, möchte das wöchentliche Training aber nicht mehr missen. „Seit ich hier mitmache, kann ich mich besser bewegen. Dass ich auf meine alten Tage noch einmal Ballett tanze, hätte ich auch nie gedacht“, sagt sie.